Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Bochum
Sozialarbeiter im Kindergarten

Im Ruhrgebiet lebt mehr als jedes vierte Kind von Hartz IV. Oft sind diese Kinder auch bei der Bildung benachteiligt. Bochum testet jetzt einen neuen Ansatz: Sozialarbeiter sollen schon in Kitas Kinder und Eltern unterstützen.

Von Kai Rüsberg | 25.08.2016
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Die Kita-Sozialarbeit in Bochum soll für die Kinder die Chancengleichheit schon vor der Schulzeit verbessern. (Uli Deck/dpa)
    Die Spielrunde in der städtischen Kita am Mandelweg findet heute draußen statt:
    Kind: "Wenn so heißes Wetter ist wie heute, dann machen wir immer diesen Stern an. Das ist ein Wasserstern. Da fließt Wasser."
    In dem Bochumer Stadtteil Höntrop leben Familien mit ganz unterschiedlichem sozialen Hintergrund. Die Probleme aus den Familien bilden sich dann auch im Alltag der Kita ab, sagt Leiterin Britta Groß:
    "Wir haben verschiedene Familien aus der Mittelschicht, aber auch aus sozial schwach gestellter Familienstruktur. Auch Migranten, viel allein erziehende Eltern, viele über Mittag Kinder, deren Eltern arbeiten oder sonst Schwierigkeiten haben, die Übermittagsbetreuung zu gewährleisten."
    Hilfe bei Integration, Sprachproblemen oder Überforderung
    Bisher waren die Kita-Mitarbeiter auch bei schwierigen Situationen auf sich allein gestellt:
    "Wir arbeiten auch integrativ, wo die Eltern Schwierigkeiten haben, Gutachten von Ärzten anzufordern, wo viele Eltern überfordert sind. Das haben wir immer versucht zu gewährleisten, auch da haben wir die Frau Tölg mit ins Boot genommen, damit die Eltern Hilfe bekommen."
    Deborah Tölg ist eine von zur Zeit zwölf Kita-Sozialarbeiterinnen des Jugendamtes. Sie sollen bei Problemen helfen, die Familien unter Druck setzen. Oft seien es sehr einfache Hilfestellungen, erzählt sie:
    "Leute mit kleinen Kindern sind auf sich allein gestellt, die Erfahrung machen wir immer mehr, sodass dieser Familien- und Nachbarschaftszusammenhalt gar nicht mehr so da ist, wie man das noch von früher kennt."
    Oft sind es Zuzüge von jungen Familien, die Schwierigkeiten haben, sich in dem neuen Umfeld zu integrieren. Sei es, weil sie sprachliche Probleme haben, aus einem anderen kulturellen Umfeld stammen oder bei Alleinerziehenden, weil sie zu stark belastet sind, wie bei diesem Fall einer jungen Mutter:
    "Letztendlich ging es darum, dass sie nicht wusste, was ist in der Nähe, wo ist die nächste Krabbelgruppe, wo ist Kinderschwimmen, kriegt sie Ermäßigung für ihre Zwillinge?"
    Wachsende Armut sorgt bei Familien für vielfältige Probleme
    Besonders die anwachsende Armut sorgt gerade auch bei Familien mit mehreren Kindern für vielfältige Probleme, bei denen die Kita-Sozialarbeiter oftmals sehr praktische Hilfe anbieten können. Bei solchen Fällen nimmt sich Deborah Tölg dann auch viel Zeit, kommt zu den Familien nach Hause und fängt an die Post zu sichten, füllt Anträge aus und begleitet auf Behördengängen:
    "Noch eine weitere Familie, die nicht wusste, dass sie ein Recht auf Leistungen für Bildung und Teilhabe hat und mit Sportvereinen der Kinder verschuldet waren. Aufgrund von Wohngeld waren sie rückwirkend leistungsberechtigt und haben Leistungen erhalten, und so hatten sich Schulden gegessen, weil sie die Erstattung bekommen hatten."
    Anders als zum Beispiel bei Fällen von Kindeswohlgefährdung ist der Service aber für Eltern komplett freiwillig und soll bei zahlreichen Problemfeldern präventiv wirken, erläutert Jörg Klingenberg, Leiter der Kindertagesbetreuung:
    "Armut ist auf jeden Fall ein Problem. Das schlägt auf Kinder durch, das haben Untersuchungen gezeigt. Da können wir eingreifen und unterstützen. Es gibt erzieherische Probleme, das geht bis hin zu psychischen Erkrankungen der Eltern, die Auswirkungen auf die Kinder haben."
    Modell der Kita-Sozialarbeiter soll ausgeweitet werden
    Die Stadt Bochum hat keine neuen Stellen geschaffen, sondern die Stellen aus dem Sozialen Dienst ausgegliedert. Die Kita-Sozialarbeit soll die Chancengleichheit schon vor der Schulzeit verbessern, so Klingenberg.
    "Es ist zu erkennen, wenn Kinder Problem haben. Das erkennt man in der Kita. Da kann ich dann unterstützende Maßnahmen anbieten. Das kann aber sein, dass das nicht aufgegriffen wird. Das setzt sich dann in der Schule fort."
    Die Stadt Bochum hofft, mit dem Modell der Kita-Sozialarbeiter schon frühzeitig die Probleme zu lösen - bisher erfolgreich. Schon in Kürze sollen weitere Mitarbeiter hinzukommen, damit das gesamte Stadtgebiet versorgt ist.