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Bodenheizung statt Dampfbad

Energie.- Um aus Ölsanden Öl zu gewinnen, muss der Sand zuvor aufgeweicht werden. Die bisherigen Verfahren dafür sind energieintensiv und klimaschädlich. Forscher testen in einem bayerischen Dorf nun eine Methode, die energiesparender und damit umweltverträglicher sein soll.

Von Frank Grotelüschen | 08.08.2011
    "Es hat vor einer Stunde heftig geregnet hier. Und dann verwandelt sich das in einen recht schlammigen Acker."

    Das Gewerbegebiet von Niederwinkling, einem Örtchen bei Deggendorf am Bayerischen Wald. Dirk Diehl will das Testfeld kontrollieren – und muss dazu raus aus seinem trockenen Container und rein in die Gummistiefel.

    Dann stapft der Siemens-Forscher über das Testfeld – eine planierte Sandfläche, knapp so groß wie ein Fußballplatz und aufgeweicht durch den vielen Regen.

    "Das Wichtigste sieht man nicht, das ist unterirdisch. Das sind die beiden Teile dieses Induktionskabels."

    Was Diehl in Niederwinkling testet, ist eine Bodenheizung der besonderen Art. Sie soll eine Sorte von Öl zutage fördern, die sich nur widerwillig aus dem Boden holen lässt – Schweröl.

    "Schweröl ist nicht flüssig, sondern fest. Und deshalb muss man versuchen, das aufzuheizen. Mit diesem Aufheizprozess wird das Öl fluide und kann dann gefördert werden",

    sagt Siemens-Forscher Bernd Wacker. Bislang fördern Ölkonzerne in Kanada das Schweröl etwa bei den Ölsanden, indem sie heißen Wasserdampf ins Erdreich leiten. Der Dampf verflüssigt das Öl, sodass es sich leichter nach oben pumpen lässt.

    "Der Nachteil des Verfahrens ist, dass viel Wasser in Dampf umgeformt werden muss, was viel Energie benötigt. Wir sprechen von Dampftemperaturen von 200 bis 250 Grad."

    Um ein Barrel Schweröl zu fördern, müssen drei Barrel Wasser verdampft werden. Hinzu kommt eine riesige Anlage, die das Wasser nach der Förderung vom Öl trennt und anschließend reinigt. Zu aufwendig und zu teuer, meint Wacker – und hat eine Alternative ersonnen: Statt Dampf will er es mit elektrischem Strom versuchen. Dazu hat er mit seinem Kollegen Dirk Diehl in Niederwinkling ein Kabel im Erdboden vergraben. Es ist 100 Meter lang und fast armdick.

    "So ein Kabel wiegt etwa 900 Kilo."

    Diehl stapft zurück zu seinem Container und steuert einen der elektrischen Schaltschränke an.

    "Ich lege jetzt den großen Schalter des Umrichters um."

    Der Umrichter wandelt Netzstrom um in hochfrequenten Wechselstrom. Es liegt Hochspannung an: bis zu 1200 Volt.

    "Dieser hohe Strom induziert im umliegenden Erdreich eine Spannung, die wiederum zu Wirbelströmen führt. Was dann zur Erwärmung des Bodens führt. Das ist eine Art Bodenheizung."

    Und wie messen die Experten, ob ihre Bodenheizung das Erdreich tatsächlich erwärmt? Diehl zeigt auf dünne Stahlstäbe, die mitten im Testfeld stecken.

    "Wir haben in der Mitte fünf Bohrungen einbringen lassen, die bis in 20 Meter Tiefe gehen. Dort sind faseroptische Thermometer installiert. Diese Thermometer können wir im Container auslesen."

    Über mehrere Wochen haben die Forscher den Boden geheizt. Um fünf Grad ist er dabei wärmer geworden. Genug, um zu beweisen, dass das Prinzip funktioniert, sagt Wacker. Doch die Nagelprobe steht noch aus.

    "Wir müssen nachweisen, dass das in einer realen Ölsand-Formation dieselbe Wirkung zeigt, wie wir es in unserem Testfeld in Deggendorf zeigen konnten."

    Nächstes Jahr wollen die Forscher ihre Methode in einem Ölsandgebiet in Kanada testen – mit einem dickeren und längeren Kabel und deutlich mehr Leistung. Um 100 statt auf fünf Grad wollen sie den Boden dann erhitzen – deutlich weniger als beim Dampfverfahren, das anders als die neue Bodenheizung mit starken Wärmeverlusten verbunden ist.

    "Die Energieersparnis ergibt sich daraus, dass wir niedrigere Temperaturen anwenden können. Wir sprechen von Temperaturen zwischen 50 und 150 Grad anstelle mit Dampf 200 bis 300 Grad."

    Und damit ließe sich, so hofft Bernd Wacker, der Energieverbrauch bei der Ölsand-Förderung womöglich halbieren.