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Bodensee-Naturschutztage
Energiewende bleibt Reizthema

Die Energiewende war ein richtiger Schritt - darüber sind sich Politiker und Referenten bei den Naturschutztagen am Bodensee einig. Große Meinungsunterschiede gibt es dagegen, wenn es um die Details geht.

Von Thomas Wagner | 06.01.2014
    Rainer Baake, Mitglied der Grünen und Staatssekretär im neuen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie:
    "Die richtig gute Nachricht ist jetzt, dass wir nach nur 13 Jahren EEG heute in der Lage sind, mit neuen Wind- und Fotovoltaikanlagen Strom zu denselben Kosten zu produzieren wie mit neuen fossilen Kohle- und Gaskraftwerken."
    Andreas Jung, CDU-Bundestagsabgeordneter aus dem baden-württembergischen Konstanz und Mitglied im Nachhaltigkeitsbeirat des Deutschen Bundestages:
    "Der Ausstieg aus der Kernenergie, auch mit dem zeitlich abgestuften Abschalten ist festgeschrieben und unumkehrbar und ist richtig, weil die Kernenergie mit Risiken verbunden ist, die nicht tragbar sind und die wir deshalb so schnell wie möglich ausschließen wollen."
    Beifall mal für den Staatssekretär der Grünen, den SPD-Minister Siegmar Gabriel ins Amt geholt hat, dann wieder Beifall für einen CDU-Mann, der sich über die Energiewende freut: Breiter, so schien es auf den 38. Naturschutztagen in Radolfzell am Bodensee, kann der Konsens über die Energiewende wohl kaum sein. Doch: Der Teufel steckt im Detail. Um Windenergie von Nord nach Süd zu transportieren, komme man um einen Ausbau der Stromnetze nicht herum, so Baake. Und das bedeute eben auch: Neue Hochspannungstrassen mit den entsprechenden Einschnitten in die Landschaft. Und: Auch an einer Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes mit einer dann deutlich niedrigeren Einspeisevergütung für neue Fotovoltaikanlagen führe kein Weg vorbei.
    "Es ist klar entschieden worden: In Zusagen der Vergangenheit greifen wir nicht ein. Gott sei Dank ist das so entschieden worden. Es geht jetzt um die zukünftigen Kosten für neue Wind- und PV-Anlagen. Und die sind günstiger. Und diese Debatte müssen wir offensiv führen."
    Zukünftig weniger Geld für die Fotovoltaik-Förderung - da geht schon mal ein leises Grummeln durch die Reihen der Naturschützer in Radolfzell. Diese Grummeln wird erheblich lauter, als der CDU-Abgeordnete Andreas Jung ein weiteres Thema anspricht. Er redet von einer …
    "... besonderen Verantwortung für unser Land, Klimaschutz engagiert zu betreiben. Und das heißt: Raus aus der Kohle und eben nicht rein in die Kohle."
    Spätestens jetzt haben die vielen ehrenamtlichen Naturschützer ihr Reizthema: Dass Braunkohle aus Nordrhein-Westfalen weiterhin einen wichtigen Bestandteil im Energiemix der Zukunft einnehmen soll, will Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des BUND Baden-Württemberg, nicht in den Kopf:
    "Es ist mit Naturschutz überhaupt nicht vereinbar. Es torpediert den Klimawandel. Es wird hier Politik gemacht für eine relativ kleine Arbeitnehmerschaft, während gleichzeitig das Dreifache an Arbeitsplätzen durch Erschwerung der Fotovoltaik und der Windenergie in Deutschland kaputtgemacht wurden."
    Bei den Plänen zur Reduzierung der Einspeisevergütung für Fotovoltaikanlagen zeigen die Naturschutzorganisationen ein Stück weit Verständnis, befürchten aber, dass das novellierte Gesetz übers Ziel hinausschießen wird. André Baumann, Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg im Naturschutzbund Deutschland:
    "Es ist eine Erfolgsgeschichte, dass Windkraftanlagen und Fotovoltaikanlagen jetzt Strom produzieren, der nun konkurrenzfähig ist zu Kohle- und sogar Atomkraftwerken. Und deswegen ist es nur recht und billig, dass man darüber nachdenkt, ob man die Vergütungen nicht entsprechend anpassen kann. Aber das darf nicht dazu führen, dass die Energiewende ausgebremst wird. Hier muss man sehr vorsichtig herangehen."
    Kritik wurde in Radolfzell auch daran laut, dass sich die Förderung regenerativer Energien fast ausschließlich auf die Fotovoltaik und die Windkraft bezieht. Julian Aicher betreibt im oberschwäbischen Rotis ein Kleinwasserkraftwerk.
    "Ich sehe Defizite bei der Wahrnehmung der Wirklichkeit, dass zum Beispiel Wasserkraft mit keinem Wort erwähnt wird, obwohl das die größte erneuerbare Energieträgerin am Tagungsort Baden-Württemberg ist. Das wundert mich doch sehr."
    Und schließlich müsse die neue Bundesregierung bei allen Anstrengungen zur Energiewende immer dann, wenn es um Umwelt- und Energiepolitik geht, über den Tellerrand der Tagespolitik hinausschauen. Eines nämlich sei, so NABU-Landesvorsitzender André Baumann, im Koalitionsvertrag ziemlich vernachlässigt worden.
    "Das Grundproblem bei der Energiewende ist, dass unser Energiehunger noch viel zu hoch ist, dass Natur und Landschaft zerstört werden, weil noch zu viel Strom und andere Energien verbraucht werden. Und das ist dann eine Konsequenz unserer nicht naturverträglichen Lebensstile."