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Boeing testet neue Raumkapsel
"Starliner" vor dem Start in den Orbit

Seit 2011 die Ära der Space-Shuttles endete, sind die USA auf russische Hilfe angewiesen, um Astronauten zur Internationalen Raumstation zu bringen. Aber wohl nicht mehr lange. Die Crew-Kapsel der Firma SpaceX hat schon einen Testflug zur ISS absolviert. Morgen will Boeing mit seinem 'Starliner' nachziehen.

Von Guido Meyer | 19.12.2019
Boeing's Staliner
Morgen soll Boeings Raumkapsel "Starliner" unbemannt zur Internationalen Raumstation fliegen, doch schon bald könnte sie auch Astronauten befördern (Imago / UPI Photo / Joel Kowsky)
Beim Namen hat der Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing ganz unbescheiden direkt einmal in die oberste Schublade gegriffen: Starliner – ein Raumschiff, das zu den Sternen fliegt. Der ehemalige NASA-Astronaut Chris Ferguson, der inzwischen für Boeing arbeitet, dämpft die Erwartungen dann aber doch etwas: "Naja, ich würde nicht unbedingt behaupten, dass wir zu den Sternen fliegen. Aber mit Sicherheit werden wir mit dem Starliner aufbrechen zu Welten, wo noch nicht viele Menschen gewesen sind."
Chris Ferguson hat den Starliner mit entworfen – und sich natürlich auch Gedanken über dessen Namen gemacht: "Es hat ziemlich lange gedauert, bis uns ein passender Name einfiel. Wir haben uns dann auf Starliner geeinigt. Das erinnert an den Dreamliner. Das ist ein Langstreckenflugzeug, das von Boeing 2011 in Betrieb genommen wurde."
Unbemannter Testflug soll zeigen, ob die Technik funktioniert
Eine lange Strecke soll auch der Starliner zurücklegen – nicht zu den Sternen, aber immerhin bis zur Internationalen Raumstation ISS, in rund 400 Kilometern Höhe. Sieben Personen sollen mit dem neuen Raumschiff hin- und wieder zurückfliegen können. Chris Ferguson wird der Pilot der ersten bemannten Mission sein. Zunächst einmal soll die Kapsel aber zu einem unbemannten Testflug starten und an die ISS docken.
"Die Form des Starliners ähnelt jener der Apollo-Kapseln, mit denen die NASA zum Mond geflogen ist. Der Starliner ist mit seinen fünf Metern Durchmesser ein wenig größer. Er ist mit einem Servicemodul verbunden, das mit seinen Triebwerken die Steuerung der Kapsel übernimmt und sie zur Raumstation fliegt. Später, nach dem Abkoppeln von der ISS, trennen wir das Servicemodul ab. Es verglüht in der Atmosphäre, während die Mannschaftskapsel zur Erde zurückkehrt."
Der Starliner ist wiederverwendbar und landet auf festem Grund
Einen wichtigen Unterschied zu den Kapselkonzepten der 1960er Jahre gibt es aber schon: Der Starliner ist keine Wegwerfkapsel, sondern wird mehrfach einsetzbar sein. Durch seine Landung unterscheidet sich der Starliner ebenfalls von den alten Kapseln vergangener Jahrzehnte und auch vom Konkurrenten SpaceX: Der Starliner wird nicht wassern, sondern – von Fallschirmen und Airbags gebremst – auf dem Festland aufsetzen, im Westen der USA. Entweder in Utah, in New Mexico oder in Kalifornien.
Der ehemalige deutsche Astronaut Thomas Reiter arbeitet heute für Europas Weltraumagentur ESA. Als Koordinator für die Kooperation mit internationale Agenturen verfolgt er die Entwicklung in den USA genau.
"Die Tatsache, dass man in Amerika jetzt eigene Transportsysteme entwickelt, folgt der Philosophie, durch Wettbewerb auch Kosten zu senken. Denn ein großer Faktor bei Raumfahrt ist immer noch der Transport, also überhaupt erst in den Erdorbit zu kommen. Und durch diese Entwicklung kann man zumindest sehen, dass die Transportkosten beginnen, etwas zu sinken. Ob das dann alles in der Zukunft Bestand haben wird – weil der Markt ist relativ begrenzt -, das wird sich zeigen."
Je mehr Möglichkeiten, in den Orbit zu kommen, umso besser
Die Vielfalt, von der Thomas Reiter spricht, besteht aus dem Starliner von Boeing und der Kapsel namens Crew Dragon von SpaceX. Beide sollen künftig Astronauten zur ISS fliegen. Unbemannte Dragon-Kapseln versorgen die Station weiterhin mit Nachschub, genauso wie die Lastencontainer Cygnus der amerikanischen Firma Northrop Grumman und Japans Transfervehikel HTV. Auch der Raumgleiter Dream Chaser der Sierra Nevada Company wird sich demnächst als unbemannter Transporter hinzugesellen. Ebenfalls weiterhin im Geschäft beim Transport in den Orbit sind die Russen, mit ihren unbemannten Progress- und ihren bemannten Sojus-Kapseln. Thomas Reiter findet: Je mehr Möglichkeiten ins All zu kommen es gibt, umso besser. Denn sollte es bei einem Gefährt mal Probleme - wie bei den Sojus-Kapseln der Russen bereits geschehen - geben, könnte man leichter auf ein anderes ausweichen.
"Die gesamte Partnerschaft hängt im Moment von einem Transportsystem ab, das ja sehr robust ist und sehr zuverlässig. Aber wehe dem, es passiert was. Redundanzen sind nun einmal in der Raumfahrt enorm wichtig."
Dass der Starliner hält, was er verspricht, soll nun der unbemannte erste Testflug zeigen. Läuft alles nach Plan, sollen im Sommer erstmals Astronauten mit der Kapsel zur ISS starten.