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Börse
Anleihemarkt in Zeiten der Krise

Am Aktienmarkt geht es momentan turbulent zu: Rote Zahlen, so weit das Auge reicht. Die Unsicherheit an der Börse ist auch am Anleihemarkt zu spüren. Für sichere Staatsanleihen erhalten Anleger kaum noch Zinsen. Auch die Rückschläge bei der Wirtschaftsentwicklung verunsichern.

Von Brigitte Scholtes | 16.10.2014
    Die Renditen an den Anleihemärkten sind im freien Fall. Anleger suchen Sicherheit und kaufen deshalb gern Bundesanleihen, auch wenn sie dafür nur wenig Rendite erhalten. Doch die Geschwindigkeit, mit der es zurzeit abwärts geht, ist dann doch erschreckend. Laufzeiten bis hin zu vier Jahren sind inzwischen im negativen Bereich, die Anleger zahlen also eine Prämie dafür, dass sie dem Bundesfinanzminister Geld leihen.
    Für Staatsanleihen der USA aber hatte es in den letzten Monaten wieder höhere Renditen gegeben, weil sich dort die Konjunktur deutlich zu erholen schien. Doch gestern wurden überraschend fallende Einzelhandelsumsätze in den USA gemeldet, daraufhin gingen die Renditen der zehnjährigen Staatsanleihen auf unter zwei Prozent zurück, die Kurse zogen kräftig an. Ein Alarmzeichen, sagt Ilona Korsch, Anleiheexpertin des Bankhauses Hauck & Aufhäuser:
    "Kursgewinne an einem Tag in dieser Höhe gab es in den vergangenen Jahren einmal. Das war mitten in der Krise 2008. Also, das ist ein sehr, sehr ungewöhnlicher Fall gewesen. Die Annahme ist hier ganz klar, dass der sehr gute Konjunkturausblick für die USA hier etwas ins Stocken gerät und dass wir von einem weltweiten Rückgang der Wirtschaft ausgehen müssen. Der Markt hat völlig gedreht."
    Die Investoren hätten alles verkauft, was irgendwie mit Risiko zu tun habe, erklärt sie diese Bewegung:
    "Da ist es immer so in Zeiten von, man muss schon sagen: Krise, wie auch in der Finanzkrise, dass nur zwei Märkte gekauft werden. Das ist der amerikanische Staat und das ist der deutsche Staat. Und dass auch Länder der Peripherie in eine Spreadausweitung übergehen und hier Risiken hineininterpretiert werden. Also, Anleihen in diesen Märkten werden verkauft und die Renditen steigen."
    So liegen die Renditen für zehnjährige Anleihen aus Spanien zurzeit bei 2,2 Prozent, für solche aus Italien bei 2,5 Prozent. Neben der Konjunkturschwäche fürchten die Investoren zunehmend die Inflationsentwicklung. Das könnte Disinflation sein, also eine vorübergehend sinkende Inflationsrate bis hin zu Deflation, also einem lang anhaltenden Preisrückgang. Ilona Korsch:
    "Die Notenbanken weisen ja auch weltweit darauf hin, dass man zu unterstützenden Maßnahmen greifen wird, sollten deflationäre Tendenzen anhalten. Das ist in der Tat ein großes Problem, unterstützt durch die weltweit rückläufige Bewegung der Rohstoffe. Darüber hinaus kommt natürlich der fehlende private Konsum in verschiedenen Ländern. Es wird zu wenig investiert. Also hier tut sich in der Tat eine Spirale auf."
    Deshalb rechnen die Finanzmärkte inzwischen fest damit, dass die Europäische Zentralbank bald mit Staatsanleihekäufen beginnen werde. Und das könnte die Märkte beruhigen, glaubt Anleiheexpertin Korsch:
    "Da Investoren, wie wir wissen, sehr vorausschauend handeln, werden auch die vorzeitig wieder in den Markt einsteigen, was zu einem Renditerückgang führen wird."
    Die Anleger wissen auch, dass die EZB bereit ist, eine Billion Euro in Märkte zu pumpen. Das sollte hoffentlich reichen.