Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Roadmap E
2025 soll jeder vierte VW elektrisch betrieben sein

VW hat pünktlich zur Automesse IAA eine Elektro-Offensive angekündigt. Dafür braucht der Konzern Batteriezellen in rauen Mengen. Die kommen bisher vor allem aus Asien, wo sie billig als Massenware hergestellt werden. In Niedersachsen werden jetzt Forderungen laut, die Batteriefertigung zuhause anzusiedeln.

Von Alexander Budde | 12.09.2017
    Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, auf einer Hauptversammlung in Wolfsburg.
    Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG: "Bis 2030 wird der Volkswagen-Konzern sein gesamtes Modell-Portfolio durchgängig elektrifizieren." (imago / localpic)
    Die Konkurrenz summt voran: Über eine Million Hybrid- und Stromautos für den Massenmarkt haben die japanischen Autobauer Toyota und Nissan bereits ausgeliefert. In der Oberklasse hat sich das relativ kleine Start-up Tesla aus Kalifornien zum Marktführer bei hochpreisigen Elektroautos mit ausgefallenen Designlösungen aufgeschwungen. Volkswagen hält die Kundschaft mit großspurigen Versprechen hin.
    Der Start war schlecht, das Rennen läuft – und doch wähnt sich VW-Lenker Matthias Müller auf der Überholspur: Im Jahr 2025 soll jedes vierte Fahrzeug des Konzerns als Elektroauto vom Band rollen. Das wären dann bis zu 3 Millionen der smarten Stromer, die sich bislang im Unternehmenskalkül wie auf den Zulassungslisten so rar machten. Geplant war das schon länger. Auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt legt Müller allerdings noch einmal drauf:
    "Bis 2030 wird der Volkswagen-Konzern sein gesamtes Modell-Portfolio durchgängig elektrifizieren."
    Will sagen: Für jedes der derzeit rund 300 Modelle des Vielmarkenkonzerns soll es letztlich auch eine Elektrovariante geben. "Roadmap E", so lautet der Projektname für die Elektrifizierung der Flotte bis 2030. Dafür will der Konzern nun zusätzlich 20 Milliarden Euro aufwenden. Das nötige Geld für diese Offensive in Forschung und Entwicklung will VW mit dem Verkauf von Diesel und Benziner verdienen.
    Wo sollen Batterien und Antriebstechnik entstehen?
    Doch wo sollen die Autos der Zukunft, vor allem ihre wertschöpfenden Anteile, nämlich Batterie und Antriebstechnik entstehen? "Hier arbeiten 7.500 Menschen - und die brauchen eine Zukunftsperspektive! Etwa 20 Prozent dessen, was wir hier an Wertschöpfung haben für Verbrenner, werden wir in Zukunft noch für Elektroantriebe haben, das heißt, es fallen haufenweise Arbeitsplätze weg", sagt Andreas Blechner, Betriebsratsvorsitzender am VW-Standort Salzgitter. Das Werk liefert die Verbrennungsmotoren, die bislang das Kerngeschäft ausmachten.
    Betriebsräte wie Blechner wollen die Facharbeit an den niedersächsischen VW-Standorten um jeden Preis halten, eine Chance sehen sie im Wiedereinstieg in die heimische Batteriezellenfertigung. "Wir wollen hier einsteigen, in unserem Center of Excellence, wir wollen zu einem Prototypen kommen. Das Ganze wird ein paar Jahre dauern, und wir wollen möglichst auf die neueste Art der Zellfertigung springen. Da sehen wir eine Chance drin, weil es bislang noch keiner beherrscht."
    In Frankfurt beziffert Konzernchef Müller erstmals den Bedarf: Demnach benötigt der Konzern bis 2025 eine Batteriekapazität von mehr als 150 Gigawattstunden pro Jahr um die eigene E-Flotte auszustatten – das wären mindestens vier Anlagen vom Format der sogenannten "Giga-Factory", die Konkurrent TESLA gerade im US-Bundesstaat Nevada baut. Bislang bezieht VW die Zellmodule aus Japan, Südkorea und China. Wie andere Hersteller auch, hält sich der Konzern den Aufbau einer eigenen Zellfertigung als strategische Option offen. Doch diese würde Jahre dauern, Milliarden kosten und wohl nur in einer gemeinsamen Aktion der deutschen Autobauer und Zulieferer möglich sein.
    Kaufanreize und Investitionen in die Ladeinfrastruktur sind aber nur zwei Faktoren im Kalkül, betont der niedersächsische Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies. "Hier im Norden hätten wir die Möglichkeit, mit einem hohen Maß an erneuerbaren Energien – bis zu 100 Prozent Versorgung – völlig CO2-frei diese Batterien auch herzustellen."
    Bis 2030 muss sich VW nach eigenen Angaben Batterien im Wert von mehr als 50 Milliarden Euro beschaffen. Eine Entscheidung, wer bei diesem angeblich größten Beschaffungsvolumen in der Geschichte der Branche den Zuschlag bekommt, will der Konzern noch in diesem Jahr verkünden.