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Boris Johnson
Eine Mischung aus Pumuckl und Churchill

"Boris Johnson ist das Leben und die Seele jeder Party. Aber nicht der Mann, von dem man am Ende des Abends nach Hause gefahren werden möchte." Das sagte Energieministerin Amber Rudd über den ehemalige Londoner Bürgermeister. Für eine gute Pointe tut der Tory-Politiker fast alles - auch wenn die Wahrheit dabei gelegentlich auf der Strecke bleibt.

Von Jens-Peter Marquardt | 30.06.2016
    Brexit-Befürworter Boris Johnson und seine Frau Marina Wheeler bei der Stimmabgabe zum Brexit-Referendum in London
    Brexit-Befürworter Boris Johnson und seine Frau Marina Wheeler bei der Stimmabgabe zum Brexit-Referendum (picture alliance / dpa / Sputnik)
    Viele sagen, Boris Johnson habe den Ausschlag für den Brexit gegeben. Er persönlich habe mindestens zehn Prozent der Wähler dazu gebracht, für den Austritt aus der Europäischen Union zu stimmen. "Vote Leave", die Wahlkampforganisation der Austrittsbefürworter, jubelte jedenfalls, als der, den alle nur Boris nennen, sich auf ihre Seite schlug – denn zuvor hatten sie nur ein paar blasse Abweichler aus David Camerons Kabinett aufzubieten.
    "Das Letzte, was ich wollte, ist, gegen David Cameron oder die Regierung zu kämpfen. Aber nach gründlichem Nachdenken kann ich nicht anders, als für die Kampagne 'Raus aus der EU' zu werben, weil ich einen besseren Deal für die Bürger dieses Landes haben will."
    Ist es wirklich das, was Boris Johnson zum "Leaver" werden ließ, zum prominentesten Befürworter des Brexits? Viele haben daran ihre Zweifel: Boris Johnson ist in politischen Fragen ähnlich beweglich wie David Cameron. Da der Premierminister sich aber nun einmal entschieden hatte, für den Verbleib in der EU zu kämpfen, musste Johnson in das andere Lager. Um sein Ziel zu erreichen, Cameron aus dem Amt zu treiben.
    "Nicht der Mann, von dem man nach Hause gefahren werden möchte"
    Als Johnson in einer Fernsehdebatte vor dem Referendum mal wieder fantasievoll mit Zahlen zu den Kosten der EU-Mitgliedschaft umging, rief seine Parteifreundin Amber Rudd dazwischen: "Die einzige Zahl, für die sich Boris wirklich interessiert, ist die Nummer 10" – die Hausnummer des Premierministers in der Downing Street. Energieministerin Rudd hält Boris jedenfalls für einen Bruder Leichtfuß, dem man das Staatsschiff lieber nicht anvertrauen sollte.
    "Er ist das Leben und die Seele jeder Party. Aber nicht der Mann, von dem man am Ende des Abends nach Hause gefahren werden möchte."
    Für eine gute Pointe tut Boris Johnson fast alles, auch wenn die Wahrheit dabei gelegentlich auf der Strecke bleibt – so auch vor dem EU-Referendum: "Auf den Räucherlachs-Packungen in den Supermärkten muss auf Anweisung der EU der Hinweis stehen 'Kann Fisch enthalten'. Brauchen wir für diesen Hinweis wirklich die EU? Vielleicht sollte man vor dem Hauptquartier der EU in Brüssel ein Schild aufstellen: Kann taube Nüsse enthalten?"
    Shooting Star im Elite-Internat
    Johnson galt in seiner Schulzeit als Shooting Star im Elite-Internat Eton, während Cameron dort nicht weiter auffiel. Und eigentlich galt Johnson auch als kommender Parteivorsitzender, doch als gewählt wurde, war er wegen einer außerehelichen Affäre gerade nicht wählbar, und so führte Cameron die Konservativen aus der Opposition in die Regierung.
    Er lotste Boris auf ein Nebengleis – das Amt des Londoner Bürgermeisters. Die Olympischen Spiele 2012 machte er zu seiner großen Bühne: "Nennen sie mich hurrapatriotisch, nennen Sie mich chauvinistisch, aber wir haben es denen da in Peking gezeigt."
    So Boris Johnson 2012. Er ist ein großer Verkäufer seiner selbst, mit seinen sorgfältig verwuschelten strohblonden Haaren, Hemden, die vorzugsweise aus der zerbeulten Hose hängen, ein Showtalent, eine Mischung aus Pumuckl und Churchill, über den er eine Biografie schrieb, die sich liest wie eine Autobiographie.