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Borna-Virus
Erreger liefert Nervenschutz

Medizin. - Viren gelten Medizinern normalerweise als Gegner, die es zu vertreiben gilt. Gelegentlich kann es sich aber lohnen, sich ein paar Trick von einem Widersacher abzugucken. Das legt zumindest eine aktuelle Studie in "Nature Communications" nahe. Mit einem Eiweiß aus dem Bornavirus ist es den Forschern gelungen, die Nervenschäden bei Parkinson abzumildern.

Von Volkart Wildermuth | 23.10.2014
    1896 war ein schlechtes Jahr für die Kavallerie in der Stadt Borna in der Nähe von Leipzig. Die Pferde des Regiments gingen an der sogenannten Kopfkrankheit ein. Heute ist klar, die Ursache der Entzündung des Gehirn ist die Infektion mit einem Virus, das Borna Virus getauft wurde. Neben Pferden infiziert es auch Schafe und andere Tiere, für Menschen scheint es dagegen keine Gefahr darzustellen. Daniel Gonzalez-Dunia vom Institut für Pathophysiologie in Toulouse wollte die Biologie des Borna-Virus verstehen und infizierte Nervenzellen von Mäusen.
    "Wir waren verblüfft, dass die infizierten Neuronen sehr gesund wirkten. Bei anderen Viren sterben die Zellen, Neurone mögen es nicht, infiziert zu sein. Deshalb war es erstaunlich, dass das Virus die Nervenzellen nicht schädigt und vielleicht sogar schützt."
    Manche Viren vermehren sich explosionsartig und töten ihre Wirtszellen. Das Borna-Virus verfolgt dagegen eine langfristige Strategie. Es vermehrt sich langsam und arbeitet sich entlang der Nervenausläufer von einer Zelle zur nächsten vor. Um solche Viren auszubremsen, aktiveren infizierte Nervenzellen normalerweise ihr Selbstmordprogramm. Doch das Bornavirus ist ihnen einen Schritt voraus, es bildet ein Eiweiß. Dieses X Protein deaktiviert das Selbstmordprogramm. Das ist nicht nur gut für das Virus, sondern unter bestimmten Umständen auch für die Nervenzellen entdeckte Daniel Gonzalez-Dunia.
    "Unsere Neuronen wuchsen in engen Kanälen, so konnten wir ihre langen Ausläufer deutlich sehen. Ein bestimmter Giftstoff lässt diese Axone vom Ende her absterben, ganz ähnlich wie bei vielen Neurodegenerativen Krankheiten. Aber das X-Protein schützte die Nervenausläufer und letztlich die Nerven selbst vor dem Absterben."
    Virenprotein stärkt "Kraftwerke" der Zellen
    Das X-Protein des Borna-Virus wirkt über die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle. Gerade Neurone sind auf eine ausreichende Energieversorgung angewiesen, deshalb enthalten sie Tausende von Mitochondrien. Geraten die Nervenzellen unter Stress, werden diese Mitochondrien kleiner und arbeiten weniger effektiv. Das X-Protein wirkt diesem Zerfall entgegen. Geschädigte Mitochondrien tragen zum Krankheitsprozess bei Leiden wie Parkinson oder Alzheimer bei. Daniel-Gonzales-Dunia untersuchte deshalb als nächstes ein Mausmodell das bestimmte Aspekte der Parkinsonschen Krankheit widerspiegelt. Den Mäusen wird dabei ein Giftstoff ins Gehirn gespritzt, der auf einen Schlag die Nervenzellen abtötete, die bei Parkinson nach und nach absterben. Als die Forscher aber das X-Protein per Gentechnik in die Nervenzellen brachten, überlebten die meisten die Giftattacke. Ein interessanter Befund, der sich aber nicht direkt in eine Therapiemöglichkeit umsetzen lässt.
    "Also haben wir ein kleines Bruchstück des X-Proteins genommen und noch ein Stück angefügt, das es in die Zellen transportiert. In einem Nasenspray haben wir dieses verkleinerte X-Protein den Mäusen gegeben. Es gelangte ins Gehirn und hat dort die Nervenzellen vor den Schäden durch den Giftstoff bewahrt."
    Dieses X-Protein Nasenspray eröffnet theoretisch eine neue Therapieoption für eine ganze Reihe von Krankheiten.
    "Unser kleines Eiweiß schützt die Mitochondrien, deshalb könnte es im Prinzip immer helfen, wenn eine Schädigung der Mitochondrien wichtig beim Fortschreiten einer Krankheit ist. Nicht nur bei Parkinson sondern auch bei Alzheimer oder bestimmten Herzleiden. Aber das muss alles erst noch erforscht werden, bislang haben wir dazu noch keine Daten."
    Der nächste Schritt ist jetzt erst einmal eine genaue pharmakologische Untersuchung der kleinen Variante des X-Proteins. Wie hoch muss die Dosis sein, wie lange wirkt es und vor allem, gibt es vielleicht schädliche Nebeneffekte? Noch ist unklar, ob sich das X-Protein des Borna-Virus tatsächlich als Medikament eignet. Aber eines steht fest: man kann auch von einem Virus den einen oder anderen Trick lernen.