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"The New Luxury"
Mode für Auskenner

Der neue Luxus glitzert und glänzt nur selten: Er kommt als Turnschuh oder normales T-Shirt daher, kostet aber dennoch ein kleines Vermögen. Nur wer sich auskennt, erkennt ihn auch. Ein Buch zeigt diese teure Street-Fashion für eine neue Generation.

Von Gesine Kühne | 16.01.2020
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Turnschuhe sind Teil des neuen Luxus und werden selbst von Gucci verkauft. (Thomas Welch, The New Luxury gestalten 2019)
Etwas breiter als Din-A 4, aber genauso hoch, liegt das schwere, 319 Seiten dicke Buch vor mir. Der silberne Einband schimmert in Regenbogenfarben. Mein erster Gedanke: ach, noch so ein Coffee-Table-Book, das niemand braucht.
"Wir reden über Luxury. Wir reden über Produkte, die man nicht unbedingt braucht, die aber das Leben vielleicht ein bisschen schöner machen. Wichtig ist, es zu verstehen, dass die Konsumenten sich geändert haben."
Lexikon für moderne Streetwear
Und schon ist er mitten im Thema: Robert Klanten, Verleger beim Gestalten Verlag, Mitherausgeber des Buches "The New Luxury". Denn das Buch, das vermeintlich nur auf dem Couchtisch liegt, um gut auszusehen, ist eher ein Lexikon für moderne Streetwear. Zusammengestellt vom Gestalten Verlag eben und dem Onlinemagazin für Streetwear und urbanen Lifestyle "Highsnobiety". Das Magazin startete 2005 als Blog für Turnschuhe, Streetwear und Graffiti. Und hat selbst wesentlich zu diesem neuen Luxus beigetragen mit den mittlerweile über 3 Millionen Followern bei Instagram und über 100 Mitarbeitern weltweit.
"Im Prinzip ist der Nukleus in den Neunziger Jahren gelegt worden, da war es so, dass Brands wie Bathing Ape oder Labels wie Mo’wax die ganzen Themen eben ein bisschen weitergedacht haben."
Streetwear boomte gerade in Metropolen wie Berlin, wo jeder individuell sein wollte und deshalb jeder seine eigenen Marken entdecken musste. Turnschuhe von Nike oder auch T-Shirts mit einer rechteckigen roten Box, in der Supreme stand, hatten absolut nichts mit Luxus zu tun. Luxus waren die Perlohrringe und Burberry-Mäntel und die braunen Taschen mit dem Louis-Vuitton-Monogramm der reichen Kids aus dem Randbezirk Zehlendorf zum Beispiel.
Heute sind diese Taschen auch schon mal rot! Haben zwar das gleiche Monogramm aber auch noch das bekannte Boxlabel von Supreme. Denn die Streetwearlabels machen mit den Luxusmarken schon etwas länger gemeinsame Sache. Und das lockt die neue Streetwear-Generation eine Menge Geld, mehrere Tausend Euro gar, in die Hand zu nehmen, um eine sehr teure und streng limitierte Luxusmarke-trifft-Skateboardlabel-Tasche zu erwerben.
Das ist der neue Luxus also. Er besteht aber nicht nur aus Kollaborationen mit sonst günstigeren Streetwearlabels. Er hat auch dafür gesorgt, dass es Turnschuhe dauerhaft bei Gucci zum Beispiel gibt und dass Traditionsunternehmen wie Balenciaga ihre eigene Version von DHL-T-Shirts auf den Markt bringen. Für 250 Euro. Wer Instagram allerdings nicht auswendig kann, erkennt nicht, dass das der neue Luxus ist. Und wer das Geld dafür nicht hat, der gehört eben nicht mehr dazu.
Die Welt ist divers, bunt und hört Rap
"Die Konsumenten haben sich extrem gewandelt. Heutzutage sind es Kids, die 20 bis 35 Jahre alt sind, die eben auch aus sehr unterschiedlichen, kulturellen Hintergründen auch kommen. Gerade eben in Asien: Das sind junge Leute, die eben Geld haben. Die haben einen Beruf, die wollen teilhaben und die wollen sich einfach nicht mehr mit denselben Vorbildern abspeisen lassen, wie ihre Eltern. Das heißt, die suchen sich jetzt Heroen, die ihren Vorlieben entsprechen. Und das sind eben nicht mehr die Supermodels der Neunziger oder die weißen Männer der Achtziger."
Und genau mit dieser Wandlung der Streetwear, mit der Neubesetzung durch die Luxusmarken, mit Designüberfliegern wie Virgil Abloh beschäftigt sich das Buch "The New Luxury". Viel Text in englischer Sprache, dazu hochwertige Bilder, wie man sie auch von der Highsnobiety-Seite her kennt. So weit, so schön. Und wenn jetzt die Streetwear- und Luxusmarken noch komplett recyclebare Turnschuhe zum Beispiel entwickeln, Turnschuhe sind bisher ja Sondermüll, dann ist der neue Luxus komplett. Aber hey, es wird tatsächlich schon dran gearbeitet.