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Botanik
Pilze sammeln im Supermarkt

Ein englischer Pilzforscher musste nicht weit reisen, um neue Pilzarten zu entdecken: Er fand sie in seiner Einkaufstasche. Eine der neuen Arten, die der Supermarkt vor Ort unwissentlich im Angebot hatte, trägt nun den Namen "Weißer Kuh-Leberpilz".

Von Michael Lange | 17.09.2014
    Eine Frau steht zum Bezahlen in einem Supermarkt an der Kasse.
    Welche neuen Arten dieser Einkauf wohl ins Labor bringt? (picture alliance / dpa / RIA Novosti )
    Bryn Dentinger arbeitet als Pilzexperte bei den königlichen botanischen Gärten von Kew in England, in der Nähe von London. Normalerweise findet er neue Pilzarten mitten im Dschungel oder in Wäldern, wo erst wenige Forscher unterwegs waren. Für seine jüngste Veröffentlichung musste er jedoch nicht weit reisen.
    "Meine Frau kam vom Einkaufen zurück und hatte eine Packung getrocknete Steinpilze mitgebracht. Ich erkannte sofort ganze Stücke verschiedener Arten und so nahm ich 15 Pilzstücke aus der Packung, brachte sie ins Labor und untersuchte die Bereiche des Erbguts, die wir als Barcode für die Bestimmung der Art verwenden."
    Es handelt sich um kleine, festgelegte Bereiche im Genom, die typisch sind für einzelne Arten. Diese Art der Bestimmung ist wesentlich verlässlicher als die althergebrachte Methode allein anhand äußerer Merkmale.
    "Wir entdeckten drei DNA-Sequenzen, die in den genetischen Datenbanken nicht gespeichert waren. Die weitere Recherche ergab: Sie gehörten zu drei unbeschriebenen und unbenannten Steinpilzarten aus China. Wir gaben ihnen Namen, damit die Leute wissen, was sie essen."
    Pilze schmecken auch ohne Taufe
    Der neue wissenschaftliche Name der Pilze ist eine Mischung aus Latein und Chinesisch: Boletus meiweiniuganjun. Nach seinem Aussehen heißt der Pilz "Weißer Kuh-Leberpilz". Es ist ein Steinpilz der auch bei uns bekannten Gattung Boletus - in Deutschland als Dickröhrlinge bezeichnet. Pilzsammler in China kennen die nun benannten neuen Arten natürlich längst und verkaufen sie ins Ausland. Anscheinend sind diese Arten aber noch nie in die Hände von Wissenschaftlern geraten. Bryn Dentinger wundert das nicht: Sicher enden weltweit viele Pilze ohne wissenschaftliche Namen in den Mägen der Verbraucher.
    "Neue, noch unbeschriebene Arten tauchen immer wieder auf lokalen Märkten irgendwo in der Welt auf. Die Vielfalt der angebotenen Pilze und Pflanzen dort wurde bislang kaum dokumentiert. Je genauer wir hinschauen, umso mehr entdecken wir. Allerdings dürften die meisten dieser Pilze weltweit nicht so verbreitet sein wie Porcini."
    Aber auch für Pilzsammler, die Wald und Wiesen bevorzugen, gebe es noch viel zu entdecken, meint Bryn Dentinger.
    "Selbst in Großbritannien, wo die Natur so gut beschrieben ist wie wohl sonst nirgends, entdecken wir ständig neue Pilzarten. Und es handelt sich keineswegs nur um unscheinbare Vertreter. Eine Art, die wir letztes Jahr entdeckten, leuchtet in Rosa und Purpur. Und viele Pilze sind bedroht. Auch deshalb ist es wichtig so viele Arten wie möglich kennenzulernen - nicht nur die im Lebensmittelladen um die Ecke."