Iván Fischer leitet das Konzerthausorchester

Verlorene Illusionen

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Iván Fischer © Marco Borggreve
05.05.2017
Wenn der Abschied naht, wird plötzlich jede Stunde zusätzlich bedeutungsgeladen. Iván Fischer hat zwar noch etliche Monate als Konzerthausorchester-Chef vor sich – aber langsam zieht nachdenkliche Nostalgie ein.
Der reale Abschied des Ungarn vom Berliner Gendarmenmarkt steht zwar erst im nächsten Jahr an, aber schon jetzt hört man noch genauer hin – zum Beispiel auf seine klugen Programmgestaltungen, die auch diesen Abend zu einem außergewöhnlichen Ereignis zu machen versprechen.
Werden doch da gleichsam Anfang und Ende der bürgerlichen Epoche herangezoomt und im harten Gegenschnitt miteinander konfrontiert. Da gibt es einmal zwei Werke des jungen, mit dem frischen Rückenwind der französischen Revolution in Wien eingesegelten, aufbruchs- wie karrierefreudigen und entsprechend zuversichtlichen Beethoven: seine 1. Sinfonie und das zwar unter der Nummer 2 laufende, aber in Wirklichkeit ebenfalls erste Klavierkonzert des Rheinländers (mit Till Fellner als Solist) – Startsignale für Gattungen, bei denen er in den folgenden Jahrzehnten Meilensteine setzen sollte.
Die Stücke von Zimmermann und Kagel hingegen gehören in die 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts und bilanzieren mit sarkastischer Skepsis, was aus den Idealvorstellungen des Bürgertums zur Zeit der Wiener Klassiker inzwischen geworden war: ein Scherbenhaufen nämlich, bei dem es in diesen Jahrzehnten des Kalten Krieges nur noch um den bloßen Machterhalt mit manipulativen oder gewaltsamen Mitteln, aber bestimmt nicht mehr um Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ging.
Live aus dem Konzerthaus Berlin
Mauricio Kagel
"10 Märsche um den Sieg zu verfehlen" für Blechbläserensemble und Schlagzeug (Auszüge)
Ludwig van Beethoven
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 19
Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21
Bernd Alois Zimmermann
"Musique pour les soupers du Roi Ubu", Ballet noir für Orchester

Till Fellner, Klavier
Konzerthausorchester Berlin
Leitung: Iván Fischer