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Brandenburg
Schäfer kämpfen ums Überleben

Die Schäfer in Deutschland kämpfen gerade an vielen Fronten. Nicht nur der Wolf macht ihnen gelegentlich zu schaffen, besonders die zunehmende Bürokratie zwingt viele Schäfer zur Geschäftsausgabe. Doch gäbe es in Deutschland künftig weniger Schafherden, hätte das auch für die Umwelt fatale Folgen.

Von Vanja Budde | 16.03.2015
    Lämmer liegen auf einer Weide
    Lämmer liegen auf einer Weide (imago)
    Im März gleicht die Schäferei von Knut Kucznik in Altlandsberg einem tierischen Kindergarten: Neu geborene Lämmer liegen im Stroh, in dem drei schneeweiße Hundewelpen herum toben: Vor sieben Wochen hat auch die große Herdenschutzhündin Junge bekommen.
    Knut Kucznik besitzt nicht nur 500 Schwarzköpfige Fleisch-Schafe, er züchtet auch Pyrenäen-Berghunde zum Schutz gegen Wölfe. Es sind aber nicht die zurück gekehrten Raubtiere, die Brandenburgs Schäfern das Leben so schwer machen, dass viele von ihnen aufgeben, sagt der Vorsitzende des Schafzuchtverbandes Berlin-Brandenburg:
    "Der Hauptgrund ist die Bürokratie, wenn Sie dann aufhören, weil Sie das nicht mehr handeln können, weil das alles nur noch über Computer geht. Und ein 65-Jähriger ist da nicht mehr so lernfähig in dieser Größenordnung. Wir haben hier einen Kollegen in der Nachbarschaft, der ist 74 Jahre, geht immer noch arbeiten, weil seine Rente nicht ausreichen würde. Der treibt immer noch einen Trupp Schafe. Was meinen Sie denn, wie der mit der Bürokratie klarkommt?"
    Eine hoch komplexe Materie
    In Zeiten, in denen sich Fleecepullis aus Kunststoff besser verkaufen als Strickpullis, leben Brandenburgs Schäfer nicht mehr vom Absatz der Wolle oder des Lammfleisches, sondern von Agrar-Fördermitteln für die Landschaftspflege.
    Eine hoch komplexe Materie: In Knut Kuczniks Arbeitszimmer stapeln sich die Aktenordner. Kontrolleure des Umweltamtes wollten alles dokumentiert sehen, klagt er, von der digitalen Ohrmarke bis zum korrekt ausgemessenen Weidegebiet. Was für einen Schäfer deutlich komplizierter ist, als für ein großes, durchrationalisiertes Agrarunternehmen.
    "Die Äcker sind halt viereckig und schöne Drillspuren sind drin. Wir Hirten pflegen Naturschutzgebiete! Wenn Sie schon mal durch so ne Heide gegangen sind und gucken sich so die Heide an, dann überlegen Sie sich mal, wie Sie die kontrollieren wollen. Und die ganzen Programme sind dafür geschrieben worden, um Acker- und Grünlandflächen, die intensiv genutzt werden, messen zu können."
    Der Sprecher des Umweltministeriums in Potsdam, Jens-Uwe Schade, sieht das Problem, kann aber nicht helfen:
    "Ja, da kann ich nur sagen: 'Willkommen auf dem europäischen Binnenmarkt'. Im Agrarbereich, wozu die Schäfer gehören, bewegen wir uns ja in der EU der 27 und viele EU-Kommissare, gerade auch im Agrarbereich, haben uns immer wieder versprochen: 'Mit jeder Reform wird's besser. Wir werden einen Bürokratieabbau erleben.' Das Gegenteil ist der Fall."
    Faltale Folgen für die Umwelt
    Es wäre aber fatal, wenn die Schäferei in Deutschland ausstirbt. Denn die Wolltiere halten nicht nur die Deiche stabil: Dadurch, dass sie auf Grünflächen grasen, sind sie auch Garanten für Biodiversität.
    "Pflanzengesellschaften, die dort aussterben, oder Tiergesellschaften wie Schneckenarten oder Grashüpferarten, die würden einfach dann weg sein. Aber mit meinen Schafen reisen sie von einer Fläche zur nächsten Fläche und so verbinden meine Schafe die Biotope miteinander, vernetzen die Samen und die Sporen und sorgen dafür, dass es einen Artenreichtum gibt."
    Auch das Bundesamt für Naturschutz lobt ausdrücklich den Erhalt der biologischen Vielfalt als gesellschaftliche Leistung der Schäfer. Dafür müsse es mehr Geld geben, fordert nicht nur Knut Kucznik: Bundesweit verlangen die Schäfer von der Agrarpolitik mehr Unterstützung.
    "Wir Schäfer sind am untersten Rand des Einkommens."
    Zwar hat Brandenburgs rot-rote Landesregierung jüngst die Förderung für die extensive Pflege von Grünland von 140 Euro um 80 Euro pro Hektar erhöht, dazu gibt es 250 Euro Betriebsprämie, macht 470 Euro pro Hektar.
    Doch es fehlten immer noch 250 Euro pro Hektar, um die Existenz der Schafhalter nachhaltig zu sichern, rechnet Kucznik vor. Jens-Uwe Schade vom Umweltministerium verweist auf diverse Flächenförderprogramme, von denen die Schäfer außerdem profitierten: Erhöhte Prämien für die Beweidung von Heiden, mehr Geld für den Ökolandbau, Vogelschutzprogramme.
    "Also wir haben natürlich schon Interesse, dass die gewerbliche Schäferei in Brandenburg erhalten bleibt. Wir haben jetzt gerade die Unterstützung der Schäfer von 18,6 Millionen auf 28,5 Millionen für die kommenden sechs Jahre erhöht, also da ist auch ein Angebot da."
    Erhöhte Prämien für die Beweidung von Heiden, mehr Geld für den Ökolandbau, Vogelschutzprogramme.
    "Wir sind bereit, mit dem Landesumweltamt zu reden, dass Schäfer, die hier auch ortsansässig sind, die Pflegeverträge bekommen. Was wir nicht machen können: Dass wir direkt in die Abnahmepreise von Wolle und Fleisch eingreifen können."