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Aus drei mach eins

Die drei Universitäten der Europastadt Straßburg - Louis Pasteur, Marc-Bloch und Robert Schuman - verschmelzen. Die neue "Université de Strasbourg" ist dann mit 43.000 Studierenden die größte Hochschule in Frankreich. Am 1. Januar geht der dreijährige Vorbereitungsprozess offiziell zu Ende.

Von Hans-Peter Frick | 23.12.2008
    Das Straßburger Vorhaben sucht in Frankreich seinesgleichen. Seit drei Jahren wird der Zusammenschluss vorbereitet. Die international hoch anerkannte naturwissenschaftliche "Université Louis Pasteur" mit 18.000 Studierenden, die Marc-Bloch-Universität, an der sich 13.000 junge Leute in geisteswissenschaftlichen Fächer eingeschrieben haben und schließlich die "Universität Robert Schuman", an der sich künftige Juristen, Politologen und Manager ausbilden lassen.

    Neue interdisziplinäre Studiengänge, eine einheitliche Verwaltung, und - ganz banal - ein gemeinsamer Kalender für alle Studierenden. Das sind nur drei Neuerungen von vielen.

    Bisher hatten die drei Unis unterschiedliche Ferien, erläutert Joanni Crinon, die Englisch und Spanisch studiert:

    " Wir arbeiten dann nicht mehr in Studienjahren, sondern in Semestern, also Halbjahren. Der Vorteil: wenn ein Student durch die Prüfung fällt, kann er sie gleich im nächsten Semester und nicht erst ein Jahr später wiederholen.
    Also viel flexibler! Außerdem bietet es mehr Mobilität: Ich bekomme in einem Jahr für meine beiden Sprachen zwei Auslandsaufenthalte unter. "

    Im September des kommenden Jahres werden die Studierenden zum ersten Mal gleichzeitig ins Semester starten.

    Schon 2005 begannen die Straßburger Reformer, im Zusammenhang mit der Einführung von Bachelor und Master auch neue Fachkombinationen einzuführen. Über die Grenzen der drei unabhängigen Unis hinweg, war dies aber schwierig, räumt der neugewählte Rektor der Großuniversität, Alain Beretz, ein: Jetzt lasse sich der Wunsch nach mehr Interdisziplinarität leichter verwirklichen:

    "Wir ermöglichen künftig Haupt- und Nebenfächer. Jemand, der etwa Jura studiert, kann auch Biologie dazunehmen, um sich zum Beispiel in Umweltrecht zu vertiefen. Jetzt unter einem Dach kann er beide Fächer gleichzeitig studieren und nicht mehr nacheinander wie bisher."

    Alain Beretz, renommierter Pharmazie-Professor und zuletzt Rektor der Universität Louis Pasteur, betrachtet die Fusion also große Baustelle und Labor.

    Die Außenwirkung der Straßburger Uni werde besser. Die Zersplitterung der Hochschule, eine Folge der 68er Zeit als Selbstbestimmung der Leitgedanke war, helfe heute nicht mehr weiter.

    Mit der Verschmelzung gelingt es Straßburg auch, als eine der ersten französischen Unis in das nationale Programm "Operation Campus" zu kommen. Eine Art französischer Exzellenz-Initiative.

    Diese "Operation" fördert aber - im Gegensatz zur deutschen Initiative - weniger die Spitenforschung, sondern greift den Unis in der Ausstattung unter die Arme. Hilft bei der dringend notwendigen Modernisierung.

    Zu den Leuchttürmen dieses Projekts zählen in Straßburg der Abriss und Neubau der Medizinischen und der Chemischen Fakultät, die Errichtung eines Wissenschaftszentrum für Post-Doktoranten,
    sowie der Bau des "Maison de L'Etudiant" : Ein großes Informations- und Kulturzentrum für die Studierenden:

    "In diesem Neubau wird es Proben- und Aufführungsräume für Theater und Orchester geben. Auch Säle, die gemeinsam mit der Stadt genutzt werden. Ein sozialer Ort für Studierende und Bürger. Aber auch ein Service-Point, wo man sich einschreiben kann und seine Netzkarte für den Bus bekommt."

    Die Studentenvertretungen kämpfen gerade noch dafür, dass in diesen Neubau in der Innenstadt auch Wohnungen kommen - ein großes Problem in der teuren Europastadt Straßburg.

    Gleichzeitig mit der Fusion zählt Straßburg auch zu den ersten Universitäten in Frankreich, die über vier Jahre hinweg ein eigenes Budget verwalten wird. Mit 430 Millionen Euro jährlich steuert die Uni ihren Betrieb mit 4500 Mitarbeitern dann selbst.

    Bei Thema Geld , so Studenten-Vertreterin Joanni Crinon, haben einige Fachrichtungen durchaus Angst, mit der Fusion unter die Räder zu kommen.

    "Manche Studenten sorgen sich um ihre Fachrichtung, etwa in Kunstgeschichte, Soziologie und Demografie. Wir sind als Studentvertretung aber relativ gut im Verwaltungsrat vertreten und erheben die Stimme für alle Studierenden."

    Der neue Rektor Beretz kann sich vorstellen, dass gerade die Geisteswissenschaften im Windschatten der durch Drittmittel verwöhnten Naturwissenschaften auf mehr Geld hoffen dürfen.

    Als gestärkte Hochschule mit europäischem Profil hofft Straßburg auch international wieder besser wahrgenommen zu werden. Spitzenforscher sollen gehalten, ausländische Studenten angezogen werden. Schon jetzt kommt jeder fünfte Studierenden in Straßburg aus dem Ausland - mehr als an jeder anderen französischen Hochschule!