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Brasilien
Ein blühender Kunstmarkt

Mit der Fußball-Weltmeisterschaft und den Olympischen Spielen stehen Brasilien gleich zwei Großereignisse ins Haus. Sie rücken das Land nicht nur in sportlicher Hinsicht in den Mittelpunkt des internationalen Interesses, auch der Kunstmarkt erlebt einen Boom.

Von Solveig Flörke | 10.06.2014
    Der brasilianische Künstler Ernesto Neto vor dem Guggenheim Museum in Bilbao
    Der brasilianische Künstler Ernesto Neto vor dem Guggenheim Museum in Bilbao. (picture alliance / EPA / Luis Tejido)
    Stimmen, sich veränderndes Licht. Die großzügigen Räume des Casa Daros in Rio de Janeiro sind abgedunkelt. Hell leuchten nur die Licht-Installationen von Julio Le Parc. Der argentinische Künstler begeistert die Besucher der Ausstellung. Noch nie waren die Arbeiten von bildenden Künstlern aus Südamerika so gefragt. Außerhalb des Landes ist der Umsatz mit brasilianischer Gegenwartskunst innerhalb von nur zwei Jahren um erstaunliche 80 Prozent gestiegen. Sichtbar auch im Stadtbild und deutlich spürbar für Galeristen und Künstler. Dr. Hans Michael Herzog ist Kurator des frisch renovierten Casa Daros in Rio de Janeiro. Der gebürtige Ulmer bestätigt den Boom brasilianischer Kunst-Klassiker wie Lygia Pape, Antonio Dias oder auch Ernesto Neto. Für diese Entwicklung hat der Kunstkenner verschiedene Erklärungen:
    "Sie zahlen heute für eine Zeichnung von egal wem dieser Klassiker zwischen 40.000 und 400.000 Dollar, Sie zahlen für Installationen dieser Künstler Millionen. Das sind Preise, die sind jenseits. Und das hat etwas damit zu tun, dass der brasilianische Markt über New York geht und von dort nach Europa. Dazu kommt, dass die brasilianischen Sammler, die regelrecht auf ihren brasilianischen Kunstschätzen sitzen und die nicht veräußern, sehr wenige dieser doch knappen Kunstgüter überhaupt auf den Markt kommen."
    Große Sportereignisse wie die Fußballweltmeisterschaft oder die Olympischen Spiele 2016 sind aus Sicht vieler brasilianischer Künstler ein Volltreffer.
    "Das macht die enorm hohen Preise aus. Die Künstler selbst haben heute ein enorm gutes Standing in Brasilien. Natürlich hat sich die Galerienlandschaft vervielfacht. Heute gibt es doch einige, die wirtschaftlich arbeiten. Es fällt nicht schwer, zu verkaufen, man ist sehr schnell im Markt, die Käuferschicht ist exklusiv und ausschließlich aus der Upper-Class und da steigen sie direkt ein in die Society."
    Viel künstlerisches Potenzial
    Einer, der definitiv dazu gehört ist Ernesto Neto. Der 49-Jährige stellt in der ganzen Welt aus und zählt derzeit zu den gefragtesten Künstlern aus Brasilien. Sein Atelier liegt im Herzen von Rio, seiner Heimatstadt. Hier erarbeitet der Bildhauer unter anderem an seinen raumgreifenden Skulpturen aus Stoff. Einen besseren Ort kann er sich für seine Arbeit nicht vorstellen:
    "Ich bewundere Rio de Janeiro. Ich bin hier geboren, hier geblieben, auch weil ich als Künstler ein Interesse an der brasilianischen Kunst habe. Ich finde die Geschichte unserer Kunst sehr wichtig und dass ich dazu etwas beitragen und helfen kann, sie bekannter zu machen. Da ist es auch ein Vorteil, dass ich vor Ort bin. Ich liebe es einfach."
    Brasilien schaffe besonders viel künstlerisches Potenzial, findet Neto.
    "Die Kreativität ist enorm. Das sieht man im Karneval, aber auch beim Kampf der Menschen ums Überleben. Was sie sich alles einfallen lassen, um klarzukommen. Diese ständige Auseinandersetzung zwischen den Ultra-Konservativen, die möchten, dass alles schön so bleibt, wie es ist und dem Volk, das leben will, genau wie unsere Natur. Wie ein Baum, der wächst und mit seinen Wurzeln eine Wand durchbricht, so wächst auch unser Volk, um die Wand zu durchbrechen, mit viel Samba, Improvisation, mit Tanz, Freundlichkeit."
    Ernesto Neto ist einer, der von seiner Kunst momentan gut leben kann. Aber er weiß: das kann sich schnell wieder ändern.
    "International gibt es einen riesigen Anstieg von Interesse an südamerikanischer und brasilianischer Kunst. Aber bis dass man die Kunst - auch hier in Brasilien - als einen befreienden Raum versteht, dauert es noch."