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Brasilien
Schwarze-Peter-Spiel nach Dammbruch-Katastrophe

Über 300 Tote, ganze Gebiete begraben im Schlamm, verseuchte Flüsse - das sind die Folgen eines Dammbruchs in der Eisenerzmine im brasilianischen Brumadinho. Wer trägt die Verantwortung? Ein Tochterunternehmen des TÜV Süd, das den Damm kontrolliert hatte, geht auf Distanz zum Betreiber, dem Bergbaukonzern Vale.

Von Ivo Marusczyk | 21.02.2019
Die drei Männer in Helmen und orangefarbener Arbeitskleidung ziehen in der braunen Schlammwüste an einem Leichensack.
Bergung einer Leiche und Suche nach Opfern und Überlebenden im brasilianischen Brumadinho. Die Dämme eines Rückhaltebeckens der Eisenerzmine Córrego do Feijão brachen am 25.01.2019. ( Rodney Costa / dpa)
Wieder heulen die Sirenen in Minas Gerais, in der Bergbauregion im Südosten Brasiliens. Am Mittwoch in Nova Lima und in Ouro Preto. Seit dem verheerenden Dammbruch Ende Januar passiert das immer wieder. Viermal wurden schon Ortsteile oder ganze Dörfer evakuiert, weil Sensoren an einem Damm oder Rückhaltebecken eines Bergwerks Warnungen ausgelöst hatten.
"Die Sirene des Gongo-Damms ging um zwei Uhr früh los und alle hatten Angst, dass der Damm gebrochen ist. Aber es ist nichts passiert."
Bislang immer falscher Alarm. Die Bergbaufirmen sind nach der Katastrophe von Brumadinho mit 300 Toten zumindest etwas vorsichtiger geworden. Was allerdings nicht heißt, dass die Verantwortung für dieses Unglück geklärt wäre oder dass Konsequenzen gezogen wurden. Nach wie vor wird der Schwarze Peter munter hin und her geschoben.
Kontrollsystem in Frage gestellt
Der Bergbau-Konzern Vale behauptet weiter, er habe sich an alle Auflagen gehalten und den Unglücksdamm sorgfältig überwacht. Und verweist nach wie vor darauf, dass ein deutsches Unternehmen, der TÜV Süd, den Damm noch im September als sicher und stabil eingestuft habe.
"Neun Fachleute waren vor Ort, haben den ganzen Damm untersucht und haben ein Gutachten verfasst, in dem es nicht den geringsten Hinweis auf irgendeine drohende Gefahr gibt. Es gibt einige ganz kleine Handlungsempfehlungen, aber nichts was auf Stabilitätsprobleme hinweist", sagt Lucio Cavalli, Planungschef des Vale-Konzerns. Und Finanzdirektor Luciano Siani zitiert aus einem späteren Bericht.
"Das Rückhaltebecken ist in guten Zustand und wird gut gewartet und gut überwacht. Die Fachleute kommen zum Schluss, dass man, außer dass man so schnell wie möglich eine Drainage anlegen sollte, nichts Weiteres unternehmen muss."
Doch diese Dokumente werden nicht reichen, um den Bergbaukonzern zu entlasten. Der TÜV geht inzwischen auf Distanz und hat das ganze Kontrollsystem in Brasilien in Frage gestellt. Es gebe eine erhöhte Unsicherheit, ob die Stabilität von Dämmen mit dem bestehenden System überhaupt zuverlässig beurteilt werden kann. Deswegen werde der TÜV keine Dämme und Rückhaltebecken mehr abnehmen.
Außerdem steht der Vorwurf im Raum, Mitarbeiter von Vale hätten die TÜV-Ingenieure unter Druck gesetzt, damit diese dem Damm ein gutes Zeugnis ausstellen. Die entsprechenden Vale-Mitarbeiter wurden inzwischen verhaftet, die TÜV-Mitarbeiter sind wieder auf freiem Fuß. Insofern wird die Luft dünn für den Bergbaukonzern.
Spielt der Konzern auf Zeit?
Antônio Tonet, Generalstaatsanwalt von Minas Gerais sagt: "Es gibt inzwischen Dokumente, die beweisen, dass das was da passiert ist keine Naturkatastrophe war, deren Ursache niemand kennt. Es gibt sehr deutliche Hinweise, dass es im Unternehmen selbst große Bedenken gab, was die Sicherheit des Damms betrifft."
Fabio Schvartsman, der Chef des Bergbaukonzerns regiert darauf schon fast flehentlich: "Vale ist ein Schmuckstück Brasiliens und darf nicht für einen Unfall bestraft werden, der sich nun einmal in einem seiner Dämme ereignet hat."
Die Umweltbehörde befürchtet, dass der Konzern auch diesmal einfach auf Zeit spielt. Die Millionen-Strafen, die nach dem letzten schweren Dammbruch vor drei Jahren gegen eine Konzerntochter verhängt wurden, hat Vale bis heut nicht bezahlt.