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Brasilien
VW entschuldigt sich für Zusammenarbeit mit Miltitärregime

Während der Militärdiktatur in Brasilien bespitzelte der VW-Werkschutz Arbeiter, denunzierte sie und lieferte sie der Folter aus. Erst jetzt, 32 Jahre nach dem Ende der Diktatur, hat sich der Konzern zu seiner Verantwortung bekannt und sich entschuldigt. Doch den Opfern von damals reicht das nicht.

Von Ivo Marusczyk | 15.12.2017
    Das Logo von Volkswagen vor der Flagge von Brasilien
    32 Jahre nach Ende der Militärdiktatur hat sich VW bei den Opfern für die Zusammenarbeit mit dem Regime entschuldigt (picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger)
    Wir wollen keine Feier, wir wollen Gerechtigkeit, sagt Tarcisio Tadeu. Das steht auch auf dem Plakat, das er vor dem brasilianischen VW-Werk in Sao Bernardo do Campo in die Höhe hält. Und sein Kollege Lúcio Bellentani ergänzt:
    "Wir demonstrieren hier gegen die Feier, das sie hier abhalten über unsre Geschichte, über die Geschichte der Arbeiterklasse. Das ist unser Kommentar dazu, denn statt Verhandlungen mit uns zu suchen, wollen sie uns ihre Meinung reindrücken, was die Rolle von VW während der Diktatur angeht. Sie haben die Diktatur unterstützt, haben Arbeiter verfolgt."
    Beide haben darunter gelitten, dass die brasilianische VW-Tochter in der Zeit der Militärdiktatur mit den Machthabern und ihrem Geheimdienst eng zusammengearbeitet hat. Erst jetzt, 32 Jahre nach dem Ende der Diktatur bekennt Volkswagen sich zu dieser Verantwortung. Der Historiker Christopher Kopper von der Universität Bielefeld hat die Verstrickungen von VW und Diktatur untersucht und in seinem Bericht, den Volkswagen jetzt vorgestellt hat heißt es:

    "Der Werkschutz überwachte oppositionelle Aktivitäten seiner Beschäftigten und erleichterte durch sein Verhalten die Verhaftung von mindestens sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als der Einsatz von Folter durch die Politische Polizei bereits in der brasilianischen und in der deutschen Öffentlichkeit bekannt war."
    Kurz gesagt: Der Werksschutz bespitzelte die Arbeiter, denunzierte sie und lieferte sie der Folter aus. Das ist unstrittig - doch die Arbeiter verlangen, dass auch die damalige Führung von VW in Brasilien in Deutschland ihre Schuld bekennt. Im historischen Gutachten heißt es dazu.
    "Das Management von VW do Brasil verhielt sich gegenüber der Militärregierung uneingeschränkt loyal und teilte ihre wirtschaftspolitischen und innenpolitischen Ziele. Die Korrespondenz mit dem Vorstand in Wolfsburg zeigt bis 1979 eine uneingeschränkte Billigung der Militärregierung."
    Entschuldigung nach 32 Jahren
    Pablo Di Si, der Chef von VW do Brasil, formulierte eine Entschuldigung. Im Namen von VW drückte er sein tiefes Bedauern über die Geschehnisse aus. Aber vom VW-Vorstand in Wolfsburg war doch niemand angereist – anders als geplant. Der Grund: Die Opfer des VW-Spitzelsystems wie Tadeu und Bellentani hatten ihren Boykott der Veranstaltung angekündigt. Aus ihrer Sicht will VW seine Weste reinwaschen, drücke sich aber weiter vor der Verantwortung.
    "Ich finde, wir haben gezeigt, dass wir Alten, die verfolgt und bestraft wurden, gefangen und gefoltert wurden, nicht mit dieser Aktion des Unternehmens heute aufgeführt hat. Wir haben erfahren, dass VW sagt, dass nureinzelne Mitarbeiter mit der Diktatur zusammengearbeitet haben. Als ob das Unternehmen nichts damit zu tun hätte."
    "Ich finde, wir haben gezeigt, dass wir Alten, die verfolgt und bestraft wurden, gefangen und gefoltert wurden, nicht mit dieser Aktion des Unternehmens heute einverstanden sind. Was uns traurig macht:: Wir haben erfahren dass VW sagt, dass nur einzelne Mitarbeiter mit der Diktatur zusammengearbeitet haben. Als ob das Unternehmen insgesamt nichts damit zu tun hätte."
    Ein 92-Jähriger wird zum Sündenbock
    Denn das Gutachten sagt auch schwarz auf weiß, die Zusammenarbeit mit den Folterschergen des Regimes beruhe nicht auf Entscheidungen der VW-Spitze.
    "Diese Zusammenarbeit kam maßgeblich durch den Leiter des Werkschutzes Ademar Rudge zustande, der sich aufgrund seiner früheren Position als Stabsoffizier der Armee den Sicherheitsorganen besonders verpflichtet fühlte. "
    Aus Sicht der betroffenen Arbeiter wird damit ein heute 92-Jähriger zum Sündenbock erklärt. Sie verlangen dass VW über die Veranstaltung heute hinaus einen Dialog mit ihnen beginnt - und sie auch finanziell entschädigt.