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Bratzel: Rücktritt von Stracke ist keine gute Nachricht für Opel

Der Rücktritt von Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke sei ein große Überraschung, sagt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft. Er befürchte nun, dass der bisherige Sanierungskurs ohne betriebliche Kündigungen und ohne Werksschließungen bei Opel bis 2016 neu mit der GM-Führung verhandelt werden könnte.

Stefan Bratzel im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 12.07.2012
    Jörg Münchenberg: Opel steckt seit Jahren in einer schweren Krise: Die Absätze gehen zurück, die Verluste steigen – sehr zum Ärger der Konzernmutter General Motors. Erst vor Kurzem hatte sich die Konzernführung mit der Belegschaft auf ein Stillhalteabkommen bis 2016 geeinigt, Kündigungen bis dahin ausgeschlossen – bei weiteren Zugeständnissen der Mitarbeiter. Am Nachmittag kam dann der Paukenschlag: Karl-Friedrich Stracke, der Vorstandsvorsitzende von Opel, tritt zurück.

    Wie ist nun der Rücktritt von Opel-Chef Stracke zu bewerten, zumal in einer Situation, wo die Zukunft des Autobauers alles andere als gesichert ist? – Diese Frage habe ich vor der Sendung Stefan Bratzel gestellt, er ist Autoexperte an der Fachhochschule Bergisch Gladbach.

    Stefan Bratzel: Nun, das ist sicherlich eine große Überraschung und sicherlich auch keine gute Nachricht erst mal für Opel und die Sanierung. Es ist ja so, dass Opel mit dem Betriebsrat, auch mit der GM-Führung diesen Sanierungskurs abgesteckt hat, und es spricht vieles dafür, dass jetzt hier mit seinem Rücktritt etwas an diesem Sanierungskurs nicht mehr so ist, wie es ursprünglich abgesprochen war, weil vor Kurzem war noch völlig klar, dass er diese Sanierung begleiten will und auch durchführen und zum Erfolg bringen will, und da muss es in den letzten Tagen zumindest innerhalb der Führung einige Vorbehalte gegeben haben.

    Münchenberg: Nun gab es ja eine Grundvereinbarung, eben keine betriebsbedingten Kündigungen, keine Werksschließungen bei Opel bis 2016. Ist denn jetzt zu befürchten, dass der Sanierungskurs deutlich härter ausfallen wird mit dem Rücktritt von Stracke?

    Bratzel: Nun, man muss so etwas befürchten, kann man fast sagen, weil Stracke eben für diesen Kurs eigentlich stand und er versucht hat, den Betriebsrat mit ins Boot zu kriegen – vor dem Hintergrund, dass man halt gemeinsam an einem Strang, und zwar am gleichen Ende des Strangs zieht -, und diese Strategie hat eben das Zugeständnis wohl auch gebracht, dass man erst mal nicht über Kündigungen und Werksschließungen bis 2016 spricht. Und das scheint nun aufgekündigt zu sein, das heißt, es könnte sein, dass das Sanierungspaket neu geschnürt wird, dass man sich sozusagen jetzt von der GM-Führung neu an den Tisch setzen will. Jetzt ist tatsächlich der Spekulation Tür und Tor gegeben.

    Münchenberg: Opel gilt ja schon seit Jahren als angeschlagen, immer wieder hat man ein neues Sanierungskonzept aus der Taufe gehoben, es gab auch immer wieder Wechsel an der Spitze. Was bedeutet jetzt dieser Abtritt von Stracke in der gegenwärtigen Situation, wo Opel ja doch mit dem Rücken an der Wand steht, muss man sagen?

    Bratzel: In der gegenwärtigen Situation bedeutet das natürlich wieder ein Vakuum, das sich entwickelt hat. Stracke hat sich gut eingearbeitet, hatte angeblich auch das Backing, die Unterstützung der Führung in Detroit, war ja auch ein Mann, der für GM einige Themen auch in China beispielsweise positiv erledigt hat, und das bedeutet jetzt, dass es ein Schisma zwischen GM und dem Opel-Chef gegeben haben muss. Es bedeutet jetzt aus meiner Sicht, dass man praktisch von vorne anfängt, es muss wieder eine Vertrauensbeziehung erst mal aufgebaut werden zwischen den Opel-Beschäftigten, dem Betriebsrat und der GM-Führung und es muss wieder neu überlegt werden, ob das Sanierungskonzept, das man jetzt ja erst mal verabschiedet hat, so standhält. Ich glaube, dass man sicherlich dazu übergehen wird, wahrscheinlich auch vor dem Hintergrund der enormen Marktrückgänge in Europa, weitere Verschärfungen, möglicherweise auch doch kürzerfristige Schließungen von Werken ins Auge fassen könnte.

    Münchenberg: Kurz zusammengefasst würden Sie sagen, die Zukunft für Opel sieht derzeit eher etwas düsterer aus mit diesem Rücktritt?

    Bratzel: Mit diesem Rücktritt hat sich die Zukunft tatsächlich deutlich verdüstert aus meiner Sicht, und die Lage war ohnehin schon sehr, sehr düster.

    Münchenberg: Der Autoexperte Stefan Bratzel zur Lage bei Opel.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.