Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Braunkohleabbau in der Lausitz
Es ist Zeit für einen Plan B

Immer noch werden täglich bis zu 90.000 Tonnen Braunkohle in der Lausitz gefördert. Die Bagger fressen sich weiter durch das Land, Dörfer verschwinden, Seen entstehen. Politisch ist der Braunkohleabbau aber umstritten und irgendwann wird die Kohle auch erschöpft sein. Was fehlt, sind Ideen, wie es weitergehen soll.

Von Nadine Lindner | 02.02.2015
    Abendlicher Blick vom Aussichtspunkt Welzow auf die beleuchtete Abraumfoerderbruecke F60 und einen Absetzer im Tagebau Welzow-Süd.
    Abendlicher Blick auf die beleuchtete Abraumförderbrücke F60 im Tagebau Welzow-Süd. (dpa / picture-alliance / Andreas Franke)
    Eisiger Wind pfeift über die leere Fläche des Tagebaus und zerrt an den Flaggen mit Vattenfall-Logo am kleinen Infopunkt. Wie ein Balkon hängt er am Rande des riesigen Erdlochs. Eingerichtet von Vattenfall, dem Grubenbetreiber.
    Die Temperaturen liegen knapp über null Grad. Jörg Albrecht, der die Infotour durch den Tagebau führt, schreckt das wenig. Er ist ein freundlicher Herr mittleren Alters, trägt den knallgelben Fleece-Pulli des Bergbau-Tourismuszentrums. Ein willkommener Farbtupfer vor dem Braun und Grau des Tagebaus.
    "Anfangen tut der Tagebau hier mit der Entwässerung. Hier sehen Sie die schwarzen Leitungen, hier wird das Grundwasser ca. bis auf 120 Meter abgesaugt. Damit die Kohle und die Gerätschaften im Trockenen sind. Anschließend fängt das an mit den Vorschnittbaggern."
    Scheinbar endlos erstreckt sich der aktive Tagebau Welzow-Süd, an der Grenze von Brandenburg und Sachsen. Bis zu 90.000 Tonnen Braunkohle werden hier täglich gefördert.
    Die Hänge sehen aus wie Terrassen. Auf zwei Ebenen stehen Bagger mit Schaufelrädern, sie tragen Erde und Sand ab. Vorschnittbagger sind das, in den Worten des Tagebaus. An dieser Stelle liegt das Kohleflöz 100 Meter tief im sandigen Boden der Lausitz.
    Während der Eiszeit war hier die Nordsee
    Es ist schwierig, beim Fahren im Jeep nicht den gelben Schutzhelm zu verlieren, so uneben ist die Strecke, die sich über schmale Wege nach unten windet. Es kommt einem vor wie eine Wüstentour. Immer wieder sinken die Räder in den weichen Untergrund ein.
    "Die Lausitz besteht ja hauptsächlich aus Sand. Hier war die Nordsee der Lausitz zur Eiszeit. Und da war ein großes Gewässer hier. Dadurch sind die Ablagerungen von den damals Urzeittieren, dadurch ist der ganze Sand entstanden. Wir haben kaum Felsen, kaum Steine drin."
    Eine Maschine wölbt sich wie eine Brücke über dem Loch, die sie hier "den liegenden Eiffelturm der Lausitz" nennen. Die sogenannte F 60, die größte von Menschen betriebene Maschine der Welt mit einer Spannweite von circa 500 Metern. Sie fördert die Kohle.
    "Und unten ist die Kohle und das, dieses in Anführungszeichen Loch wandert immer mit. Das Loch wird hier vorne aufgemacht, hinten wieder zugemacht. Und mittendrin wird die Kohle abgebaut. Das wird dann mit Förderbänden zu den Tagesanlagen gebracht, dort auf die Züge drauf und dann in die Kraftwerke gefahren."
    Ein Eimerkettenbagger fördert Braunkohle am 15.01.2014 im Tagebau der Vattenfall AG in Jänschwalde (Brandenburg).
    Ein Eimerkettenbagger fördert Braunkohle am 15.01.2014 im Tagebau in Jänschwalde (Brandenburg). (dpa / picture-alliance / Patrick Pleul)
    Man könnte das mit einer Torte vergleichen, bei der man nur den untersten Boden essen will und den Rest darüber zur Seite schiebt, erklärt Albrecht.
    Nach dem Abbau wird der Abraum - der Lausitzer Sand, von dem Albrecht gesprochen hat - wieder in den Tagebau gefüllt. Aber das Volumen der Kohle fehlt. Das wird mit Wasser aufgefüllt. Und so entstehen die Seen.
    Raus aus dem Tagebau, rauf auf einen Hügel mit einem Holztor. Es ist ein kleines Denkmal für ein verschwundenes Dorf, von denen es in der Lausitz viele gibt.
    Tagebau als Tourismusfaktor
    "Hier stand der ehemalige Ort Wolkenberg. Der wurde im Gesamten, so wie die Leute damals wollten, nach Spremberg umgesiedelt 1991. 1994/95 kam hier schon der erste Bagger an. Und 2007 hat man die ersten Pflanzen hier auf dem Weinberg wieder angepflanzt. Das heißt also circa 20 Jahre braucht es, um das Loch hier durchwandern zu lassen."
    Links die Sandhügel des Tagebaus. Rechts Felder, eine Straße und ein kleines Waldstück, rekultivierte Fläche. Die Landschaft wirkt steril, die Hügel scheinen wie mit dem Lineal gezogen.
    Es gibt Touristen, die sich mit Fremdenführer Jörg Albrecht genau das anschauen wollen. Seit 2010 verdient er sein Geld mit diesen Touren. Finanziert wird der Bergbautourismusverein unter anderem vom Energiekonzern Vattenfall.
    Ein Wirtschaftsfaktor werden die Tagebaue und die Folgelandschaften mehr und mehr auch für private Tourismus-Anbieter. Es ist nicht schön hier, aber irgendwie interessant.
    Proschim soll abgebaggert werden
    Doch der Braunkohleabbau hat auch ein ganz anderes Gesicht. Wie das von Hagen Rösch. Der 35-jährige ist Geschäftsführer eines Landwirtschaftsbetriebs mit 80 Arbeitsplätzen. Fleisch- und Milch produzieren sie hier. Und Ökostrom.
    "Ich weiß nicht, wann wir hier weg müssen. Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, weil sich für uns die Frage nicht stellt. Wir gehen hier freiwillig nicht weg. Vattenfall weiß das schon lange. Man wird versuchen müssen, uns Zwangszuenteignen."
    Unternehmer Hagen Rösch fürchtet um seine Existenz und um die seiner Mitarbeiter. Denn das Dorf Proschim soll abgebaggert werden, es liegt auf einem Braunkohleflöz.
    "Erster Linie würden unsere Arbeitsplätze, über 80 Arbeitsplätze gefährdet sein. Plus eine Reihe von indirekten. Und es würde bedeuten, dass man in Brandenburg Ökostromanlagen in Größenordnungen abreißt, damit man Braunkohle fördern kann. Das heißt: Die Vergangenheit würde die Zukunft liquidieren."
    Rösch steht auf dem Parkplatz vor dem kleinen Bürogebäude und deutet mit der Hand in Richtung Felder:
    "Unser Biograskraftwerk, was wir hinter uns sehen, müsste dafür abgerissen werden. Wir haben acht Solarkraftwerke in Proschim, die müssten liquidiert werden. Es ist ein deutschlandweit – meines Wissens nach - einmaliger Fall, dass eine fossile, gestrige Energie privilegiert sein soll gegenüber dem Ökostrom. Der Braunkohlestrom die Möglichkeit bekommen soll, Ökostromanlagen zu vernichten."
    2014 stimmte die brandenburgische Landesregierung für den Ausbau des Braunkohletagebaus in Welzow-Süd II. Man hofft, dort ab etwa 2026 auf 1.900 Hektar Land rund 200 Millionen Tonnen Braunkohle fördern zu können. Auch Sachsen will Tagebaue erweitern, zum Beispiel bei Nochten II.
    Grenzüberschreitend demonstrieren Menschen zwischen dem deutschen Kerkwitz und dem polnischen Grabice gegen Braunkohle.
    Der Braunkohleabbau ist politisch umstritten. (dpa / picture alliance / Andreas Franke)
    Es wirkt wie eine ganz, ganz Große Koalition: In Sachsen regiert Schwarz-Rot und in Brandenburg ein rot-rotes Regierungsbündnis. Politisch haben sie eigentlich wenig gemeinsam: Aber in ihrer Unterstützung der Kohle sind sich - CDU, SPD und die Linke - einig.
    Bislang sind bereits 100 Dörfer in der Lausitz wegen des Braunkohleabbaus verschwunden. Und es sollen weitere Orte in Brandenburg und Sachsen hinzukommen: Atterwasch, Kerkwitz oder Schleife. In der Lausitz sind allein durch die Ausbaugenehmigungen von Welzow-Süd und dem sächsischen Nochten 2.000 Menschen von der Umsiedlung bedroht.
    Befürworter und Gegner des Braunkohleabbaus
    Gott hat die Lausitz geschaffen, aber der Teufel hat die Kohle darunter vergraben. So lautet ein altes Sprichwort hier.
    Wie soll es weitergehen in Proschim? Umzug und Entschädigung oder ausharren und kämpfen wie Hagen Rösch? Wer durch die stillen Straßen des 360-Einwohner-Orts geht, sieht die gelben Holzkreuze an manchen Gartenzäunen und Hofeinfahrten.
    "Bedeutet: Man ist gegen den Bergbau, man ist gegen die Zerstörung der Natur und Umwelt."
    "Wie nehmen sie denn die Stimmung im Dorf wahr, sind sich alle einig oder geht hier ein Riss durchs Dorf?"
    "Das Dorf ist sich definitiv nicht einig. Vattenfall hat auch viel getan, dass diese Uneinigkeit existiert. Man hat also von langer Hand bergbautreue Leute ins Dorf eingesiedelt. Das sind so die einen. Dann gibt es paar Befürworter, die wegwollen um persönliche Probleme zu klären, die gibt es auch. Es gibt ein paar Mitläufer. Und es gibt ein paar entschlossene, sehr entschlossene – ich sage mal - Bewahrer der Heimat – so möchte ich es mal nennen - und Bewahrer der Schöpfung und die gehen unter keinen Umständen, dazu zählen wir."
    Früher der Stolz der DDR
    Es sind drei Nachbarorte wie an einer Schnur, auf gerade mal zehn Kilometern: Welzow, Neu-Partwitz, Proschim. In ein paar Jahren, nach der möglichen Tagebauerweiterung sieht die Landkarte hier ganz anders aus: Die Stadt Welzow ist eine Halbinsel und Proschim verschwunden.
    Im Guten wie im Schlechten hat die Braunkohle auf die Lausitz ausgewirkt: Rund eine Million Menschen lebt hier. Die Tagebaue gibt es seit über 100 Jahren. Das prägt nicht nur die Landschaft, sondern auch die Identität.
    Die Gegend war einst der Stolz der DDR: 100.000 Menschen haben in der Braunkohle gearbeitet. Sie sorgten für Wärme und Strom im Arbeiter- und Bauernstaat. Ein Zentrum des Braunkohlebergbaus und seiner Arbeiter war Hoyerswerda mit dem Gaskombinat Schwarze Pumpe. 70.000 Einwohner vor der Deutschen Einheit. Heute nicht mal mehr die Hälfte. Was macht das mit einer Stadt?
    "Die Stadt, also sie fiel in so ein Schweigen und in so eine Lethargie rein. Und man hat sozusagen Ängste bekommen natürlich vor dem, was da auf uns zurollt, wo man keine Ahnung hatte, wie sich das auswirkt. Das wollte man nicht hören und wollte es auch nicht wahrnehmen."
    Die Architektin Dorit Baumeister hat die Schrumpfung in bundesweit beachteten Projekten wie "Super-Umbau" künstlerisch bearbeitet.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Leerstehender Plattenbau in Hoyerswerda: Die Einwohnerzahl hat sich halbiert. (Deutschlandradio - Nadine Lindner)
    "Wir machen so viele irre Sachen, dass ich mir immer denke, wenn ihr wüsstet, wie spannend das ist in den letzten zehn Jahren in dieser Stadt zu leben. Freiräume zu haben. Irre Dinge auszuprobieren. Theater in leer stehenden Häusern machen. Überhaupt Häuser im Vorfeld über drei Wochen bespielen, die danach abgerissen werden."
    Die puristisch gekleidete 52-Jährige ist immer in Bewegung, läuft zwischen ihrem Schreib- und Konferenztisch hin und her. So als wollte sie dadurch immer wieder eine neue Perspektive einnehmen während des Interviews. Neue Perspektiven will sie auch für Hoyerswerda finden.
    Denn mit der Kohle verschwanden erst die Arbeitsplätze und dann die Einwohner. Abwanderung, die Umgebung war vom jahrelangen Kohleabbau gezeichnet. Hinzu kamen die fremdenfeindlichen Ausschreitungen im Jahr 1991, die Hoyerswerda zusätzlich in ein schlechtes Licht rückten. Die Stadt macht es also sich und ihren Bürgern nicht einfach. Nicht schön, aber spannend, sagt die Architektin.
    Aber wie ist es um Hoyerswerda heute bestellt?
    "Das ist das letzte Überbleibsel. Aber der kommt auch noch weg."
    Max Häfner zeigt auf einen Plattenbau in der Neustadt von Hoyerswerda. Der 25-jährige ist hier aufgewachsen, hier geblieben, als einer der wenigen. Wie ein Monolith steht der Bau einsam an der Straße, als Sinnbild für eine Stadt auf dem Rückzug.
    "Ich denke, dass der Ort hier charakteristisch für Hoyerswerda ist. Und bis vor zwei Jahren stand hier noch alles voll mit Blöcken. Mittlerweile wir haben Brachland, Freifläche, Bäume, Wiesen."
    Noch immer kehren viele Junge aus Hoyerswerda ihrer Heimat den Rücken. Wer bleibt, der sucht sein Glück auch heute in der Kohle. Beim größten Arbeitgeber der Region: bei Vattenfall. Auch Max Häfner arbeitet in der Wartung des großen Maschinenparks.
    "Ich könnte auch woanders arbeiten, aber Vattenfall ist nun mal hier für die Gegend ein absolute Glückslos. Hier sind so viele Leute beschäftigt. Und man verdient nicht schlechtes Geld bei Vattenfall. Für die Region wäre es eine Tragödie, wenn der Tagebaubetrieb hier zugemacht würde."
    Schäden an der Vegetation
    Die Lausitz und die Kohle, die Lausitz und Vattenfall, das gehört für ihn zusammen. Er geht fest davon aus, dass sein Job sicher ist. Auch wenn die Frage, wie die Lausitz ohne Kohle aussehen könnte, immer öfter gestellt wird. Seit der Internationalen Bau-Ausstellung 2010 versucht die Region um Hoyerswerda ihren wirtschaftlichen Wiederaufstieg mit dem Tourismus. Das Lausitzer Seenland mit den zahllosen gefluteten Tagebaulöchern soll Ferienregion werden, neue Arbeitsplätze bieten. "Das ist erfreulich, ja, aber die Kohle ersetzen kann es nicht." So wie Max Häfner sehen es viele hier.
    Bahnhof in Cottbus. Männer in Arbeitskleidung laufen zwischen den Zügen und Bussen zum Kraftwerk hin und her. Auch hier am Bahnhofsgebäude prangt das allgegenwärtige blau-gelbe Logo des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall. Vielleicht zufällig, vielleicht mit einem kleinen Sinn für Ironie wartet genau dort René Schuster von der Grünen Liga Brandenburg. Er setzt sich seit Jahren gegen den Braunkohleabbau ein, warnt vor langfristigen Umweltschäden.
    Mit dem Auto geht es eine knappe halbe Stunde durch kleine Orte. Niemand auf der Straße, den Häusern nach ist die Zeit hier ein wenig stehen geblieben. Ziel ist der Tagebau Jänschwalde: Am Rand sind Pumpen und Rohre zu sehen, damit wird das Grundwasser abgesenkt, teilweise 100 Meter tief. Ein Schaden für die Vegetation, denn der sinkende Wasserpegel ist nicht nur auf den Tagebau selbst begrenzt, kritisiert Umweltschützer René Schuster.
    "An manchen Stellen hat Vattenfall eine unterirdische Wand gebaut, die also die Grundwasserabsenkung begrenzen soll. Es gibt aber kein Tagebau, der rundherum von so einer Wand umgeben wäre. Das heißt, hier stehen wir an so einer Wand. Aber auf der anderen Seite, auf der Westseite des Tagebaus Jänschwalde gibt es so eine Wand nicht, da sind sehr viele alte Bäume vertrocknet."
    Auf Straßenschildern in Cottbus in der brandenburgischen Niederlausitz, dem Zentrum der niedersorbischen Kultur steht auf Deutsch und Sorbisch "Wendenstraße - Serbska droga" und "Berliner Straße - Barlinska droga".
    Sorbische Siedlungsgebiete sind vom Kohleabbau betroffen. (dpa / picture alliance / Hubert Link)
    Aber auch wenn die Tagebaue abgeschlossen sind und das Grundwasser wieder steigt, gibt es Probleme, teilweise Jahrzehnte später. Wie die sogenannte Verockerung der Spree zeigt, bei der sich das Flusswasser rostbraun verfärbt. Kein Sandkorn blieb im Tagebau auf dem anderen.
    "Das ist auch eine der Ursachen, weshalb sich die Grundwasserchemie dann ändert. Wenn das Grundwasser wieder ansteigt, hat es ganz andere Eigenschaften als es vorher hatte. Dann gibt es einen Stoff, der nennt sich Pyrit, das ist ein Eisensulfit. Wenn das mit dem Sauerstoff und dem wieder aufsteigenden Grundwasser in Verbindung kommt, dann entsteht im Grunde Schwefelsäure und Eisen. Das ist eines der Probleme, die lange unterschätzt wurden. Wir haben ja jetzt das Problem der braunen Spree. Und die Probleme, die wir jetzt haben, sind verursacht durch den Bergbau vor 50 Jahren. Und das, was Vattenfall jetzt hier gerade tut, das wird in 50 Jahren ähnliche Probleme verursachen."
    Der Tagebau hinterlässt also nicht nur Badeseen, sondern auch verschmutzte Flüsse, umgewälzte Landschaft und eine hohe CO2-Emission.
    Umwelt und Kultur leiden: Mit jedem Dorf, das der Kohle zum Opfer fällt, verschwindet unwiderruflich ein kostbares Kulturerbe, denn hier ist das Siedlungsgebiet der sorbischen Minderheit.
    Besuch im Haus der Wirtschaft in Cottbus. "Die Lausitz braucht die Kohle, sonst gehen bei uns die Lichter aus". Davon ist Wolfgang Rupieper überzeugt, er ist als Vorsitzender des Vereins "Pro Lausitzer Braunkohle" das Gesicht der Braunkohle-Befürworter.
    Industriearbeitsplätze kann man nicht einfach ersetzen
    "Aktiv sind heute in der Braunkohle 8.000 Menschen beschäftigt in der Lausitz. Indirekt natürlich kommt auf jeden dort Beschäftigten weitere zwei Arbeitsplätze, was also Dienstleister und andere Zulieferer anbelangt. Sodass es also in etwa 30.000 Menschen sind, die direkt von der Braunkohle leben."
    Rupieper stammt selbst aus Bochum. Ein älterer Herr, er hat lange als Richter in Cottbus gearbeitet, ein bisschen merkt man ihm das noch an. Der Transformationsprozess im Ruhrgebiet hat nicht gut funktioniert, findet er, denn zu viele Industriearbeitsplätze sind verloren gegangen.
    "Dieses möchte ich der Lausitz ersparen. Der Strukturwandel, der im Ruhrgebiet etwa 50 Jahre nun andauert, zeigt eindringlich, dass man gute Industriearbeitsplätze nicht ohne Weiteres auch in längeren Zeiträumen ersetzen kann."
    Doch egal ob Braunkohle-Gegner oder Braunkohle-Befürworter, alle treibt die Frage um, welche Folgen der geplante Verkauf der Braunkohlesparte durch den schwedischen Staatskonzern Vattenfall hat. Die neue rot-grüne Minderheitsregierung in Stockholm pocht auf eine Senkung des klimaschädlichen Kohlendioxid-Ausstoßes.
    Vattenfall selbst äußert sich nur sehr spärlich. In der Cafeteria der Konzernzentrale in Cottbus sitzt Pressesprecher Thoralf Schirmer und erklärt wortreich, dass er nichts sagen wird.
    "Es gab im Herbst vergangenen Jahres die Entscheidung, dass Vattenfall für seine Braunkohlesparte in Deutschland einen neuen Eigentümer suchen wird."
    Auch die Gerüchte, ein tschechisches Unternehmen, das bereits bei Leipzig Tagebaue betreibt, wolle die Braunkohle-Sparte kaufen, kommentiert Schirmer nicht.
    "Na, wir haben uns bislang ja nicht zu möglichen Interessenten für einen Kauf der Braunkohle-Sparte von Vattenfall geäußert und werden das auch weiterhin nicht tun. Wie gesagt, der Prozess läuft einen neuen Eigentümer für die Braunkohle-Sparte zu finden. Und im Laufe dieses Jahres gehen wir davon aus, dass wir auch einen finden werden."
    Lausitz soll Energieregion bleiben
    Ob der Betreiber der Tagebaue nun Vattenfall oder anders heißt, ist nach Ansicht von Thoralf Schirmer irrelevant. Denn auch wenn die erneuerbaren Energien in Deutschland ausgebaut würden, gehe ohne Braunkohle nichts.
    "Dass der Ausbau von erneuerbaren Energien, den wir ja anstreben in Deutschland, dass der im Rahmen der Energiewende eigentlich nur möglich ist, wenn er einen starken konventionellen Partner an der Seite hat, der flexibel reagieren kann auf Schwankungen im Wind- und Sonnenstrom. Da sich Deutschland gegen die Kernenergie entschieden hat, bleibt ihnen als Option für einen solchen Partner, für so einen konventionellen Energieträger eigentlich nur die Braunkohle. Braunkohle ist im eigenen Land verfügbar, es in unabhängig von politischen Krisen."
    Gerd Lippold kann bei dieser Argumentation nur heftig den Kopf schütteln. "Wir müssen endlich eine Zukunftsvision für die Lausitz ohne Braunkohle entwickeln", fordert der energiepolitische Sprecher der Grünen im Sächsischen Landtag. Die Grünen sind sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen in der Opposition. Und sie sind die Einzigen, die sich konsequent für einen Ausstieg aus dem Braunkohleabbau aussprechen. Eine schwarz-grüne Annäherung nach der Landtagswahl in Sachsen scheiterte genau daran.
    "Wir wünschen uns natürlich erst einmal, dass die Lausitz Energieregion bleibt. In die Lausitz ist vor Kurzem eine neue Hochspannungstrasse 380-kV-Trasse in Betrieb genommen worden, die ist extra errichtet worden, um Braunkohlekraftwerk Boxberg den Strom nach Mitteldeutschland und weiter dann in andere Landesteile Deutschlands und auch ins Ausland zu transportieren. Das heißt, hier gibt es eine exzellente Übertragungsstruktur. Die kann natürlich genauso Strom transportieren aus Windparks, die man in der Lausitz errichten könnte."
    Windparks auf ehemaligen Tagebauen? Das wäre dann eine neue Version der Lausitzer Landschaft. Mondlandschaft, Badesee, Windpark?
    Visionen sind dringend gebraucht! Irgendwann kommt der Tag X, an dem die Kohleförderung endet. Und dann muss klar sein, wie die Energieversorgung gewährleistet wird. Aber auch, welche wirtschaftliche Perspektive es für die Menschen zwischen Cottbus und Hoyerswerda gibt. Bei beiden Fragen ist es dringend Zeit für einen Plan B.