Freitag, 29. März 2024

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Wiederauflage von Faber & Faber
"Ich knüpfe an die Gründungsidee an"

Nach fünfjähriger Pause geht der 1990 in Leipzig gegründete Verlag Faber & Faber im Herbst wieder an den Start. Mit seinem Programm knüpfe er an die Gründungsidee an, "Literatur und die bildende Kunst miteinander ins Gespräch zu bringen", sagte Verlagsleiter Michael Faber im Dlf.

Michael Faber im Gespräch mit Dina Netz | 02.09.2019
Portrait des Verlagsleiters Michael Faber
Es sei etwas Wunderbares, zu dem geschriebenen oder gesprochenen Wort auch eine bildnerische Idee zu entwerfen, sagte Verlagsleiter Michael Faber im Dlf ((c) Bertram Kober)
Dina Netz: Der Verlag Faber & Faber wurde 1990 von Elmar und Michael Faber gegründet, von Vater und Sohn. Im Untertitel hieß er "Sisyphos-Presse". Er kam nicht aus dem Nichts: Elmar Faber war zuvor Aufbau-Verleger gewesen, der "Unseld des Ostens", wie er selbst sich nannte. Der Verlag bestand bis 2014 – Michael Faber war ins Amt des Leipziger Kulturbürgermeisters gewechselt, 2017 starb Elmar Faber. In diesem Herbst geht Faber & Faber nun wieder an den Start, neu aufgelegt von Michael Faber und zwei Gesellschaftern, mit einem eindrucksvoll umfangreichen Programm. Wieviel Kontinuität und wieviel Neuanfang darin stecken – darüber will ich jetzt sprechen mit Michael Faber. Herr Faber, der frühere Verlag Faber & Faber war in Ostdeutschland eine wichtige Adresse, aber durchaus auch von bundesweiter Bedeutung. Für welche Bücher stand der frühere Verlag Faber & Faber?
Michael Faber: In einer gewissen Weise knüpfe ich heute wieder an die Gründungsidee an, und zwar Literatur und die bildende Kunst miteinander ins Gespräch zu bringen. Das heißt, wir haben bevorzugt in allen Kategorien, also vom preiswerten Buch bis zum teuren Pressendruck und Künstlerbuch, die Suche angetreten: Wie kann man die Literatur mit dem Bild, quasi mit einer anderen Übersetzung, in einer anderen Sprache, miteinander versöhnen oder sie vielleicht auch als Kontrapunkte ins Geschehen setzen? Und ich glaube, das hat uns deutlich unseren Ruf gestärkt, dass wir eben ein ziemlich bedeutender Verlag in Deutschland waren, der genau dieses Experiment erfolgreich betrieben hat.
Eine bildnerische Idee zum Wort
Netz: Jetzt könnte man ja hinterhältig sagen, Herr Faber: In diese Lücke ist in der Zwischenzeit, in der Ihr Verlag geruht hat, niemand gestoßen. Also gibt es vielleicht auch keine Nachfrage nach diesen illustrierten Büchern in hochwertiger Ausstattung. Aber genau damit kehren Sie jetzt zurück...
Faber: Ja, der Ruf, dass man damit erfolgreich ein Unternehmen gründen kann, ist nicht besonders gut. Man glaubt, es ist eine teure Angelegenheit, und der Markt würde das nicht hergeben. Anders als beim Kinderbuch, wo man das als eine große Selbstverständlichkeit sieht, hat man das eben im Erwachsenenbuch doch über viele Jahre, Jahrzehnte durchaus nur randläufig betrieben. Aber genau das ist ja auch meine Geschäftsidee: Wenig Konkurrenz heißt, man kann sich auch schneller einen Namen machen und ausbreiten. Und dass es etwas Wunderbares ist, zu dem geschriebenen oder gesprochenen Wort sich auch eine bildnerische Idee zu entwerfen, das würden wahrscheinlich alle bejahen.
Netz: Sie haben ja ein wenig gezögert, bevor Sie jetzt wieder neu mit dem Verlag Faber & Faber an den Start gehen. 2016 haben Sie als Kulturbürgermeister in Leipzig aufgehört. Worin begründete sich das Zögern? In den Veränderungen, die in der Verlagsbranche in der Zwischenzeit passiert sind, Digitalisierung, Rückgang der Leserzahlen?
Faber: Nicht unbedingt. Es war einfach auch eine Lebenssituation für mich mit Mitte 50 Jahren, wo man noch mal sich neu orientiert. Und man muss sich ja auch die Verlegerei so vorstellen: Man braucht einen Fundus, man muss viele vorhergehende Begegnungen haben mit Künstlern, mit Literaten, mit Gestaltern und so fort. Und ich habe mich einfach nicht unter Druck setzen lassen wollen. Deshalb hat das dann einfach noch mal zwei Jahre gedauert, ehe ich tatsächlich den Verlag gegründet habe.
Verneigung vor Elmar Faber
Netz: Als Würdigung Ihres Vaters ist jetzt als erster Band im neuen Faber & Faber Verlag der Briefwechsel zwischen Elmar Faber und Christoph Hein erschienen, der dauerte fast 35 Jahre. Wie viel Verneigung vor dem Vater und dem alten Verlag enthält das Programm und wie viel Neues, Eigenes fügen Sie jetzt hinzu?
Faber: Eine große Verneigung. Dieser von Ihnen angesprochene Briefband ist ja in gewisser Weise auch ein Memorial, das heißt, der Neustart beginnt gleich mit einer Erinnerung an den ursprünglichen Gründer und Kompagnon. Die Zusammenarbeit mit meinem Vater hat große Freude bereitet, und insofern finde ich es einfach auch schön, so wieder zu starten.
Netz: Aber es gibt zum Beispiel auch ein Debut in der deutschsprachigen Literatur im neuen Programm. Sie sehen schon auch, dass Sie den Anschluss ans Zeitgenössische gewinnen?
Faber: Unbedingt. Auch wenn man natürlich bevorzugt in dem literarischen, bildnerischen Bereich auf kanonische Texte zurückgreift, muss man in der aktuellen Literatur natürlich zu Hause sein. Das Heute existiert nicht ohne das Gestern. Und das Gestern ist besser zu verstehen, wenn man sich mit der heutigen Atmosphäre oder mit neuen Schreibarten beschäftigt. In diesen Spagat muss man sich hineinbegeben. Ich will das. Ich habe neben zwei Festen, die im Verlag arbeiten, natürlich auch gute Berater und Scouts, die mich auch aufmerksam machen. Denn man beherrscht natürlich den ganzen Kosmos alleine nicht mehr.
Netz: Herr Faber, vielleicht sagen Sie uns ein paar Sätze zu diesem Debut, das in Ihrem Verlag erscheint, von Désirée Opela?
Faber: Désirée Opela - ich bin sehr beeindruckt, sie hat eine hohe Intellektualität, und gleichzeitig ist es auch ein enormes Psychogramm, was sie entwerfen kann. Für ein Debut etwas sehr, sehr Großartiges. Ich bin davon überzeugt, dass sie sich einen Namen erschreibt und dass spätestens, wenn sie das zweite Buch auf den Tisch legt, man sich diesen Namen wird merken müssen – Désirée Opela.
"Von Anfang an die Spannweite zeigen"
Netz: Versuche ich mir zu merken. Ich habe 17 Titel im neuen Programm gezählt, darunter Namen wir Josef Haslinger, Theodor Fontane, Paul Gerhardt, Javier Marías, Ingeborg Bachmann – völlig durcheinander chronologisch natürlich. Das ist ein ziemliches Statement. Wollen Sie diese Schlagzahl halten?
Faber: Ja, wir werden es natürlich etwas anders strukturieren. Ich habe ein relativ üppiges Herbstprogramm jetzt hingelegt, aber das musste ich auch, weil ich wollte von Anfang an dem Buchhandel zeigen, in welcher Spannweite wir unterwegs sind. Im nächsten Jahr wird das anders sein, da werden wir wahrscheinlich sechs oder sieben Titel im Frühjahr machen und dann noch mal etwa zehn bis zwölf im Herbst. Da ist die Anstrengung dann auf zwei Saisons verteilt, und man ist dann auch nicht ganz so angespannt, wie ich das im Augenblick oder in den letzten Monaten war. Bei aller Freude, das weiß man - wir machen keine Taschenbücher, die einfach so durchrutschen, sondern diese Vielzahl an illustrierten Büchern oder eben auch unsere Buchkuriosa - wir sind da ja auch auf einem Feld unterwegs, wo viele überhaupt nicht wissen: Was passiert denn da eigentlich? Es macht Freude, und ich hoffe, diese Schlagzahl einigermaßen halten zu können.
Netz: Wie viel Mut oder sogar Verwegenheit gehört denn dazu, Herr Faber, in Zeiten zurückgehender Leserzahlen einem Verlag, so wie Sie es jetzt tun, neues Leben einzuhauchen?
Faber: Wir bewegen uns ja eigentlich immer auf zwei Beinen – sowieso als Menschen, aber auch hier ist es so. Es ist einerseits natürlich ein unternehmerisches Unterfangen, und das möchte man natürlich auch mit einer klugen Ökonomie lange aufrechterhalten. Und gleichzeitig ist man ja auch im Idealen, im Diskursiven unterwegs. Das heißt, man hat auch einen geistigen Anspruch, man möchte bestimmte Menschen miteinander ins Gespräch bringen, vielleicht das eine oder andere versöhnen oder vielleicht auch auf die eine oder andere Schwachstelle unseres Menschsein aufmerksam machen. Und wenn man beides ist – und das bin ich im Augenblick –, also Geschäftsführer und damit für die Finanzen verantwortlich wie eben auch verlegerischer Kopf, also der Programmmacher, bin ich natürlich in einer gewissen Weise immer mit mir selbst im Streit. Und gelegentlich gewinnt mal die eine Seite und gelegentlich dann die andere. Also eine gesunde Schizophrenie, so würde ich das bezeichnen.
Netz: Möchten Sie für eines Ihrer neuen Bücher an dieser Stelle noch besonders werben?
Faber: Ich bin natürlich unheimlich glücklich, dass es mir gelungen ist – denn hier war ich Lizenznehmer des Piper Verlags in München –, die Rechte zu bekommen von Ingeborg Bachmanns erstem literarischem Werk. Es ist großartig, sie hat sich ja unmittelbar mit ihrem Erstling in die europäische Literaturgeschichte eingeschrieben. Und ich habe mit einem bildenden Künstler aus München, Christian Mischke, einen fantastischen Interpreten gefunden, der diese lyrischen Werke tatsächlich, ich sage jetzt mal, bildnerisch interpretiert und übersetzt, also keinesfalls illustriert. Und irgendwie ist das mein Lieblingsbaby im Augenblick.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Christoph Hein/Elmar Faber: "Ich habe einen Anschlag auf Sie vor". Der Briefwechsel
160 Seiten. 22 Euro.
Désirée Opela: "In Limbo"
120 Seiten, 20 Euro.
Ingeborg Bachmann: "Die gestundete Zeit". Gedichte
Mit 12 Zeichnungen und einer Originalradierung von Christian Mischke
72 Seiten, 80 Euro.
Alle erschienen im Verlag Faber & Faber, Leipzig.