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Bremer Studenten auf Tauchfahrt
Mit "Avalon" beim Unterwasser-Wettkampf

Im italienischen La Spezia läuft ein bemerkenswerter Wettbewerb: Mehrere Tauchroboter aus verschiedenen Ländern sollen das Hafenbecken der Stadt inspizieren und nach Hindernissen absuchen – nicht ferngesteuert, sondern vollautomatisch. Eines der Teams kommt aus Bremen.

Von Frank Grotelüschen | 30.09.2014
    Man kommt sich vor wie in einem Hallenbad: Das Becken ist knapp 25 Meter lang und fast ebenso breit, das Wasser intensiv blau, und in der Luft hängt jener typische Geruch.
    "Wir chloren ein wenig, damit sich keine Bakterien bilden können oder Pilze oder sonst was",
    sagt Daniela Walter vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Bremen, kurz DFKI.
    "Hat aber keine Schwimmbadqualität. Also bitte nicht reinspringen!"
    Das Becken, gefüllt mit 3,3 Millionen Litern Salzwasser, ist nicht zum Planschen da, sondern ein europaweit einzigartiger Übungsparcours für Tauchroboter. Denn am Beckengrund in acht Metern Tiefe warten diverse Hindernisse auf die Maschinen.
    "So eine Art Felsenlandschaft, wie man's in der See auch hat. Oder eine Pipeline, wo die Roboter drüberfahren können zwecks Wartung. Oder ein Fischernetz – verschiedene Szenarien, die es hier gibt. Es bringt ja nichts, wenn man die Roboter einfach nur durchs Wasser fahren lässt. Die müssen ja auch was leisten können!"
    Hier, in der noch neuen Testhalle in Bremen, hat auch Avalon sein Testprogramm absolviert. So heißt der Tauchroboter, den das Team von Prof. Frank Kirchner am DFKI entwickelt hat.
    "Das kann man sich am besten vorstellen wie ein Torpedo, nur ein bisschen kleiner. Ein längliches, zigarrenförmiges Gerät, im Durchmesser 40 Zentimeter, zwei Meter lang. Verfügt über verschiedene Propeller, die versteckt im Inneren des Geräts sind, sodass es sich in alle Richtungen – nach oben, nach unten, links, rechts, vorwärts, rückwärts – bewegen kann."
    "Avalon" kann sich selbstständig orientieren
    Der Antrieb ist elektrisch, die Batterie hält bis zu zehn Stunden. Der Clou: Avalon wird nicht ferngesteuert, sondern agiert autonom. Die Forscher programmieren ihn mit einer Mission, und das Mini-U-Boot erfüllt sie ganz von selbst.
    "Elektronik und Software sorgen dafür, dass sich das Fahrzeug selbstständig orientieren kann. Es kann sich Karten von der Umgebung anlegen, in der es schwimmt, auch wenn diese Umgebung unbekannt ist. Später ist das Fahrzeug dann in der Lage, diese Karten zu nutzen, um sich selbst darin zu lokalisieren. Es hat eine gewisse Intelligenz."
    Wendig und weitgehend autonom – das sind die beiden Voraussetzungen, um bei euRathlon zu bestehen, einer Art Unterwasser-Wettkampf für Tauchroboter, der gerade in Italien läuft, im Hafen von La Spezia.
    "Im Wettbewerb besteht die Mission darin, dass man eine Pipeline, die am Grund des Hafenbeckens verlegt ist, erst mal finden muss. Dann Abfahren der Pipeline. Dann diese Pipeline eintragen muss in die Karte. Das ist dem System alles vorher nicht bekannt. Dann muss es an der Wand entlang fahren und die Hafenwand abscannen. Dann muss es bestimmte Objekte finden in diesem Hafenbecken. Und schließlich muss es zurückfinden zu seinem Startpunkt."
    Und das alles möglichst schnell und präzise, nur dann hat man die Chance, am Ende als bestes der sechs Teams dazustehen. Die Avalon-Gruppe hat gute Voraussetzungen, letzte Woche gewann sie einen Studierenden-Wettbewerb ebenfalls in La Spezia. Dennoch: Einen klaren Favoriten gibt es nicht, sagt Kirchner.
    "Bei Robotern weiß man nie, was passiert. Es muss ja nur ein kleiner Fehler sein – vielleicht ein Stecker, den wir nicht ordentlich gewartet haben, wo Wasser eindringt – und schon kann sich sämtliche Siegchance ins Gegenteil verkehren."
    Und tatsächlich: Gleich zu Beginn hat das Avalon-Team mit einem Leck zu kämpfen. Die Folge: null Punkte am ersten Wettkampftag. Doch das Team kämpft tapfer weiter. Denn ein Wettbewerb wie euRathlon ist ja nur eine Etappe auf dem Weg zum eigentlichen Ziel – der Entwicklung von Tauchrobotern für konkrete Anwendungen. Natürlich habe das Militär Interesse, etwa für die Minensuche, sagt Kirchner. Sein Team aber habe die zivilen Anwendungen im Blick, etwa die automatische Unterwasser-Inspektion von Hafenanlagen oder Offshore-Windparks. Die Vision:
    "Dass man in jedem Windpark ein oder zwei solcher Systeme hat, die permanent unter Wasser sind und ihre eigene Ladestation haben. Ein Operator könnte an Land sitzen und diese ganzen Windparks untersuchen. Wenn er den Verdacht hat, dass an irgendeiner Stelle etwas faul sein könnte, kann er von seinem Büro aus eines dieser Fahrzeuge da hinschicken um zu inspizieren, ob dieser Verdacht sich erhärtet oder nicht."
    Die Bremer tüfteln bereits an den Plänen für solche automatischen Windpark-Inspektoren. Innerhalb von fünf Jahren sollen diese dann marktreif sein.