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Brennstoffzellen-Flieger
HY4 überzeugt bei Testflug

Mit dem Experimentalflugzeug HY4 wollen Forscher der Vision vom Fliegen ohne Lärm und Abgase näher kommen. Josef Kallo und sein Team vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt haben es gebaut. Er ist sich sicher, dass es nur eine Frage der Zeit und Investitionen ist, bis vier- bis sechssitzige Elektroflieger als Zubringertaxis zum Einsatz kommen.

Josef Kallo im Gespräch mit Ralf Krauter | 29.09.2016
    Heute gegen 11:10 Uhr hob das viersitzige Flugzeug HY4 am Stuttgarter Flughafen zum Erstflug ab
    Das viersitzige Flugzeug HY4 hob am Stuttgarter Flughafen zum Erstflug ab. (DLR Fotomedien/Felix Oprean/ CC-BY 3.0)
    Ralf Krauter: Der Flieger, der heute in Stuttgart seinen Erstflug absolvierte, sieht ungewöhnlich aus. Im Prinzip ähnelt er einem Segelflugzeug, aber mit zwei Rümpfen und einer Motorgondel dazwischen. Das Besondere an diesem viersitzigen Katamaran der Lüfte: Er tankt Wasserstoff, den eine Brennstoffzelle in Strom für den Elektromotor verwandelt, der das Flugzeug antreibt. HY4, so heißt der Experimentalflieger, der demonstrieren soll, was Elektroantriebe künftig in der Luftfahrt leisten könnten. Entwickelt wurde er von einem Team um Professor Josef Kallo von der Uni Ulm, der beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt arbeitet. Ich habe ihn vor einer Stunde gefragt: Wie ist der heutige Erstflug gelaufen?
    Josef Kallo: Es war schon spannend, weil unser Zeitfenster hat sich ein bisschen, um ein paar Minuten verschoben, aber dann ging alles glatt. Wir sind gestartet, konnten dann bei schönstem Wetter über den Flughafen kreisen, und die Piloten haben dann auch gezeigt, was in dem Flugzeug steckt. Man hat auch mitbekommen, dass man nichts hört – sprich, das Flugzeug war auch sehr leise –, und dann haben wir eine glückliche Landung gehabt und dann konnten wir das Flugzeug besichtigen.
    Krauter: Sie sagen, die Piloten konnten zeigen, was in dem Flugzeug steckt, war denn auch eine Steilkurve oder Looping drin?
    Kallo: Looping war nicht drin, aber eine Steilkurve, ein bisschen mehr als das, was ich hätte gerne haben wollen, war schon drin, ja. Aber es ist alles gut gegangen, ja.
    "Bei Erstflügen, da steckt der Teufel immer im Detail"
    Krauter: Gab’s denn im Vorfeld dieses Erstflugs, der ja eine Weltpremiere für diese Antriebstechnologie war, Komponenten der Technik, die Ihnen besondere Sorgen gemacht haben?
    Kallo: Also jetzt besondere Sorgen, muss ich gestehen, haben mir die Komponenten nicht gemacht. Wie es bei so Erstflügen immer ist, da steckt der Teufel immer im Detail, sprich, auch eine kleine Komponente wie eine Sicherung für ein 12-Volt-Messgerät, wenn die dann ausfällt, dann wird nicht geflogen, und da hatte ich eher ein bisschen Sorge, dass die Nebenaggregate dann vielleicht das ein oder andere Problem haben. Aber es ist alles gut gegangen, wir haben sowohl von den Hauptkomponenten als auch jetzt von den Nebenaggregaten keine Herausforderungen gehabt. Es ging gut.
    Das Flugzeug wird mit Wasserstoff angetrieben, der in einer Brennstoffzelle in Strom umgewandelt wird. Der Elektromotor der HY4 hat eine Leistung von 80 Kilowatt.
    Das Flugzeug wird mit Wasserstoff angetrieben, der in einer Brennstoffzelle in Strom umgewandelt wird. Der Elektromotor der HY4 hat eine Leistung von 80 Kilowatt. (DLR, CC-BY 3.0)
    Krauter: Die technisch aufwendigste Komponente dieses Fliegers ist ja der Antriebsstrang, den Sie und Ihre Kollegen beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt mitentwickelt haben. Der besteht aus einer Brennstoffzelle, einer Hochleistungsbatterie, die dann für Start und Landung zugeschaltet wird, und einem Elektromotor. Können Sie jetzt nach dem Test schon sagen, ob dieser Antriebsstrang hält, was er verspricht?
    Kallo: Ja, was wir gesehen haben, ist definitiv, dass die Brennstoffzelle konstant die Leistung bringt. In unserem Fall wird die Brennstoffzelle nicht für hohe Dynamik eingesetzt, aber sie liefert mit hoher Effizienz konstant die Leistung. Und alles, was über einer bestimmten abgeforderten Leistung dann liegt, das wurde von der Batterie dann problemlos gebracht. Was wir auch gesehen haben, ist, dass der Motor, den wir eingebaut haben, tatsächlich die Leistungsdaten dann auch erfüllt, sprich, wir haben jetzt tatsächlich in der Startphase statt den vorgesehenen 80 kW dann tatsächlich auch 92 kW erreichen können, und sowohl die Brennstoffzelle als auch die Batterie haben ihren Beitrag dann geleistet und haben dann dieses Flugzeug abheben lassen.
    Krauter: Können Sie das auf die Schnelle in Pferdestärken übersetzen, oder ist das zu kompliziert?
    Kallo: Also 74 kW sind 100 PS, ich glaube 82 kW dürften dann so eine Größenordnung von 115, 113 PS sein.
    "Ich muss mir die Daten erst mal alle anschauen"
    Krauter: Es war ja im Gespräch, dass HY4 eine Reichweite von über 750 Kilometern erreichen soll und so eine Reisegeschwindigkeit von Tempo 165. Konnten Sie schon zeigen, dass diese Erwartungen sich erfüllen lassen?
    Kallo: Ich muss mir die Daten erst mal alle anschauen, das werden wir dann in den nächsten Wochen tun, aber was wir gesehen haben, ist aus dem Vortest, dass wir tatsächlich einen Verbrauch haben, der in den Parametern, die wir berechnet hatten, drin liegt. Und ich bin zuversichtlich, dass wir dann auch die Verbrauchswerte einhalten können.
    Gemeinsam schieben: Die HY4 nach dem Erstflug. Ab dritter Person von links: Georg Fundel, Geschäftsführer Flughafen Stuttgart, André Thess, Leiter DLR-Institut für Technische Thermodynamik, Ivo Boscarol, Geschäftsführer Pipistrel, Josef Kallo, Projektleiter HY4 im DLR, zusammen mit DLR-Mitarbeitern.
    Gemeinsam schieben: Die HY4 nach dem Erstflug. Der DLF-Interviewpartner Josef Kallo ist ganz rechts im Bild (DLR, CC-BY 3.0)
    Krauter: Als wir uns Anfang des Jahres schon mal über Flugzeuge mit Elektroantrieb unterhalten haben, da sagten Sie, so vier- bis sechssitzige Elektroflieger wie der HY4 könnten vielleicht so in zehn Jahren wirklich als Zubringertaxis zum Einsatz kommen, also etwa für die Strecke Friedrichshafen-Stuttgart. Hat der Erstflug heute Sie in dieser Vision bestätigt?
    Kallo: Also, ich muss gestehen, dass ich ab heute weiß, ein Viersitzer, auch ein Sechssitzer, das ist nur eine Frage der Zeit und der Investitionen. Dem steht nichts im Wege. Also gerade so im Bereich bis 200 Stundenkilometer ein Flugzeug zu entwerfen und das dann mit dem entsprechenden Antriebsstrang auszustatten, das ist machbar, da hab ich überhaupt keine Bedenken.
    Krauter: Sagt Professor Josef Kallo von der Universität Ulm, dessen Team beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt den Brennstoffzellenflieger HY4 gebaut hat.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.