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Brexit-Blues
Wie Berliner Briten auf den EU-Austritt schauen

Das Schreiben ist übergeben und damit der Austritt Großbritanniens aus der EU offiziell eingeleitet. Was aber bedeutet das für britische Bürger in Deutschland? Seit der Abstimmung für den Brexit im Juni 2016 häufen sich in Deutschland die Einbürgerungsanträge. Einige Berliner Briten schauen mit Wehmut auf das, was mal war.

Von Philip Banse | 29.03.2017
    Eine Hand hält einen britischen und ein deutschen Reisepass in die Kamera.
    Den britischen Pass behalten oder doch einen deutschen beantragen? Seit dem Brexit wollen immer mehr Briten Deutsche werden. (pciture alliance / Britta Pedersen)
    "Wir haben gesagt, dass heute eigentlich Trauertag ist, wir sollten schwarz anziehen. Es ist ein ganz trauriger Tag."
    Doch Celia Wynne Wilson macht erst mal einen Tee, natürlich mit Milch.
    "Das, was wir gerade trinken ist Yorkshire Gold. Es schmeckt sehr gut, ich hoffe, Dir auch."
    Celia Wynne Wilson ist 28 Jahre und arbeitet in einer Agentur, die klassische Musiker managt. Celia ist in Bristol aufgewachsen, hat Deutsch studiert und kam vor knapp fünf Jahren nach Deutschland.
    "Ganz einfach, Wohnung finden, Krankenversicherung. Wenn man EU-Staatsbürger ist, ist alles einfach."
    Celia zählt zur Generation EU: Erasmus-Studentin, vielsprachig, weltoffen. Als ihre Landsleute vor einem knappen Jahr für den Brexit gestimmt haben, da wollte Celia Deutsche werden.
    "Das hier sind die Formulare zum deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Die hatte ich vor ein paar Monaten mir geholt, weil mich mir ernsthaft überlegt habe, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Hauptsächlich um Reisefreiheit und Freizügigkeit zu behalten."
    Sogar das Überweisungsformular für die Einbürgerungsgebühr ist schon ausgefüllt, mit Kugelschreiber:
    "Und hier 191 Euro."
    Unsicherheit darüber, was kommt
    Doch um den deutschen Pass wirklich beantragen zu können, müsste Celia noch fast zwei Jahre in Deutschland bleiben. Zwei Jahre, in denen EU und Großbritannien jetzt den Brexit ausdealen.
    "Genau und dann ist unklar, was dann nach diesen zwei Jahren passiert. Und ich wollte mein Leben nicht pausieren und einfach warten, warten, ohne was Konkretes zu wissen."
    Und dann kam auch noch ein tolles Job-Angebot: Bildungsarbeit beim Londoner Sinfonie-Orchester unter Simon Rattle. Deswegen zieht Celia in zwei Monaten nach London. Etwas wehmütig blickt sie auf die vier Seiten Staatsbürgerschafts-Antrag samt Überweisungsformular:
    Reporter: "Rahmst Du Dir das ein?"
    Celia Wynne Wilson: "Ich lasse die für Alastair."
    "Ich heiße Alastair, wohne seit 3 Jahren in Berlin. Ich bin Übersetzer, arbeite selbstständig und ich bin gegen Brexit."
    Alastair ist 27 Jahre alt und der Mitbewohner von Celia.
    "Ich bin traurig, dass es jetzt wirklich passieren wird, es wird jetzt wirklich losgehen. Im Juni letztes Jahr habe ich mich gefühlt, als ob ein guter Freund gestorben ist. Und jetzt ist echt, es passiert und das kann man nicht so einfach stoppen. Und ich bin traurig meistens und auch ein bisschen wütend."
    Deswegen waren Celia und Alastair letzte Woche auch auf einer Demo, dem "March for Europe", mit dem in Berlin 6000 Menschen den 60. Geburtstag der Europäischen Union gefeiert haben.
    Hinter dem Kleiderschrank holt Celia ein Plakat hervor, auf einen alten Karton hat sie mit englischen Wortspielen geschrieben "Wir lieben die EU" und "Wir werden die EU nie aufgeben".
    So viele Möglichkeiten, die man nicht mehr haben wird
    Aus seinem Zimmer holt Alastair ein kleines Fähnchen: blau mit gelben Sternen im Kreis.
    "Das ist eine EU-Flagge, die haben wir vom europäischen Parlament bekommen, ich werde sie auch behalten fürs nächste Mal."
    Denn Alastair will in Deutschland bleiben.
    "Es gibt viel mehr Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, das sieht man in den Nachrichten. Ich habe kein gutes Gefühl für England. Das finde ich eigentlich das Traurigste. Es gibt so viel Möglichkeiten, die man nicht mehr haben wird als Brite oder auch als Europäer mit Briten."
    Celia Wynne Wilson: "Ich weiß nicht genau, was Gutes draus kommen kann – zumindest für die Briten. Wir sind eher pessimistisch."