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Brexit
Frankfurt hofft auf Londons Banken

Nach dem Brexit müssen sich viele Banken aus London eine neue Bleibe suchen. Die Stadt Frankfurt am Main hofft, dass sich möglichst viele Kreditinstitute dort ansiedeln. Doch die Konkurrenz ist groß. Auch andere Finanzzentren im Euroraum sind als Standorte attraktiv.

Von Brigitte Scholtes | 30.12.2016
    Im ersten Licht des Tages spiegeln sich am 26.08.2015 die Lichter der Skyline von Frankfurt am Main (Hessen) zur morgentlichen blauen Stunde im Fluss.
    Frankfurt wirbt für sich als attraktiven Standort für Londons Banken (Christoph Schmidt, dpa picture-alliance)
    Der Flughafen in Frankfurt – seine Nähe zur Innenstadt und zum Finanzviertel ist einer der Standortvorteile des Finanzplatzes. Und die kann Eric Menges potenziellen Investoren, die einen Umzug von London nach Frankfurt erwägen, leicht nahebringen. Der Geschäftsführer von Frankfurt RheinMain, der regionalen Marketinggesellschaft für den Wirtschaftsstandort, muss nur aus seinem Bürofenster im neunten Stock des Main Airport Centers schauen, eines modernen Bürokomplexes direkt am Flughafen:
    "Man sieht die Skyline von Frankfurt, man sieht auch die EZB von hier. Was aber ganz besonders ist: Bis dahin ist erst mal viel Wald zu sehen. Das, was wir jetzt hier links sehen z. B. eine große Industrieanlage, so nah am Flughafen und so nah an der Innenstadt, aber auch wiederum so nah an den Wohngebieten. Das lebt alles wunderbar miteinander zusammen hier auf relativ kleiner Fläche, gut miteinander verbunden, und dazwischen alles Natur."
    Finanzzentren im Euroraum wetteifern miteinander
    Frankfurt ist eine lebenswerte Stadt, will Menges vermitteln. Denn wegen der Entscheidung der Briten, die Europäische Union zu verlassen, müssen sich vor allem außereuropäische Banken, die bisher ihren Sitz an der Themse haben, einen neuen Hauptsitz für ihr Europa-Geschäft suchen: Sie benötigen eine Lizenz, einen sogenannten EU-Pass, wenn sie im Euroraum Geschäfte machen möchten.
    Deshalb wetteifern die Finanzzentren im Euroraum miteinander – Amsterdam, Dublin, Luxemburg, Paris – und eben Frankfurt. Immerhin hat sich Anfang Dezember die schweizerische UBS entschieden, ihre europäische Tochtergesellschaft nicht in London, sondern in Frankfurt anzusiedeln. Doch die Werbung für die Mainmetropole, so ist zu hören, müsse mit etwas mehr Nachdruck geschehen. Der hessische Finanzminister Thomas Schäfer weist diese Kritik von sich:
    "Das ist nicht der Stil, mit dem wir dort auch mit den Kolleginnen und Kollegen in Großbritannien umgehen wollen. Aber auf der anderen Seite weisen wir darauf hin, welche Stärken wir haben."
    Europäische Bankenaufsicht sucht nach neuem Standort
    300 Banken gibt es in Frankfurt, davon 161 internationale. Für Finanzleute wichtig: Die Europäische Zentralbank ist am Main angesiedelt, ebenfalls die Europäische Versicherungsaufsicht. Die noch in London ansässige EBA, die Europäische Bankenaufsicht, muss sich nach der Brexit-Entscheidung auch ein neues Domizil suchen. Thomas Steffen, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, hat dafür eine Präferenz:
    "In diesem Umfeld wäre natürlich auch die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA gut aufgehoben."
    Das sehen auch die Akteure am Finanzplatz so, etwa Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba:
    "Deswegen plädieren wir auch dafür, dass die EBA, also die Aufsichtsbehörde, die jetzt noch in London sitzt und sich einen neuen Standort suchen muss, aus unserer Sicht nach Frankfurt muss."
    Allerdings achten die anderen Mitgliedsstaaten im Euroraum genau darauf, dass eine einzelne Stadt nicht zu großes Gewicht erhält. Finanzstaatssekretär Steffen rechnet mit einer Standortentscheidung im Frühjahr. Das dürfte auch für viele andere Finanzinstitute gelten. Und aus eigener Erfahrung wirbt er für Frankfurt:
    "Frankfurt ist eine Liebe auf den zweiten Blick. Aber dafür eine Liebe, von der ich glaube, sie hält umso länger."
    Konkurrenz aus den USA
    Doch ob tatsächlich tausende neue Mitarbeiter nach Frankfurt umziehen müssen, ist fraglich. Inzwischen .nämlich wird vielen Bankern bewusst, dass man eine Vollbanklizenz auch schon mit zwei Geschäftsführern und einigen wenigen Mitarbeitern erhalten kann. Und das könnten vor allem amerikanische Banken in Erwägung ziehen - und ansonsten ihr Geschäft von New York aus betreiben. Gegen Manhattan hätte Mainhattan dann wohl kaum Chancen.