Dienstag, 19. März 2024

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Brexit, Nationalismus, CETA
Vom europäischen Traum zum Albtraum

Die zurückliegende Monate haben die Europäische Union in eine tiefe Krise gestürzt. Der Austrittswunsch der Briten, das Erstarken der Populisten, das fast gescheiterte Freihandelsabkommen CETA warfen existenzielle Fragen auf: Kann sich die EU angesichts immer stärkerer nationaler Interessen überhaupt noch fortentwickeln?

07.12.2016
    Zur Diskussion mit (v.l.n.r.) Ursula Welter (Deutschlandfunk), Sir Graham Watson (langjähriger Europaabgeordneter), Emanuel Richter (Politikwissenschaftler, RWTH Aachen), Pascal Arimont (MdEP, Fraktion der Europäischen Volkspartei EVP), David Engels (Althistoriker, Freie Universität Brüssel), Olivier Krickel (Belgischer Rundfunk)
    Zur Diskussion mit (v.l.n.r.) Ursula Welter (Deutschlandfunk), Sir Graham Watson (langjähriger Europaabgeordneter), Emanuel Richter (Politikwissenschaftler, RWTH Aachen), Pascal Arimont (MdEP, Fraktion der Europäischen Volkspartei EVP), David Engels (Alth (Deutschlandradio / Nils Heider)
    Die Europäische Union steht nach dem Brexit-Votum in Großbritannien vor einer tiefen Zäsur. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte will ein Mitglied die europäische Gemeinschaft verlassen. Der langjähriger Europa-Abgeordnete Graham Watson sagte, die EU dürfe es Großbritannien nicht erlauben, mit diesem Schritt auch die Prinzipien des Binnenmarktes zu verändern:
    "Sonst geht alles schief mit Europa. Und ich glaube, man wird sehen, dass die Abstimmung schon viel Schaden gebracht hat, Schaden für den Ruf als engagierte Großmacht, Schaden an unserer investitionsabhängigen Wirtschaft, viele Arbeitsplätze wird das kosten, Schaden für die Einigkeit Europas und an der Fähigkeit unserer Union, grenzüberschreitenden Herausforderungen entgegenzukommen."
    Die EU müsse jetzt in den Verhandlungen mit Großbritannien zeigen, dass es einen Mehrwert dafür gibt, Mitglied in der Europäischen Union zu sein, sagt Pascal Arimont, Abgeordneter der EVP im Europa-Parlament.
    Der EU werde es ohne Großbritannien nicht besser gehen, glaubt der Politikwissenschaftler Emmanuel Richter von der RWTH Aachen. Grundsätzlich hält er das Konzept einer permanenten Erweiterung der Union für sinnvoll:
    "Das ist der Zusammenschluss, die Zusammenhalt, die Kooperation in Europa. Wie dicht die sein muss, das ist glaube ich die Frage, die man kritisch diskutieren muss"
    So habe das Projekt des Binnenmarktes auch viele Probleme hervorgerufen, sagt Emmanuel Richter. Es habe die Bürgerinnen und Bürger von ihrer Union entfremdet, in dem es sehr einseitig auf eine Freizügigkeit von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personenaustausch hingearbeitet, dabei viele Probleme in Kauf genommen und damit die Solidarität unter den Europäern nicht gestärkt, sondern geschwächt habe.
    Der Historiker David Engels von der Freien Universität macht eine zunehmend verhärtete politische Situation in Europa aus. Er sieht nicht den europäischen Gedanken angegriffen, sondern das globalisierte Verständnis von Politik.
    Dies zeige sich besonders in der Diskussion um das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA, sagt Pascal Arimont. Der Umgang mit den Kritikern des Abkommens zeige, was in der europäischen Politik nicht funktioniert.
    Es diskutieren:
    • Pascal Arimont, MdEP, Fraktion der Europäischen Volkspartei EVP
    • David Engels, Althistoriker, Freie Universität Brüssel
    • Emanuel Richter, Politikwissenschaftler, RWTH Aachen
    • Sir Graham Watson, langjähriger Europaabgeordneter
    Diskussionsleitung:
    • Olivier Krickel, Belgischer Rundfunk
    • Ursula Welter, Deutschlandfunk
    Aufzeichnung einer Podiumsdiskussion von Deutschlandfunk und Belgischem Rundfunk in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen in Brüssel