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Brexit Reaktionen
Viele offene Fragen für den britischen Alltag

Während Brexit-Befürworter noch triumphieren, ist das Pfund an den Finanzmärkten abgestürzt. Die Kraftstoffpreise sind angestiegen, weil Öl in Dollar gehandelt wird. Und das von der schottischen Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon angekündigte, zweite Referendums zur Unabhängigkeit Schottlands wirft politische Fragen zur Zukunft Großbritanniens auf.

Von Gerwald Herter | 25.06.2016
    Passanten auf der Oxford Street in London im August 2013
    Welche Auswirkungen wird der Brexit für den Alltag der Briten haben? Das scheinen momentan auch die Pro-Brexiteers nicht absehen zu können. (picture alliance / dpa / Facundo Arrizabalaga)
    "I think it’s worth, the risks for the future, it the time for Britain to be Britain again"
    Dieser ältere Herr aus Mittelengland meint, er habe geahnt, dass doch eine Mehrheit für den Brexit stimmen würde. Und jetzt ist er froh: Großbritannien müsse wieder Großbritannien sein. Das Risiko sei es wert. Und auch diese Frau ist erst mal glücklich.
    "I’m really happy because we are out. It’s good for the English. We wanna have control of our country back"
    Das sei doch gut für die Engländer sagt sie, "wir wollen die Kontrolle über unser Land zurückhaben". Abgesehen von London und einigen Regionen waren die Befürworter des Brexit in England fast überall in der Mehrheit.
    Mit dem Verlassen der EU sind Risiken verbunden
    Dass tatsächlich Risiken bestehen, die mit dem Verlassen der EU verbunden sind, zeigte sich sofort an den Finanzmärkten. Der niedrige Kurs des Pfund dürfte Urlaubsreisen teurer machen. Auch die Kraftstoffpreise könnten anziehen, weil Öl in Dollar gehandelt wird. Es sind aber auch kompliziertere und sehr politische Fragen, die sich nun stellen und auch dabei geht es um Risiken, die sich von London aus womöglich nicht kontrollieren lassen.
    Die schottische Ministerpräsident Nicolas Sturgeon lässt keinen Zweifel daran, dass sie nun an ein zweites Referendum über die schottische Unabhängigkeit denkt.
    "That is a statement of the obvious that the option of a second referendum must be on the table and it is on the table".
    Das müsse auf den Tisch und liege auf dem Tisch, sagte sie, wenige Stunden nachdem das Ergebnis des Brexit-Referendums feststand. 2014 hatten die Schotten in einem ersten Referendum gegen die Unabhängigkeit gestimmt. Im Gegensatz zu den Engländern will die Mehrheit der schottischen Wählerinnen und Wähler aber in der EU bleiben. Nur 38 Prozent stimmten in Schottland für den Brexit. Das ist für die Chefin der Scottish National Party Grund genug, laut über ein zweites Unabhängigkeitsreferendum nachzudenken. Allerdings wird sie wohl abwarten, bis eine Mehrheit sicher scheint. Die Unabhängigkeit Schottlands würde viele weitere Fragen aufwerfen.
    Die Nordiren haben ebenfalls gegen den Brexit gestimmt. Sinn Fein hat auch für Nordirland ein Referendum vorgeschlagen – über eine Vereinigung mit Irland. Der irische Premierminister Enda Kenny sagte jedoch, es gebe derzeit wesentlich wichtigere Fragen.
    "Die Regierung wird in den kommenden Verhandlungen ihr Äußerstes tun, damit es bei der Reisefreiheit bleibt. Wir wollen mögliche Hindernisse für den freien Personen-, Waren- und Dienstleitungsverkehr zwischen den Inseln so gering wie möglich halten".
    Schottlands Unabhängigkeit wäre schwierig für Labour
    Kenny will auch auf die Interessen der vielen Iren achten, die in Großbritannien leben.
    Wales hat hingegen für den Brexit gestimmt, obwohl es in der Vergangenheit von EU-Subventionen finanziell stark profitierte. In Wales fällt noch etwas anderes auf: Auch wo die Labour-Party stark ist, haben sich die Brexit-Befürworter meist durchsetzen können. Einige britische Labour-Abgeordnete haben ihren Parteichef Jeremy Corbyn offen kritisiert und wollen ihn absetzen. Sie werfen ihm vor, dass er sich nicht entschlossen genug gegen den Brexit gestemmt hat. Doch Corbyn ist sich keiner Schuld bewusst:
    "Auf Basis unserer Parteibeschlüsse – in Europa bleiben, aber auch Defizite anerkennen, um die EU zu reformieren - habe ich dargestellt, dass es uns um bessere Arbeitsbedingungen geht, um Arbeitsplätze, um Umweltschutz".
    Würde Schottland tatsächlich unabhängig, wäre das für die britische Labour-Party eine sehr schlechte Nachricht, weil viele ihrer Anhänger aus Schottland kommen. Ob Labour jemals wieder eine Chance hätte, in Rest-Britannien eine Regierung zu stellen, auch das gehört zu den noch offenen Fragen.
    Die meisten Briten, die gegen den Brexit gestimmt haben, lassen sich aber nicht entmutigen. Darunter sind viele Jüngere:
    "We're a bit disappointed, hopefully it wont turnout too bad."