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Brexit-Team
Zwei Belgier und ein Franzose verhandeln für Europa

Drei Männer sollen für die EU in dem bevorstehenden Austrittsprozess mit den Briten verhandeln: Der Franzose Michel Barnier sowie die beiden Belgier Didier Seeuws und Guy Verhofstadt. Alle drei sind erfahrene EU-Politiker. Ihnen wird es nicht nur darum gehen, einen günstigen Deal für Europa herauszuschlagen.

Von Kai Küstner | 27.03.2017
    Zwei Mitarbeiter mit mobilen Geräten zur bargeldlosen Bezahlung und Euro-Symbolen auf ihrem Kopf gehen am 03.03.2017 in Hamburg durch die Hallen der Marketing-Fachmesse "Online Marketing Rockstars" (OMR) in den Messehallen in Richtung Ausgang ( Exit).
    Mit den bevorstehenden Brexit-Verhandlungen begeben sich sowohl die Briten als auch die EU auf unerforschtes Terrain. (dpa / picture-aliance / Christian Charisius)
    Genau wie die britische begibt sich auch die EU-Seite bei den anstehenden Brexit-Verhandlungen in bislang unerforschtes Gelände – wie in Brüssel immer wieder betont wird. Sozusagen als Pfadfinder in diesem schwierigen Geläuf sollen auf kontinental-europäischer Seite drei Männer dienen: Als unbestrittener "Mr. Brexit" – oder vielmehr "Monsieur Brexit" - gilt dabei der Franzose Michel Barnier. Gerade zu Beginn wird die EU-Kommission die entscheidende Rolle bei den Verhandlungen spielen. Und das Kommissions-Team leitet Barnier:
    "Die Zeit ist knapp. Es ist klar, dass der Zeitraum für die eigentlichen Verhandlungen kürzer ist als zwei Jahre."
    Mit diesen Worten machte Barnier den Briten gleich bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als Chef der Brüsseler Brexit-Taskforce Druck. Dass die EU ausgerechnet einen Franzosen die Scheidungsgespräche führen lassen würde, verstand man auf britischer Seite durchaus als klare Botschaft.
    Michel Barnier zuvor EU-Kommissar für Binnenmarkt
    Zudem ist Barnier einer, den vor allem die Londoner Banken noch lebhaft in Erinnerung haben dürften: War er als EU-Kommissar doch lange für den Binnenmarkt und Finanzdienstleistungen zuständig und hatte so maßgeblich versucht, den Kredithäusern, auch den britischen, härtere Auflagen zu verpassen.
    "Präsident Juncker und ich sind entschlossen, die Einheit der 27 verbleibenden EU-Staaten zu erhalten."
    Dies erklärte Barnier zu seiner obersten Richtschnur bei den anstehenden Verhandlungen. Und ergänzte: "Rosinenpicken" von Seiten der Briten werde es mit ihm nicht geben. Ein Nicht-Mitglied der EU könne nie dieselben Vorteile erlangen wie ein Mitglied, so der französische Konservative. Der eigentlich viel lieber seine Landessprache spricht als Englisch. Doch nach anfänglich anders lautenden Gerüchten, hat er sich doch bereit erklärt, die Brexit-Verhandlungen auf Englisch zu führen.
    Didier Seeuws hat einen Ruf als zäher Verhandler
    Eine nicht weniger harte Nuss dürften die Briten mit Didier Seeuws zu knacken haben. Er hat sich als belgischer Diplomat den Ruf eines äußerst akribischen und zähen Verhandlers erworben und war die erste Wahl von EU-Ratspräsident Tusk für dessen Brexit-Team. Seeuws ist damit sozusagen im Auftrag der Einzelstaaten unterwegs. Da sich der Belgier zu seiner neuen Tätigkeit und zum Brexit öffentlich nicht äußern darf, tut das stellvertretend und gerne, wenn auch stets wenig zuversichtlich, Ratspräsident Tusk:
    "Die brutale Wahrheit ist: Der Brexit wird einen Verlust für uns alle bedeuten."
    Gewinner werde es mit der Scheidung nicht geben – und zwar auf keiner Seite des Ärmelkanals, betont Tusk immer wieder. Was seine Mannschaft betrifft, so verspricht die, mit der Kommission ganz eng bei den Verhandlungen zusammen zu arbeiten.
    Guy Verhofstadt bekannt für fulminante Reden
    Eine Sonderrolle nimmt somit der Dritte im Bunde ein – der Brexit-Beauftragte des EU-Parlaments, Guy Verhofstadt. Noch ein Belgier also. So richtig wichtig wird das Parlament erst ganz am Ende, wenn es dem ausgehandelten Brexit-Vertrag zustimmen muss. Daher wird der ehemalige belgische Premier auch Mühe haben, sich gegen die Kommission und Einzelstaaten zur Wehr zu setzen, die ihn bei den Verhandlungen eher auf der Zuschauertribüne sehen. Sorgen macht sich der für fulminante Reden bekannte Verhofstadt aber derzeit weniger um die Brexit-Verhandlungen als um die EU selbst:
    "Blicken wir der Realität ins Auge: Unsere Union befindet sich in der Krise."
    Trump, Putin, Brexit – für Verhofstadt stellen sie alle die EU vor große Herausforderungen. Klar ist: Allen Verhandlern wird es bei den Gesprächen mit den Briten darum gehen, einen möglichst günstigen Deal für Europa herauszuschlagen. Vielleicht aber noch mehr darum, die verbleibenden 27 EU-Staaten überhaupt zusammen zu halten.
    Denn noch nie zuvor schien die Gefahr so groß, dass sich die Europäische Union in ihre Einzelteile zerlegen oder langsam implodieren könnte. Was nicht nur am Brexit liegt.