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Brexit-Verhandlungen
Brüssel befeuert den britischen Patriotismus

Zwischen der EU und Großbritannien entwickelt sich die erste handfeste Krise, bevor die Brexit-Verhandlungen überhaupt angefangen haben. Die britische Premierministerin Theresa May warf EU-Vertretern vor, die Parlamentswahlen am 8. Juni beeinflussen zu wollen. Der EU-Unterhändler Michel Barnier hatte gestern die Leitlinien der EU vorgestellt.

Von Friedbert Meurer | 04.05.2017
    Grißbritanniens Premierministerin May begrüßt EU-Kommissionspräsident Juncker am 26. April in London
    Der nächste, der herausfinden werde, dass sie eine "verdammt schwierige Frau" sei, werde EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sein, hatte die englische Premierministerin Theresa May gesagt. (AFP / Justin Tallis)
    Premierministerin Theresa May war gerade vom Buckingham Palast zurückgekehrt. Dort hatte sie am Nachmittag die Queen gebeten, einer vorzeitigen Auflösung des britischen Parlaments zuzustimmen. Zurück an ihrem Amtssitz in der Downing Street ging Theresa May dann voll in die Offensive. Vertreter der EU versuchten, die britischen Neuwahlen zu beeinflussen und Großbritannien unter Druck zu setzen.
    "Unsere Verhandlungsposition ist in der europäischen Presse verdreht dargestellt worden. Die Haltung der Europäischen Kommission hat sich verhärtet. Gegen Großbritannien wurden Drohungen ausgesprochen von Politikern und Vertretern der EU. All das dient dazu, unsere Wahlen am 8. Juni vorsätzlich zu beeinflussen."
    EU: May gibt sich Illusionen hin
    Am Sonntag hatte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ausführlich dargestellt, wie das Treffen zwischen May sowie Jean-Claude Juncker und Michel Barnier von der EU-Kommission in London zuvor verlaufen sein soll. May sei uneinsichtig gewesen und lebe in einer anderen Galaxie, sie gebe sich Illusionen hin. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe daraufhin ihre Rede im Bundestag verschärft und den Vorwurf der "Illusionen" aufgegriffen. Als Quelle macht man in London Jean-Claude Juncker oder seine Umgebung aus.
    Mit etwas Verzögerung erkannte Theresa May die Chance, die sich jetzt für ihren Wahlkampf bietet. Sie schlägt patriotische Töne an – gegen die "Bürokraten in Brüssel".
    "Ich glaube, unsere besten Tage liegen vor uns. Mit Hingabe und harter Arbeit können wir den Brexit zum Erfolg machen. Wir können unserem Land Vertrauen schenken und in der Welt wieder erhobenen Hauptes dastehen."
    Das Gesprächsklima mit der EU nicht vergiften
    Labour-Chef Jeremy Corbyn, Herausforderer Mays bei den Unterhauswahlen, beschuldigte Theresa May am Abend, sie betreibe parteitaktische Spielchen. Sie steigere den Konflikt mit der EU, um ihre Partei in den Union Jack einzuwickeln, die britische Fahne. Sie wolle nur von wirtschaftlichen und sozialen Problemen ablenken.
    Schottlands Erste Ministerin Nicola Sturgeon warf Theresa May eine unverantwortliche und unnötige Attacke gegen die europäischen Nachbarn vor. Wenn man aber die Nachbarn beleidige, werde es nur noch schwerer, den Brexit-Berg zu erklimmen. Die britische Premierministerin habe das Gesprächsklima mit der EU nur vergiftet.
    Beobachter hoffen, dass Theresa May sich nach einem Wahlsieg am 8. Juni wieder moderater äußern wird. May selbst griff aber schon gestern einen Ausdruck auf, den ihr Parteifreund und EU-Befürworter Kenneth Clarke letztes Jahr auf sie gemünzt hatte. "Ich wurde von ihm als eine verdammt schwierige Frau beschrieben. Ich habe damals schon gesagt: Der nächste, der das herausfinden wird, wird Jean-Claude Juncker sein."