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Broadway in Dresden

Vor den Nazis in die USA geflohen, wollte Kurt Weill einst eine amerikanische Oper nach dem Vorbild von George Gershwins "Porgy and Bess" komponieren. Das Stück "Street Scene" von Elmer Rice diente ihm dazu als Vorlage. Die 1947 uraufgeführte Oper ist nicht oft auf deutschen Bühnen zu hören, jetzt hat man sich an der Dresdner Semperoper daran versucht.

Von Georg-Friedrich Kühn | 20.06.2011
    Eine moderne Wohnblock-Fassade. Viele kleine Balkon-Waben mit Jalousien. Vor der Eingangs-Glastür die paar Stufen einer breiten Treppe. Die wird der bevorzugte Aufenthaltsort der Hausbewohner, und die schmale Spielfläche davor mit der Rampe. Dorthin treten sie meist, wenn sie singen.

    Eine amerikanische Oper wollte der 1933 aus Deutschland emigrierte Kurt Weill schreiben. Und mit der 1947 am New Yorker Adelphi Theatre uraufgeführten Oper "Street Scene" hat er sich diesen Traum erfüllt. Die "Straßen-Szene", nach dem Schauspiel von Elmer Rice, ist ein Stück über Alltagsprobleme kleiner Leute im sommer-heißen Weltstadt-Dschungel New York mit kleinlichem Getuschel, Liebesdramen, Wohnungsräumung, Mord aus Eifersucht.

    Die Vorlage hat Weill verdichtet, sie nach Art einer Nummernoper mit Arien, Duetten, Ensembles, Songs und rockiger Tanzmusik ausgestattet. Aber heimisch in Europa wurde das Werk nie. Die Rechte verwaltende Weill-Stiftung pochte nach dem amerikanischen Musical-Prinzip eng auf Einhaltung einer vorgegebenen Modell-Inszenierung mit traditioneller New Yorker Häuserfassade als Spielort.

    In Dresden ist das jetzt anders. Ein junges Team mit der Regisseurin Bettina Bruinier, mit Volker Thiele (Bühne) und Mareile Krettek (Kostüme), sollte Kurt Weill, der 1926 mit seiner Oper "Der Protagonist" unter Fritz Busch hier einen ersten Erfolg hatte, zurück holen an die Semperoper.

    Genutzt haben die jungen Theatermacher ihre Chance, eine neue packende Modell-Inszenierung zu kreieren, nicht. Es ist Steh-, Sitz-, Rampen-, Händering-Theater ältester Schule mit ein paar Tanzeinlagen, einem aufwendigen Bühnenbild und ansonsten viel gespreizter Langeweile, zumal in der ersten Hälfte.

    Gewiss – Weills Drehtür-Dramaturgie mit ständig kurz auf- und wieder abtretendem Personal ist nicht einfach zu realisieren. Das erfordert schon einige Fantasie. Etwas spannender wird es in der zweiten Hälfte, wenn sich die Konflikte zuspitzen.

    Immerhin stimmlich ist das rollenreiche Stück in Dresden gut besetzt. Zumal die Rose Maurrant – eine junge umschwärmte Frau, die ihren eigenen Weg sucht, kurz gehalten von einem strengen Vater, und mit einer Mutter, die der häuslichen Enge entfliehen will –, immerhin diese Tochter Rose erhält von Carolina Ullrich klare Konturen.

    Simeon Esper, als ihr ernsthaftester Freund Sam Kaplan, kann sich mit einem gut gestützten Tenor profilieren. Beide zusammen bilden eine Art Anker in dem ansonsten dahin-plätschernden Arrangement.

    Jonathan Darlington und die kleine Auswahl von Musikern der Staatskapelle spielen ihren Weill recht flott und klangschön. Und so kann man mancherlei Anklänge erkennen an des Komponisten kurz vor und während der Emigration geschriebene, "noch-europäische" Werke wie "Silbersee", "Die sieben Todsünden", "Kuhhandel".

    "Street Scene" zum Abschluss der ersten von der neuen Intendantin Ulrike Hessler verantworteten Spielzeit an der Semperoper: Wirkliche Höhepunkte brachte sie nicht, und es sieht in der nächsten Saison den Ankündigungen nach nicht besser aus.

    Anzuerkennen ist zwar das Bemühen der Intendantin, möglichen jungen Talenten eine Chance zu geben. Sehr professionell oder gar musikalisch scheinen die Maßstäbe bei der Auswahl nicht. Und das, wo das Haus nun mit der Kooptierung als Salzburger Oster-Festspiel-Partner unter verstärkter Beobachtung steht.