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Bronzezeitliche Funde
Hallstätter Schweine und ihre Verwandten

Oberhalb des Ortes Hallstatt am Hallstätter See in Oberösterreich werden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts archäologische Ausgrabungen betrieben. Neben mehreren Gräberfeldern aus der Bronze- und Eisenzeit wurden auch auffällig viele Knochen von Schweinen freigelegt. Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien sind diesem Rätsel nachgegangen.

Von Jochen Steiner | 07.11.2016
    Blick auf Hallstatt am Hallstätter See im Salzkammergut, Oberösterreich. Die Kulturlandschaft Hallstatt-Dachstein wurde 1997 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt
    Blick auf Hallstatt am Hallstätter See im Salzkammergut. Oberhalb des Sees wurden vor etwa 7.000 Jahren in einer bronzezeitlichen Siedlung Schweine zu Speck verarbeitet. (Heine Heiner/dpa picture alliance)
    Sabine Hammer: "Hallstatt ist eine der bronzezeitlichen, beziehungsweise auch eisenzeitlichen großen Salzlagerstätten. Salz wird dort nach wie vor abgebaut. Aber auch damals schon, vor circa 7.000 Jahren hat das begonnen, dass in Hallstatt Salz abgebaut wurde und es eine sehr fortschrittliche Ansiedlung von Menschen gab, die aus dem Völkerstamm der Kelten gestammt haben. Und die waren auch schon sehr innovativ, haben sehr viel Dinge entwickelt und konnten dort auch für mehrere Jahrhunderte bis sogar zwei, drei Jahrtausende sehr gut leben."
    Bei Ausgrabungen legten Archäologen zahlreiche Gräber frei, sie gruben außerdem Gefäße, Werkzeuge, Textilien und viele Tierknochen aus. Mit letztgenannten beschäftigt sich die Biologin Sabine Hammer von der Veterinärmedizinischen Universität Wien:
    "Interessanterweise hat man dann bei einer Ausgrabung Ende der 40er-Jahre interessante Bauwerke gefunden. Das waren im Grunde so Holzkonstruktionen, wo man zuerst gedacht hat, das hätten vielleicht auch Wohnhäuser der damaligen Menschen sein können. Nichtsdestotrotz hat man am Boden dieser Holzkonstruktionen sehr, sehr viele Tierknochen gefunden: Rinderknochen, Ziegenknochen, Schafe, aber auch einen sehr, sehr hohen Anteil an Schweineknochen."
    "Die Schweine wurden auf dem Berg mit Salz konserviert"
    Rund 60 Prozent aller Tierknochen stammen von Schweinen. Die Archäologen fanden vor allem Beinknochen, Kiefer und Eckzähne. Komplette Skelette der Tiere konnten sie nicht freilegen.
    "Daraus hat man geschlossen, dass mit den Tieren irgendetwas passiert sein muss. Man hat dann den Holzkonstruktionen die Funktion eines Surbeckens zugeordnet. Man geht davon aus, dass die Tiere auf den Berg gebracht worden sind, oder ein Teil des Tieres auf den Berg gebracht worden ist, und dort dann in den Surbecken mit Salz konserviert wurden."
    Diese Surbecken waren große Erdgruben, die mit Holzstämmen ausgekleidet und am Boden mit Lehm abgedichtet wurden. An den Ecken befanden sich Stämme als Träger für ein Holzdach, das das Becken überspannte.
    In die Surbecken füllten die Menschen damals große Mengen Salz, um das Schweinefleisch darin zu pökeln. Anschließend räucherten sie das gesalzene Schweinefleisch und hängten es zur Lagerung in das Salzbergwerk.
    Groß angelegte Studie mit mehreren hundert Schweinen geplant
    Sabine Hammer und ihr Team wollten mehr über die Schweine in Hallstatt herausfinden, vor allem deren Verwandtschaftsverhältnisse klären. In einer Pilotstudie untersuchten die Genetikerin und ihre Kollegen das Erbgut von zunächst zehn Schweinen, die vor etwa 7.000 Jahren gelebt hatten:
    "Die Zähne, in dem Fall sind es eben die Hauer, werden zerkleinert, dann vermahlen, und aus diesem Zahnpulver wird dann versucht, DNA zu extrahieren. Und in weiterer Folge gibt es dann die Möglichkeit, mit bestimmten genetischen Markern, wenn man die untersucht und wenn man deren Sequenz ermittelt, dass man dann eben Verwandtschaftsverhältnisse von den Schweinen nachkonstruieren und nachstellen kann."
    Aus dem Mark eines Schweinezahns kann man prähistorische DNA gewinnen
    Aus dem Mark eines Schweinezahns kann man prähistorische DNA gewinnen (Sabine Hammer/Vetmeduni Vienna)
    Gewissheit würde zwar erst eine groß angelegte Studie mit mehreren hundert Schweinen bringen, die die Forscher bereits planen. Aber erste Zwischenergebnisse können sie trotzdem schon vermelden:
    "Sie haben durchaus etwas mit ihren asiatischen Verwandten zu tun. Also man sieht hier sehr wohl, dass Tiere aus Asien über verschiedene Zwischenstopps sozusagen auch nach Mitteleuropa gekommen sind. Zum anderen sehen wir auch ein sehr gutes Naheverhältnis zu unseren mitteleuropäischen Wildschweinen, also zu modernen Wildschweinen. Und wir konnten eigentlich auch bestätigen, dass sie durchaus auch etwas mit unseren modernen Mastschweinen in Österreich zu tun haben."
    Die Schweine, die in der bronzezeitlichen Siedlung oberhalb des Hallstätter Sees zu Speck verarbeitet wurden, könnten demnach die Vorfahren unserer heutigen Hausschweine sein.