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Brüderle fordert mehr Transparenz von Zypern

Wenn der Verdacht entstehe, dass deutsche Steuerzahler für russisches Schwarzgeld in Zypern haften, seien Hilfen nicht vertretbar, sagt FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Zypern müsse sich daher der Analyse der Troika unterwerfen und sich verpflichten, den Haushalt zu konsolidieren.

Rainer Brüderle im Gespräch mit Silvia Engels | 11.01.2013
    Silvia Engels: Bundeskanzlerin Angela Merkel reist heute nach Zypern zu einem Treffen konservativer europäischer Regierungschefs. Der Besuch hat Brisanz, denn Zypern hat ja nun beantragt, gut 17 Milliarden Hilfskredite von der EU bekommen zu wollen. Doch durch den Antrag Zyperns, möglichst rasch diese Hilfen zu bekommen, ist das Problem auf der Agenda, denn bei SPD und Grünen, aber auch in den Reihen von FDP und CDU macht sich Unwille breit, den Zyprern zu helfen. Und dazu kommt die US-Ratingagentur Moody’s. Sie hat nun die Kreditwürdigkeit des hoch verschuldeten Landes um gleich drei Noten herabgestuft.
    Am Telefon ist FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. Guten Morgen, Herr Brüderle!

    Rainer Brüderle: Guten Morgen, Frau Engels!

    Engels: Sie haben gesagt, in der FDP-Fraktion gebe es zurzeit keine Mehrheit für ein Hilfsprogramm für Zypern. Sind die Liberalen nicht mehr solidarisch?

    Brüderle: Das hat mit Solidarität so nichts zu tun. Es müssen ja auch Fakten auf den Tisch gelegt werden, da ist ja vieles mit Fragezeichen, vieles unklar. Und sie haben ja eine Hilfe nach dem ESM ins Auge gefasst. Exakte Zahlen und Bedarfsanalysen kenne ich nicht, ich kenne nur die Spekulationen aus den Medien von 17 Milliarden, von 12 Milliarden für die Banken. Das muss in einem geordneten Verfahren auf den Tisch gelegt werden. Der ESM sieht ja vor, dass es nur Hilfe gibt, wenn 80 Prozent der Stimmen das unterstreichen. Deutschland hat dort eine Sperrminorität, weil wir mehr als 20 Prozent der Stimmen haben. Und der Verdacht, der besteht, dass in Zypern Geldwäsche stattfindet, und wenn der Eindruck entsteht, dass die deutschen Steuerzahler für russisches Schwarzgeld in Zypern haften sollen, dann sind Hilfen nicht vermittelbar und auch nicht vertretbar.

    Engels: Was muss Zypern tun, damit Sie zahlen?

    Brüderle: Sie müssen die Fakten auf den Tisch legen, sie müssen sich der Analyse der Troika unterwerfen, selbst für Klarheit sorgen, sie müssen sich, wie aus den Entwürfen eines sogenannten Memorandum of Understanding, also einer Verpflichtungserklärung hervorgeht, zur Haushaltskonsolidierung verpflichten. Ich will das mal ganz konkret sagen: Ein Land, das Ostergeld für Rentner ausbezahlt, Sonderbeihilfen für den Erwerb einer ersten Wohnung oder seine Beamten first class über den Atlantik fliegen lässt, hat noch viel Arbeit zu bewerkstelligen, um seinen Haushalt und sein Finanzgebaren seriös und solide auf den Weg zu bringen. Und das ist ja eben in Ihrem Beitrag auch angesprochen worden: Da ist ja der letzte kommunistische Staatspräsident Europas tätig, der auch schon öffentlich ausgeschlossen hat, dass Auflagen zur Privatisierung von staatseigenen Betrieben zugestimmt wird. Ich habe da immer den Eindruck, dass die Sozialisten weltweit glauben, der Staat soll alles richten und wenn es der eigene Staat nicht kann, sollen andere Staaten alles richten. Das kann so die Lösung nicht sein, da ist also sehr vieles sehr offen.

    Engels: Das heißt, wenn die Sozialisten auf Zypern die Wahl gewinnen, dann lassen Sie Zypern hängen?

    Brüderle: Es geht nicht um die Sozialisten oder Nichtsozialisten, sondern es geht um die Politik. Wenn der Staatspräsident erklärt, dass er Auflagen, wie man sie notwendigerweise selbst in Griechenland und anderswo überall mit hineinnehmen musste, und nicht wirtschaftliche Staatsbetriebe zu privatisieren, zu verändern von vornherein ablehnt, bevor überhaupt eine Analyse, bevor überhaupt Gespräche stattgefunden haben, dann ist das einfach nicht kontrahierungsfähig.

    Engels: Nehmen wir an, dass die Bedingungen, die Sie jetzt rund um die Bankenlandschaft, auch um das Steuersystem einfordern, von Zypern versprochen werden, kriegen die Zyprer dann das, was die Griechen auch an Hilfe europaweit bekommen haben?

    Brüderle: Es gibt ein klares Verfahren. Erst mal müssen sie selbst Klarheit schaffen. Dann muss die Troika – das ist der Internationale Währungsfonds, die EZB, die Europäische Kommission – einen fundierten Bericht vorlegen. Dann muss die Eurogruppe darüber beraten. Wir haben ja noch die Besonderheit in Zypern, dass am 17. und 24. Februar Präsidentschaftswahlen in Zypern stattfinden, und ich glaube nicht, dass man vor Präsidentschaftswahlen in Zypern ernsthaft Lösungen umsetzen kann. Also vor März rechne ich überhaupt nicht mit einer Befassung etwa in parlamentarischen Gremien.

    Engels: Wir haben ja ähnliche Zustände in Griechenland gesehen. Da gab es auch viel Kapitalflucht, ein marodes Steuersystem, keine vernünftige Verwaltung und viel Korruption. Dennoch bekommt Griechenland bis heute Unterstützung. Messen Sie hier, wenn Sie Zypern so hart angehen, mit zweierlei Maß?

    Brüderle: Nein! Bei Griechenland ist ja ein langer Prozess des Abklärens vorausgegangen, das fehlt ja hier alles noch. Und die Besonderheit, dass in großem Umfang russische Gelder in Zypern angelegt waren, ist ja so in Griechenland überhaupt nicht gegeben. Hier hat übrigens auch der russische Staat meines Erachtens und die russischen Gläubiger auch eine Verantwortung, sich hier mit einzubringen für vernünftige Regelungen. Das ist ein ganz anderes Stadium und hier ist Zypern noch weit entfernt von Klarheiten, die man geschaffen hat, und es muss eine seriöse Basis sein. Wenn jemand Haftungshilfen oder Finanzhilfen von anderen will, dann muss er eben auch alles erkennbar, durchschaubar und nachvollziehbar machen.

    Engels: Aber einen Unterschied gibt es mittlerweile im Vergleich zum ersten Hilfspaket für Griechenland, denn im Bundestag ist die Stimmung nicht mehr so, dass man bereit ist, Milliardenhilfen so einfach zu geben. Aus der Union wird Widerstand gemeldet, bei der FDP haben Sie das auch notiert und ebenso bei SPD und Grünen. Wird ein Hilfspaket für die zyprischen Banken im Bundestag scheitern?

    Brüderle: Das kann man heute nicht sagen, weil man nicht weiß, was die Fakten sind, weil die Analyse des Bankensystems extern noch gar nicht durchgeführt ist. Der Verdacht ist nur sehr hoch, dass hier jenseits der Erklärungen von diesem oder jenem Regierungsmitglied in Zypern manches nicht in Ordnung ist, und das muss erst vorab geklärt werden. Außerdem hatten wir damals bei Griechenland, als es anfing, ja noch gar kein Instrumentarium, da gab es noch keinen ESM, das ist ja alles erst geschaffen worden. Und die Regeln des ESM, die klaren Stufen, Troika, Euro-Gruppe und Einbeziehen des Währungsfonds, müssen strikt eingehalten werden, und der ESM hat den großen Vorteil, dass er – ich sage es noch mal – ein Reglement hat, das ohne Zustimmung Deutschlands dort nichts beschlossen werden kann.

    Engels: Besteht denn bei Zypern auch die Angst vor Dominoeffekten in der EU, also der Sorge, dass europäische Banken in Schieflage geraten könnten, oder möglicherweise auch das griechische Hilfspaket wieder aufgestockt werden muss, weil ja Griechenland so eng wirtschaftlich mit Zypern verbunden ist?

    Brüderle: Sorgen muss man immer mit einbeziehen. Ich sehe das in der Größenordnung oder vergleichbar nicht wie Griechenland, weil es eine ganz andere Struktur ist, aber das kann man seriös erst beantworten, wenn die angesprochenen Analysen durchgeführt sind. Das kann man schlecht von der Hüfte aus sagen. Aber sicherlich ist Zypern eine andere Struktur, eine andere Art von Verflechtung als in Griechenland, und es hat eben wie gesagt die Besonderheiten, Verflechtungen mit russischen Gläubigern und russischem Geld.

    Engels: FDP-Chef und Wirtschaftsminister Rösler hat ja im letzten Sommer verkündet, ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone habe seinen Schrecken verloren. Im Endeffekt hat dann die Bundesregierung doch im letzten Herbst auch aus Angst vor Dominoeffekten Athen erneut geholfen. Unterschätzt die FDP nun die Zypern-Krise?

    Brüderle: Nein. Wir haben dort eine Reihe von Zusammenhängen gehabt. Dominoeffekte war ein Aspekt. Es war aber auch ein striktes Programm der Umsetzung, das sehen wir ja auch in Griechenland, die Auseinandersetzungen auf der Straße, die Streiks, die stattfinden, und es muss noch weiter flankiert überwacht werden, dass Griechenland auch diese Zusagen einhält. Diese Analyse, dieses Strukturprogramm, diese makroökonomischen Anpassungsprozesse sind ja in Zypern überhaupt noch nicht definiert, noch gar nicht klar. Es sind Spekulationen in der Presse. Ich kenne keine Analyse, die Arbeit ist ja von der Troika noch gar nicht aufgenommen, also wir sind dort in einem völlig anderen Stadium, anderen Dimensionen, anderer Struktur.

    Engels: Soviel zu Zypern. – Schauen wir noch kurz auf das Thema, dem Sie derzeit nicht entkommen, nämlich dem Zustand der FDP. Jüngste Umfragen in Niedersachsen sehen die Liberalen wieder bei fünf Prozent. Dagegen steht aber die jüngste Umfrage des Wahlforschungsinstituts Forsa, die für den Bund die FDP bei zwei Prozent sieht. Sie könnten jetzt die Seriosität des Instituts oder die Zahl in Zweifel ziehen, aber wie reagieren Sie politisch?

    Brüderle: Natürlich sind solche Umfragen nicht schön. Gestern im ARD-Trend waren es vier, auch das ist nicht schön. Man nimmt das mit zur Kenntnis. Entscheidend ist eine Wahlumfrage, nämlich die am Wahltag, 18 Uhr am 20. Januar, und ich bin gerade heute Nacht sehr spät nach zahlreichen Terminen in Niedersachsen wieder nach Berlin zurückgekommen. Dort ist eine sehr gute Stimmung. Gestern Abend hatten wir in Osnabrück, Philipp Rösler und ich, eine gemeinsame große Veranstaltung. Ich bin der festen Überzeugung, dass die FDP mit einem anständigen Ergebnis in Niedersachsen wieder einzieht und dass wir natürlich auch in der Bundestagswahl wieder gut abschneiden. Aber wir müssen halt die drei Punkte, die entscheidend sind, immer beachten, nämlich Personen, Inhalt und Stil sind entscheidend für ein gutes Wahlergebnis, und ich glaube, jeder bei uns weiß, was der Ernst der Stunde ist, und wir werden es gemeinsam schaffen.

    Engels: Was passiert mit dem FDP-Bundesvorsitzenden, wenn die Liberalen in Niedersachsen doch nicht ins Parlament kommen?

    Brüderle: Wir führen gerade eine Personaldiskussion, keine Personalspekulation, ich schon gar nicht, sondern wir stehen jetzt alle zusammen. Ich unterstütze Rösler voll und ganz, damit wir ein gutes Wahlergebnis erreichen. Und diese Selbstreflektion und Eigenbeschäftigung, wenn überhaupt, kann nur in den Kerngremien stattfinden.

    Engels: Rainer Brüderle, der FDP-Fraktionschef im Bundestag. Vielen Dank für das Interview heute Morgen.

    Brüderle: Danke Ihnen, Frau Engels.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.