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Brunnengift in Bangladesch

Umwelt.- Die Unicef wollte nur helfen, als sie 1971 in Bangladesch zehn Millionen Brunnen installieren ließ. Der Zugang zu sauberem Trinkwasser sollte sichergestellt werden. Allerdings hatte das Projekt eine Schattenseite: In vielen Brunnen erwies sich das Wasser als arsenverseucht.

Von Dagmar Röhrlich | 16.11.2009
    Jahr für Jahr in Bangladesch: Der Monsun kommt und mit ihm Überschwemmungen. Dann sind Flüsse und Seen voll mit Fäkalien. Tödliche Cholera-Epidemien und andere Durchfallerkrankungen waren bis in die 70er-Jahre die Folge. Mit dem Brunnenbau war damit Schluss. Aber ein anderes Problem tat sich auf:

    "Wir haben in den vergangenen 20 Jahren feststellen müssen, dass in vielen Gebieten das Grundwasser sehr stark mit Arsen belastet ist, so stark, dass die Menschen sich vergiften und sich Tumoren der Haut, der Blase, der Nieren und der Lunge bilden. Seltsamerweise ist nur das Wasser belastet, weder der Boden noch der Grundwasserleiter, aus dem das Wasser ja gepumpt wird. Wir standen also vor einem Rätsel",

    erklärt Charles Harvey vom Massachusetts Institute of Technology. Die Forschergruppe suchte in einem typischen Dorf nach der Ursache:

    "Wo immer es ein Dorf gibt, gibt es einen künstlichen Teich, in dem sich das Überschwemmungswasser des Monsuns sammelt. Diese Teiche werden niemals leer, obwohl der Wasserspiegel im Lauf der Trockenzeit fällt. Der nächste Monsun füllt sie immer wieder auf."

    In einem Dorf in Bangladesh liegt alles nahe beieinander. Deshalb sind die starken Pumpen für die Bewässerung der Felder ebenso in der Nähe der Teiche wie die viel kleineren Handpumpen für die Trinkwassergewinnung:

    "Um herauszufinden, wie die hohen Arsengehalte entstehen, haben wir uns die unterirdische Situation genau angeschaut. Wir analysierten den Untergrund und die Chemie des Grundwassers, des Wassers auf den Reisfeldern und in den Teichen. Auch das Wasser des Ganges. Wir untersuchten, wie viel Wasser für die künstliche Bewässerung entnommen wird und auch, wie schnell sich das Grundwasserreservoir wieder füllt. Aus den Informationen konstruierten wir ein hydrologisches Modell."

    Das meiste Arsen entdeckten die US-Geologen in Eisenüberzügen, die sich im Grundwasserleiter um die Sandkörnchen herum bilden. Genau dieses Arsen werde mobilisiert - und zwar durch das Wasser, das aus den künstlichen Teichen in den Untergrund sickere:

    "Die Teiche liefern sehr sauerstoffarmes Wasser, das gleichzeitig hohe Gehalte an organischem Kohlenstoff aufweist. Das treibt im Untergrund Lebensgemeinschaften von Mikrooganismen an, die das Arsen aus dem Sediment mobilisieren."

    Und die Bewässerungspumpen sorgen dafür, dass diese Lebensgemeinschaften wachsen und gedeihen:

    "Als wir den Grundwasserleiter durchbohrten, stellten wir fest, dass die Arsengehalte an der Oberfläche recht niedrig waren und in etwa 30 Metern Tiefe ihr Maximum erreichten. Das ist genau die Tiefe, aus der das Wasser für die Bewässerung geholt wird und aus der sich auch die Handpumpen für das Trinkwasser bedienen. Anscheinend sorgen die Bewässerungspumpen mit ihrem starken Sog dafür, dass sich in dieser Tiefe eine in sich geschlossene Zirkulationszelle bildet. Aus den künstlichen Teichen sickert das reichlich mit organischen Substanzen versetzte Wasser nach unten in den Grundwasserleiter, wird von dem Sog angezogen und wieder nach oben gepumpt."

    Nur dass die Mikroorganismen dieses Wasser jetzt mit Arsen angereichert haben. Und weil die Trinkwasserpumpe direkt daneben fördert, ist auch dieses Wasser belastet. Unterhalb dieser Zirkulationszelle sei der Arsengehalt im Grundwasser sehr gering, so Charles Harvey. Darin könnte für viele Orte die Lösung liegen: Sie müssten ihr Trinkwasser einfach aus tieferen Zonen fördern. Dadurch wäre es weitgehend arsenfrei. Auf die Felder gelangt das giftige Halbmetall allerdings weiterhin und so auch in die Nahrungskette der Menschen in Bangladesch.