Donnerstag, 28. März 2024

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Bubblegum-Pop
Revival des 90er-Jahre-Pops

Seit einem Jahr macht sich die "New Digital Pop Music" im Internet breit, auch "Bubblegum Pop" genannt: Bässe aus der Großraumdisco mit Eurodance-Ästhetik. Lady-Gaga oder Britney-Spears-Sound werden dabei durch den digitalen App-Wolf gedreht. Der Hype spaltet die Musikszene.

Von Ina Plodroch | 30.04.2015
    Der Plattenspieler (Turntables) einer Musikanlage, aufgenommen am 14.04.2005
    Bubblegum-Pop oder New Digital Pop Music ist für die einen die unwiderstehlichste Popmusik. Die anderen können kaum fassen, dass sich ernsthaft jemand diesen ohrenbetäubenden Bass anhört. (picture-alliance/ ZB / Andreas Lander)
    Sängerin Hannah Diamond scheint im Pop der 90er Jahre hängen geblieben zu sein: Große Kreolen in den Ohren, Zopf schräg oben am Kopf, Bauch: frei. Und dieser Sound: wie der Vengaboys-Pop der 90er. Künstlich bis zum Geht-nicht-mehr.
    Bässe aus der Großraumdisco mit etwas Eurodance-Ästhetik. Auch Danny L Harle scheint es zu lieben, den Lady-Gaga oder Britney-Spears-Sound noch weiter durch den digitalen App-Wolf zu drehen. Und das soll der neue Hype der elektronischen Musik sein? Bubblegum-Pop oder New Digital Pop Music genannt. Die Musikpresse ist uneins: Die unwiderstehlichste Popmusik in letzter Zeit meinen die einen. Die anderen können kaum fassen, dass sich ernsthaft jemand diesen ohrenbetäubenden Bass anhört. Die Songs klingen beim ersten Hinhören wirklich etwas, naja, anstrengend.
    Soundtrack der digitalen Möglichkeiten
    Doch Künstler und Produzenten wie AG Cook, Sophie oder das Label PC Musik und Activia Benz aus London feiern nicht bloß ein Revival des 90er-Jahre-Pops, sondern übertreiben die Künstlichkeit von Autotune und den ganzen Möglichkeiten von billigen Soundbearbeitungs-Apps. Deshalb klingen manche Songs wie ein Soundtrack der digitalen Möglichkeiten, die Vertonung der tausend Tabs, die im Browser gleichzeitig geöffnet sind.
    QT treibt die Warenästhetik des Pop auf die Spitze. Sie ist so etwas wie der Shootingstar der Szene.
    "Ich bin einfach nur jemand, der energetische Songs und Produkte macht."
    "Für mich sind Song und Drink ein und dasselbe. Zwei verschiedene Produkte, um eine aufstrebende Sensation zu beschreiben."
    QT soll also Popstar und Energy-Drink zugleich sein. Mit ihrem Song "Hey QT" parodiert sie den Energy-Drink-Hersteller, der seit Jahren Musikevents als Sponsor beherrscht. Und führt die Idee auf die nächste Ebene - hier bewirbt kein Künstler ein Produkt, sondern das Produkt selbst ist der Popstar.
    Ein Spiel mit der Künstlichkeit des Pop
    Mehr Werbung als Pop, mehr Kunst als Musik? Mit dieser Überinszenierung erteilt QT jeglicher Authentizität im Pop eine Absage. Selbst im Interview verharrt die Performance-Künstlerin Hayden Dunham in ihrer Rolle als Mensch-gewordener Energydrink. Ob sie der Kopf dieser "Pop-Sensation" ist, oder QT nur Körper und Stimme leiht und letztlich die Produzenten des "Bubble-Sounds" Sophie und AG Cook dahinter stecken - sie wird nicht eindeutig. Typisch für diesen Hype, der mit Identität und Mehrdeutigkeit spielt. In einer digitalen Welt, die vermeintlich auf alles eine Antwort hat: spannend.
    Obwohl diese New Digital Pop Music das System Pop reflektiert - es könnte auch einfach nur simple Ironie sein. Doch Jake vom Internet-Label Activia Benz meint:
    "Ich würde nicht sagen, dass wir etwas Ironisches machen. Es steckt nur so viel Ironie darin, wie 2015 an sich schon alles ironisch ist. Es ist einfach Zeug, das wir mögen."
    New Digital Pop Music - ein Spiel mit der Künstlichkeit des Pop. Das konkrete Referenzsystem der Popmusik mit Zitaten greift mal nicht - Songs, Künstler, Produzenten spielen zu sehr mit Mehrdeutigkeiten. Ziemlich reizvoll. Der Sound? Leider nicht immer.