Dienstag, 19. März 2024

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Buch "Club der Idealisten"
"Es geht um eine Lebenshaltung"

Wer an das Gute glaubt, auch wenn so ziemlich alles dagegen spricht, der beherrscht die Kunst, ein Idealist zu sein. Buchhändlerin und Autorin Eva-Maria Altemöller schreibt in ihrem Buch über diese scheinbar vergessene Spezies. "Ein Idealist ist ein Dickkopf und schafft, indem er sich immerzu das Unmögliche vornimmt, das Mögliche", sagte die Autorin im DLF.

Eva-Maria Altemöller im Gespräch mit Anja Buchmann | 06.12.2016
    Die Autorin und Buchhändlerin Eva-Maria Altemöller schaut in die Kamera
    Die Autorin und Buchhändlerin Eva-Maria Altemöller (privat)
    Anja Buchmann: "Der Club der Idealisten. Untertitel: Über die Kunst an das Gute das glauben- auch wenn so ziemlich alles dagegen spricht. So heißt das Buch von Eva-Maria Altemöller. Sie ist Autorin und Buchhändlerin in Lindau am Bodensee. Ein Hohelied auf den Idealismus bzw. die Menschen, die an ihn Glauben. Ein Buch, das quasi eine Verschriftlichung eines tatsächlichen Clubs der Idealisten ist: Ein Raum in einem Haus mitten auf der Bodensee-Insel Lindau, in dem sich Menschen regelmäßig treffen, um zu reden über - ja, worüber eigentlich?
    Das erzählt am besten Eva-Maria Altemöller selbst, mit der ich in Friedrichshafen verbunden bin. Schönen guten Tag. Club der Idealisten - was genau ist das?
    Eva-Maria Altemöller: "Der Club der Idealisten" ist ein Buch, über das ich schon seit einer ganzen Weile nachdenke, seit ich eine seltsame Beobachtung gemacht habe, dass nämlich in meiner Buchhandlung die Themen Philosophie, Politik, Ökologie, also die, die jeder Steuerberater als so Bücher bezeichnen würde, die man nicht so unbedingt braucht, die man also vielleicht auch ruhig dem Versand überlassen kann, dass die besonders gut gehen.
    Das fand ich irgendwie seltsam, weil das für mich gar nicht zu diesem Eindruck passt, den man normalerweise hat, dass es eigentlich nur noch ganz wenige Idealisten gibt. Idealisten selbst haben oftmals das Gefühl, dass sie zu einer bedrohten Spezies gehören, dass es nur noch ein paar gibt, die sich an ihren moralischen Kompass halten. Und das war eben das Interessante, dass ich mir gesagt habe, jetzt gucken wir mal, vielleicht gibt es doch mehr Idealisten, als man eben annehmen sollte oder als wir gewohnt sind zu glauben.
    Buchmann: Was sind Idealisten für Sie? Was macht Idealismus oder ein idealistischer Mensch für Sie aus?
    Altemöller: Ein Idealist ist Gott sei Dank ein Dickkopf und schafft, indem er sich immerzu das Unmögliche vornimmt, schafft er das Mögliche. Der Realist hingegen nicht. Der Realist lässt manche Sachen ganz einfach weg, weil er schon von vornherein da die Flinte ins Korn wirft.
    Und der Idealist bleibt sich aber treu, bleibt auch seiner Idee treu, dem, was er auch machen möchte, was ihm auch wichtig ist. Wobei es ja die unterschiedlichsten Arten von Idealisten eben gibt. Es gibt welche, die zu Hause in ihrer Garage still was vor sich her tüfteln. Dann gibt es die Büchermenschen, die tausend Seiten schreiben oder auch lesen.
    "Idealisten haben so einen moralischen Kompass"
    Buchmann: Wenn ich Sie kurz unterbrechen darf oder nachhaken darf, es geht mehr um eine Herangehensweise und auch eine Denk- und philosophische Weltsicht oder Arbeitsweise und gar nicht so sehr um konkrete Themen?
    Altemöller: Gar nicht. Es geht um eine allgemeine Lebenshaltung. Es geht um die Lebenshaltung, die darin besteht, dass man sich selbst treu bleibt, dass man auch dem Prinzip Anständigkeit treu bleibt, dass man mit der Idee des Eigennutzes, das man uns nun schon seit 50, 60 Jahren als das Gelbe vom Ei zu verkaufen versucht, dass man damit gar nichts am Hut hat, sondern dass man alles, was geschieht, durch den TÜV des eigenen gesunden Menschenverstands eben laufen lässt.
    Idealisten haben so einen moralischen Kompass – deswegen ist in dem Buch eigentlich auch das Leitmotiv immer Navigation, also: Wie navigiere ich durchs Leben? Indem ich mir selber treu bleibe, und komme aber trotzdem nicht unter die Räder.
    Buchmann: Sie erwähnen ihn gerade wieder und haben in schon mal erwähnt, den moralischen Kompass. Was ist der, in welche Richtung weist dieser moralische Kompass?
    Altemöller: Dieser moralische Kompass weist in – ja, die wichtigste Richtung ist ein Wort, das man auch schwer definieren kann. Man kann ja auch Idealismus nicht so leicht definieren. Wenn Sie also bei Wikipedia gucken würden, würden Sie zum Thema Idealismus nur was über eine philosophische Richtung in der deutschen Geschichte eben finden. Aber Idealismus ist nirgends richtig definiert, ebenso wenig das Prinzip Anständigkeit. Was ist eigentlich anständig?
    Buchmann: Was ist es für Sie?
    Altemöller: Anständig lebe ich, wenn ich zwischen gerecht und ungerecht, vernünftig und unvernünftig, richtig und falsch eben unterscheide.
    Buchmann: Es gibt ja des Öfteren auch unterschiedliche Definitionen dessen, was richtig oder falsch ist, was gut oder schlecht ist. Wer definiert das?
    Altemöller: Wer definiert das? Am besten definiert es unser Gefühl. Dann führt uns das, denke ich mal, schon in genau die Richtung, in die wir gehen sollen. Denn dann kommen vielleicht unsere anderen Fähigkeiten zusammen, unsere Talente. Und wenn man das tut, was man kann, dann tut man auch, was man soll.
    "Es wird alles weggerechnet, was wichtig ist."
    Buchmann: Brauchen wir ihn, den Idealisten oder auch die Idealistin gerade heute mehr denn je, wo, ich sag jetzt mal ein bisschen plakativ, tumbe Menschen an der Macht sind, die sehr ökonomisch und profitorientiert sind und auch eher durch Ausgrenzung und Hass auffallen als durch menschenfreundliche Ideale – brauchen wir die gerade jetzt?
    Altemöller: Absolut. Der Idealismus wäre der fabelhafte Mittelweg, das wäre ein Königsweg zwischen diesen beiden Extremen, die sich gerade überall herausbilden. Leider, die Menschen, die tatsächlich die Geschicke des Globus gerade lenken, und das sind im Wesentlichen sind das wirtschaftlich orientierte Menschen, oder sagen wir es mal vorsichtig, Menschen, die eher am Baren als am Wahren interessiert sind.
    Die verstehen so einen Satz gar nicht. Denn für die lohnt sich niemals, was sich nicht rechnet. Und die rechnen uns immer vor, wie wir zu handeln haben. Das heißt, es wird alles weggerechnet, was wichtig ist. In Krankenhäusern wird am Essen herumgerechnet, bis ein Patient, der aus dem OP kommt, für 1,30 Euro noch ein Essen dann bekommt. Das heißt, es muss sich alles rechnen, und das ist falsch. Der Idealist weiß, dass diese Dinge, dieses Zerrechnen alles dessen, was wir in Tausenden von Jahren an Kultur geschaffen haben, dass das nicht ungut ist – es ist eventuell für uns eine Katastrophe. Und wir dürfen so natürlich nicht weitermachen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Eva-Maria Altemöller: Club der Idealisten - Über die Kunst, an das Gute zu glauben (auch wenn so ziemlich alles dagegen spricht), Sanssouci-Verlag, 240 Seiten, 18€