Freitag, 29. März 2024

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Buch "Fake News"
"Dem Bauchgefühl vertrauen"

"Wenn man erst mal misstrauisch wird, sollte man dem Bauchgefühl vertrauen", sagte die Autorin Karoline Kuhla im Dlf. Sie berät Kinder und Jugendliche zum Thema Fake News - nun hat sie dazu ein Buch veröffentlicht.

Karoline Kuhla im Gespräch mit Sebastian Wellendorf | 07.12.2017
    Die zweite Bundesjugendkonferenz Medien beginnt am 24.03.2017 in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern). Rund 200 Medienscouts aus ganz Deutschland tauschen sich diesmal zum Phänomen der Falschnachrichten, sogenannten Fake News, aus.
    Das Buch zum Thema Fake News von Karoline Kuhla wendet sich an Jugendliche - aber auch Erwachsene können daraus noch was lernen (dpa-Zentralbild / Bernd Wüstneck)
    Sebastian Wellendorf: Wie erklären Sie den Jugendlichen den Begriff "Fake News"?
    Karoline Kuhla: Diesen Begriff muss man ganz genau abgrenzen zu der alten klassischen deutschen Formulierung der Falschmeldung. Denn bei einer Falschmeldung glaubt ja ein Journalist in dem Moment, in dem er sie veröffentlicht, dass das die Wahrheit ist und später stellt sich dann häufig heraus, dass da ein Fehler passiert ist. Er tut das also nicht mit Absicht. Fake News werden aber von ihren Schöpfern mit Absicht in die Welt gesetzt.
    Wellendorf: Okay, diese Erklärung würde ich auch so eins zu eins für Erwachsene gelten lassen – sie wahrscheinlich auch. Was ist jetzt der Aspekt, der Jugendliche anspricht. Ist es eine bestimmte Wortwahl oder eine bestimmte Konzentration auf einen Aspekt?
    Kuhla: Also grundsätzlich ist es so, dass Fake News – egal ob für Jugendliche oder für Erwachsene – immer auf Themen abzielen, die besonders emotional diskutiert werden. Bei uns in Deutschland ist das zum Beispiel meist die Flüchtlingskrise gewesen, vorher aber auch die Ukraine-Krise.
    Wellendorf: Wie sind sie vorgegangen in dem Buch?
    Kuhla: Ich habe erst mal versucht, zu erklären, wie es zu einer Vertrauenskrise der Medien gekommen ist. Da sind ja auch teilweise Journalisten nicht ganz unschuldig. Der Ruf der Medien hat in den letzten Jahren oder wahrscheinlich auch im letzten Jahrzehnt sehr gelitten. Das Vertrauen ist international gesunken und das hat den Boden bereitet für Wörter wie Fake News, was ja auch als Beschimpfung, als negativer Ausdruck für seriöse Medien von Populisten vor allem eingesetzt wird. Und danach ging es mir darum, den Jugendlichen erstmal zu erklären, wie seriöse Medien eigentlich tatsächlich arbeiten: welche Recherchemethoden sie anwenden und wie sie versuchen, zu garantieren, dass das, was sie berichten, tatsächlich stimmt.
    An seriösen Marken orientieren
    Wellendorf: Ja, bleiben wir mal bei dem Beispiel: Wie können Jugendliche erkennen, ob eine Nachricht stimmt oder nicht?
    Kuhla: Also grundsätzlich ist es so, dass es – jetzt für Deutschland gesprochen – einige sehr seriöse Medienmarken gibt. Natürlich bedeutet Tradition nicht immer, dass man unfehlbar ist und dass man keine Fehler mehr macht. Aber es gibt einige Marken, die sich schon einen guten Ruf erarbeitet haben. Solchen Medien können Jugendliche aber auch alle anderen eher vertrauen, als Nachrichten-Websites, die zum Beispiel ganz neu im Netz entstehen.
    Wellendorf: Aber gerade Jugendliche benutzen ja sehr oft auch Medien, die nicht die traditionellen Medien sind, also digitale Medien, Social Media, die nicht zu denen gehören, die Sie gerade angesprochen haben.
    Kuhla: Also erstens sind ja auch die traditionellen Medien mittlerweile in allen Social-Media-Bereichen vertreten. Aber grundsätzlich: das wichtigste ist erst mal, seinem eigenen Bauchgefühl zu vertrauen. Wenn man erst mal misstrauisch wird und denkt: meine Güte, das klingt aber wirklich krass, ist das wirklich wahr. Dann sollte man diesem Bauchgefühl vertrauen und sich einfach mal nur zehn Sekunden Zeit nehmen und beispielsweise diesen Fakt, diese Meldung googeln und gucken, ob man andere Medien findet – vor allem die seriösen –, die diese Nachricht auch verbreiten und dadurch bestätigen.
    "Möglicherweise selbst Fake News verbreiten"
    Wellendorf: Bis jetzt hört es sich so an, als ob das auch gut ein Buch für Erwachsene sein könnte?
    Kuhla: Das glaube ich auf jeden Fall auch. Was aber tatsächlich der Unterschied ist, ist dass – glaube ich – Jugendliche viel unbedarfter sich in den sozialen Medien bewegen, Sachen teilen, abstimmen…
    Wellendorf: Das heißt: sie sind anfälliger für Fake News?
    Kuhla: Ja. Ich glaube, sie sind sich häufig noch nicht so bewusst, dass sie selber Multiplikatoren sind. Also dass sie selber Fake News möglicherweise verbreiten und dass sie da auch eine Verantwortung tragen, sich genauer zu überlegen: welchen Post teile ich, welchen Tweet teile ich mit meinen Followern. Dass sie da noch mal einen Schritt zurückgehen jedes Mal vorher und überlegen: ist das wirklich eine Nachricht, der ich vertrauen kann und kann ich das weiterverbreiten.
    "Die älteren teilen ihre Medienerfahrung"
    Wellendorf: Ich hatte eben das Digital-Nativ-Sein angesprochen. Spielt das eine Rolle, dass Jugendliche mit diesem digitalen Medien groß geworden sind und nie das traditionelle journalistische Handwerk durch die Zeitung beispielsweise oder durch die Tagesschau so richtig nicht kennengelernt haben?
    Kuhla: Ich glaube schon. Weil sie natürlich in einer Welt groß geworden sind, in der Nachrichten von professionellen Journalisten gleichwertig dargestellt werden mit Nachrichten von ihrem Nachbarn praktisch, der gerade was getwittert hat. Ich glaube aber auch, dass sie eine Stärke haben, die sie noch weiter ausbauen müssen. Dass sie sich nämlich mit diesen modernen Mechanismen, mit den sozialen Medien gut auskennen. Da haben sie wiederum der älteren Generation etwas voraus. Sie haben auch einen viel besseren Instinkt für die Technik. Und ich glaube, dass da auch beide Generationen was voneinander lernen können: Die älteren teilen ihre Medienerfahrung und die Erfahrung, die sie mit Nachrichten gemacht haben und die Jüngeren eben über diese modernen Medien berichten.
    Wellendorf: Karoline Kuhla. Ihr Buch heißt "Fake News". Ein Buch zum Thema für Jugendliche, aber definitiv auch für Erwachsene – erschienen ist es im Carlsen Verlag und mit der Autorin habe ich darüber gesprochen. Vielen Dank.