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Buch "Psychedelic Sex"
Einblick in Hippie-Sex-Gazetten

Freie Liebe, Nacktkultur und Drogen sind fester Bestandteil des 68er-Mythos. Wer das verpasste, aber trotzdem irgendwie an der sexuellen Revolution teilnehmen wollte, dem halfen pornografische Zeitschriften. Der Taschen-Verlag zeigt in einem neuen Buch die Bandbreite der "Psychedelic Sex"-Heftchen.

Von Maximilian Schönherr | 16.02.2015
    Schwarz-weiß-Aufnahme: eine Gruppe Männer und Frauen, nackt oder halb nackt, sitzen auf einer Wiese bei einem Festival, einer der Männer spielt Querflöte.
    Nudismus gehörte in den Sechziger- und Siebzigerjahren zur Hippiekultur - wer ihn so nicht ausleben wollte, konnte auf zahlreiche Sexheftchen zurückgreifen. (imago/stock&people)
    Es ist ein sehr schönes Buch von außen - psychedelisches Grün-Lila-Muster, alles scheint sich zu drehen, Sixties eben -, und es ist ein verstörendes Buch innen, mit Hunderten von Sexfotos mittlerer Qualität aus längst vergangenen Zeiten: junge Menschen beim Gruppensex, Männer - und vor allem Frauen mit weit gespreizten Beinen, üppiger Scham- und Achselbehaarung. Dazu Textbrocken wie:
    "Mach's dir leicht, folge der Natur. Du kannst ein helleres, wärmeres Leben führen, mit oder ohne Klamotten, drinnen oder draußen."
    Um es noch mehr nach LSD aussehen zu lassen, projizierten die Fotografen Dias mit psychedelischen Mustern auf die Hippie-Körper und fertigten Doppelbelichtungen an.
    Das Buch besteht aus etwa 1.000 gescannten Seiten längster vergessener Pornozeitschriften, die mit der Hippiebewegung vor 50 Jahren in den USA aus dem Boden schossen. Die Nacktkultur, der freie Sex, die Drogen waren ein gefundenes Fressen für Investoren und Verleger.
    Dian Hanson, die Herausgeberin des Psychedelic-Sex-Buchs, meint, die Macher dieser Hefte hatten mit Love & Peace wenig zu tun; ihnen ging es nur ums Geld.
    "Das waren heterosexuelle Pornografen, und ihre Zielgruppe Hetero-Männer, die meinten, etwas in ihrem Leben verpasst zu haben und auf diese Weise die sexuelle Revolution nachholen wollten."
    Entsprechend war das Nachstellen heterosexueller und lesbischer Handlungen okay, die Andeutung männlicher Homosexualität aber Tabu.
    Die Zeitschriften trugen Titel wie "Nude Rebellion" (nackter Aufstand), "Peace & Love", "Hot Pants" und "Elysium" - es gab hunderte davon. Sie wurden in den späten 1960er-Jahren ausschließlich an Erwachsene verkauft und verschwanden nach 1972 wieder im Nichts, so wie die Hippiebewegung nach den Five Summers of Love einfach wieder verschwand. Wir haben dieses Buch im Grunde Eric Godtland zu verdanken, einem Amerikaner, der es sich schon als Junge zum Ziel gemacht hat, alle jemals veröffentlichten Pornohefte zu sammeln.
    "Auf Drogen zu sein war der Inbegriff für sexy"
    Das 400-Seiten-Buch gibt nur einen minimalen, aber mehr als ausreichenden Einblick in seine enorme Sammlung von Hippie-Sex-Gazetten.
    Das Vorwort stammt aus der spitzen Feder von Paul Krassner, einem heute 82-jährigen Journalisten, der selbst eine zentrale Figur der Hippie-Bewegung rund um San Francisco war:
    "Eine neue Generation amerikanischer Pioniere pilgerte nach Westen, ohne auf dem Trail auch nur einen einzigen Indianer umzulegen."
    Auch Dian Hanson, jetzt Mitte 60, die Herausgeberin der Pornoreihe beim Taschen-Verlag, zogen die Hippies an. Als damals 16-Jährige, so schreibt sie in dem Nachwort, lief sie in Seattle schüchtern und geil von WG zu WG und tat anfangs immer so, als sei sie bekifft. Warum eigentlich?
    "Wenn die Typen auf mich zu kamen und meinten, ich sei bekifft, hatte ich es leicht. Ich musste weder Intelligenz noch eine starke Persönlichkeit zeigen. Auf Drogen zu sein war der Inbegriff für sexy."
    Eric Godtland, Paul Krassner, Dian Hanson: Psychedelic Sex. Hardcover im Schuber, 20,5 x 25 cm, 408 Seiten, 49,99 Euro. Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch.