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Buchen im Stresstest
Trockenheit für Forschungszwecke

Forscher fürchten seit langem, dass die Rotbuche wegen der zunehmenden Trockenheit kaum eine Zukunft hat. Am Bundesforschungsinstitut für Waldökologie in Eberswalde setzen Forstwissenschaftler in einem hochmodernen "Freilandexperimentallabor" Buchen aus verschiedenen Regionen Europas unter Trockenstress.

Von Maren Schibilsky | 09.09.2014
    Dunkle Wolken ziehen über dem Waldcampus von Eberswalde auf. Neben dem einstöckigen Gebäude des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts schließt sich automatisch eine Glaskuppel. Ausgelöst durch einen Regensensor. Kein Tropfen Niederschlag darf auf das darunter liegende Versuchsgelände fallen. Es ist ein 20 Quadratmeter großes Freilandtrockenlabor, in dem sich zweihundert junge Rotbuchen im Stresstest befinden.
    "Es dreht sich alles um den Wasserhaushalt der Pflanzen und ihre Anpassung an Trockenheit, das heißt, die Pflanzen werden permanent wie auf einer Intensivstation untersucht. Die Idee ist, herauszufinden, wann die Pflanzen ihr Wachstum einstellen, ihre Fotosynthese einstellen oder gar auch tatsächlich absterben."
    Einzigartiges Trockenlabor
    Vor fünf Jahren haben Institutsleiter Andreas Bolte und sein Forscherteam das bundesweit einzigartige Trockenlabor in Betrieb genommen. Es besteht aus acht Blumenkübeln von jeweils zwei Quadratmetern Größe, die mit feuchter Erde befüllt in den Boden eingelassen wurden. In jedem Topf wachsen 25 kleine Rotbuchen aus zwei verschiedenen Regionen Europas - erklärt Andreas Bolte.
    "Wir haben Buchen aus Norddeutschland im Bereich der Lüneburger Heide mit höheren Niederschlägen 800/850 Millimeter Jahresniederschlag und relativ feuchte Sommer. Die andere Herkunft kommt aus Zentralpolen aus der Nähe von Posen, die deutlich trockeneres Klima ertragen muss. Circa 500/550 Millimeter und trockene Sommer und häufiger auch Hitzeperioden während der Vegetationsperiode."
    Diese beiden Buchenarten stehen nun im Vergleichstest. Mit welchen Überlebensstrategien trotzen sie der Trockenheit? Seit eineinhalb Jahren sind sie jetzt ohne Wasser. Der polnische Forstwissenschaftler Tomas Tschaikowski überwacht regelmäßig ihren Stoffwechsel. Dazu spannt er die Blätter in ein Transpirationsmessgerät ein.
    "Wir messen relativ viel, einmal die Gaswechselprozesse, die Transpiration. Wir messen auch das Wasserpotenzial, also den Durst der Pflanze, die Anzeichen von Stress. Wir untersuchen auch die unterirdische Entwicklung der Pflanzen mit unserer Kamera. Es ist klar, wenn der Boden trocken ist und die Pflanze ist auf der Suche nach Wasser, da gehen sie tiefer in den Boden. Das können wir auch hier beobachten."
    High-Tech registriert Baumreaktionen
    Jede Menge High-Tech ist im Spiel, um keine Reaktion der Bäume zu verpassen.
    Einzigartig ist das halb automatische Kamerasystem, das über eingelassene Glasrohre bis zu einem Meter tief in den Boden einfahren kann, um das Wurzelwachstum zu überwachen. Versuchstechniker Walter Hoppe kontrolliert am Monitor, ob die Kamera alle acht Millimeter ein Panoramabild macht.
    "Wir haben schon im vergangenen Jahr sehen können, dass die Buchen sehr schnell reagieren, wenn sie Stress haben. Die Feinwurzeln bilden sich sehr schnell neu und suchen sich Wasser, wo noch Wasser ist."
    Anhand der Kamerabilder haben die Forscher heraus gefunden, dass die zentralpolnischen Buchen bei Trockenstress ein dichteres und tieferes Feinwurzelwerk bilden als ihre norddeutschen Verwandten. Auch der Stoffwechsel ist unterschiedlich - erklärt Projektleiter Andreas Bolte.
    "Die polnische Herkunft, die vermutlich mehr trockenheitsangepasst ist, regelt feiner ihre Transpiration und geht sorgsamer mit knappen Wasservorräten um, wohingegen die andere Herkunft verschwenderischer umgeht und damit die Gefahr von Absterbereaktionen bei den deutschen Herkünften früher gegeben ist."
    Deshalb plädiert der Eberswalder Forstprofessor dafür, künftig beim Waldumbau trockenheitsresistentere zentralpolnische Rotbuchen mit einzusetzen. Auch, wenn das deutsche Saatgutgesetz derzeit dagegen spricht.
    "Der Punkt ist natürlich, inwieweit das Saatgutgesetz durch den Klimawandel als solches mehr oder minder überholt wird, das heißt, inwieweit wir dann nicht unnötige Restriktionen haben, um beispielsweise besser angepasstes Saatgut anderer Herkünfte aus anderen Regionen auch verwenden zu können."
    In Kanada setzt die Forstwirtschaft bereits Saatgut aus dem Süden ein. Denn Bäume, die heute gesät werden, sollten trotz Klimawandel einhundert Jahre und länger überdauern.