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Flüchtlinge
Orban: "Krise ist ein deutsches Problem"

Der ungarische Ministerpräsident Orban geht auf Konfrontation zur Bundesregierung. Bei einem Besuch in Brüssel sagte er, keiner der Flüchtlinge, die sich derzeit am Budapester Ostbahnhof aufhielten, wolle in Ungarn bleiben. Alle wollten weiter nach Deutschland. Deshalb sei die Krise kein europäisches Problem, sondern ein deutsches.

03.09.2015
    Ungarns Premierminister Viktor Orban in Brüssel
    Ungarns Premierminister Viktor Orban in Brüssel (dpa / picture alliance / Olivier Hoslet)
    Bei EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) stieß er damit auf Widerspruch. "Ich bin nicht der Meinung von Viktor Orban", betonte Schulz nach einem Treffen mit Orban in Brüssel. Es sei zwar möglich, dass nicht alle Menschen in Ungarn bleiben wollten. Deshalb müsse es aber das Ziel sein, die eintreffenden Flüchtlinge gerechter zu verteilen.
    Diese Forderung erhob auch EU-Ratspräsident Donald Tusk. "Mindestens 100.000 Flüchtlinge" müssten fair auf die EU-Mitgliedsländer verteilt werden, betonte er in Brüssel. Alle Mitgliedstaaten müssten ihre Anstrengungen diesbezüglich verdoppeln und sich solidarisch zeigen mit den Ländern, die bisher die meisten Flüchtlinge aufgenommen hätten.
    Tusk krisitierte zudem Orbans Äußerungen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Darin hatte der ungarische Premier es als Problem bezeichnet, dass die meisten Flüchtlinge, die nach Europa kämen, keine Christen, sondern Muslime seien. Tusk erwiderte darauf: "Für einen Christen sollten Rasse und Religion nicht von Bedeutung sein."
    Tumultartige Szenen am Bahnhof in Budapest
    Am Vormittag hatten sich am Budapester Ostbahnhof Augenzeugen zufolge wieder chaotische Szenen abgespielt. Hunderte Flüchtlinge drängten zu den Gleisen, als die Polizei den Bahnhof öffnete und die Menschen passieren ließ. Am Mittag fuhr ein Zug mit etwa 300 Flüchtlingen in Richtung österreichische Grenze, wurde Agenturberichten zufolge aber kurz nach der Abfahrt wieder gestoppt. Die Flüchtlinge seien in Bussen in ein nahe gelegenes Aufnahmelager gebracht worden.
    Ärger über die Bundesregierung
    Deutschland hatte in den vergangenen Tagen viel Kritik aus Ungarn und Österreich geerntet. Grund war die Ankündigung der Bundesregierung, syrische Flüchtlinge nicht mehr zur Registrierung in andere europäische Länder zurückzuschicken, wenn sie dort erstmals EU-Boden betreten haben. Die Regierung in Budapest sah damit die sogenannte Dublin-Verordnung außer Kraft gesetzt. Die Ankündigung habe eine "Sogwirkung" entfaltet und den Flüchtlingen Hoffnung gemacht, in Deutschland aufgenommen zu werden.
    Unionsfraktionschef Volker Kauder widersprach diesem Eindruck heute in Berlin. Der CDU-Politiker forderte die ungarische Regierung auf, sich weiterhin an das Dublin-Verfahren zu halten und die ankommenden Flüchtlinge ordnungsgemäß zu registrieren. "Dublin gilt", betonte Kauder. Deshalb sei es falsch, wenn Ministerpräsident Orban die Flüchtlinge als deutsches Problem bezeichne. "Wenn Ungarn Dublin infrage stellt, muss man ernsthaft mit Ungarn reden."
    (am/dk)