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Buddhistische Philosophie
Der Elefant als religiöses Politikum

Für thailändische Buddhisten symbolisiert der Elefant Glück, Majestät, Stärke, Fleiß und Intelligenz. Auch in anderen buddhistischen Ländern genießen Elefanten hohes Ansehen, aber nirgends so ausgeprägt wie in Thailand. Dort ist die Verehrung des Tieres ein Politikum.

Von Margarete Blümel | 11.12.2017
    Trauerfeier für den verstorbenen thailändischen König Bhumibol im Oktober 2017. Auch dabei: Elf weiße Elefanten.
    Trauerfeier für den verstorbenen thailändischen König Bhumibol im Oktober 2017. Auch dabei: Elf weiße Elefanten. (imago / Xinhua)
    Im Zentrum der thailändischen Großstadt Nonthaburi: Nur zwei Touristen bleiben stehen und schauen ungläubig zu, wie eine Thailänderin über den Boden kriecht - unter dem Bauch eines Elefanten. Die vielleicht 30jährige Frau trägt ein Ensemble aus Brokat - mit einem weit geschnittenen Oberteil. Sie ist schwanger, und es fällt ihr schwer, unter dem grauen Riesen hindurch zu rutschen, um dann - in sicherem Abstand - schwer atmend auf dem Bürgersteig Platz zu nehmen.
    Dutzende Passanten haben bis dahin die Schwangere ignoriert. Auch jetzt, als sich die Frau mithilfe einer Begleiterin aus dem Staub erhoben hat, um dem Dickhäuter eine Banane und dem Elefantentreiber einen Geldschein zu überreichen, nimmt außer den beiden Touristen niemand davon Notiz. Kein Wunder: Denn jeder Thailänder weiß, dass Frauen so einen Elefanten um seinen Beistand bitten - in der Hoffnung auf eine unkomplizierte Geburt.
    Buddha und der Elefant
    Nicht nur in den Augen thailändischer Buddhisten symbolisiert der Elefant Glück, Majestät, Stärke, Fleiß und Intelligenz. Weltweit, weiß der australische Religionswissenschaftler Professor John Powers, werden Elefanten von Buddhisten in einem Atemzug mit Buddha genannt.
    "Buddha wird in einigen Texten mit einem Elefanten verglichen. Das bezieht sich dann zum Beispiel auf Buddhas Gang, der als würdevoll und gemessen beschrieben wird, wie der eines Elefanten. Beide haben demnach ihren Körper völlig unter Kontrolle und sie schauen geradeaus, während sie daher schreiten. In anderen buddhistischen Schriften wiederum werden Buddhas Eigenschaften und Tugenden auf den Körper eines edlen Elefanten übertragen - eine Fülle nobler Werte, die sich nicht nur in seinem Gang, sondern in seinem gesamten Auftreten niederschlagen."
    "An anderer Stelle wird Buddha in Gestalt eines weißen Elefanten zum Retter. Er opfert sich. Und so kann er einigen Menschen, die sonst in der Wildnis verhungern würden, das Leben retten. Außerdem steht der Elefant im Buddhismus auch für Wasser und damit für den Regen. Das gibt ihm im asiatischen Raum, wo die Menschen auf den Monsunregen angewiesen sind, eine ganz besondere Relevanz."
    Buddha auf einem weißen Elefanten. Statue im buddhistischen Vạn Hạnh Zen Tempel in Vietnam.
    Buddha auf einem weißen Elefanten. (imago / Leemage)
    Der buddhistische Gelehrte Shantum Seth aus Neu-Delhi ergänzt:
    "Früher sollen Elefanten Flügel besessen haben, glaubt man. Sie waren wie die Wolken, die während der Regenzeit aus dem Meer aufsteigen, um sich schließlich auf den Bergen nieder zu lassen. Der fliegende Elefant ist also ein Sinnbild von Wolken und Regen."
    Inbegriff vollkommener Gelassenheit
    Thailänder vergleichen den Umriss ihrer Heimat auf der Landkarte mit einem Elefantenkopf: Dem Nachbarland Myanmar bietet er die Stirn, um dann seinen langen Rüssel in die Fluten der Andamanensee und des Golfs von Thailand zu tauchen. Auch in anderen buddhistischen Ländern genießen Elefanten hohes Ansehen, aber nirgends so ausgeprägt wie in Thailand. Und: Weiße Elefanten sind eben hier besonders beliebt.
    Wer eins dieser seltenen Exemplare aufspürt, hat die Pflicht, es den Behörden zu melden. Denn traditionsgemäß müssen weiße Elefanten in Thailand dem jeweils amtierenden König überantwortet werden. Der im vergangenen Jahr verstorbene Monarch Bhumibol hielt neun weiße Elefanten an seinem Hof. Bei seiner Bestattung wurde eine Parade abgehalten, für die aus symbolischen Gründen elf weiße Elefanten benötigt wurden. Um dem nachzukommen, wurden zwei graue Elefanten kurzerhand weiß gefärbt. Ihr Ansehen verdanken die weißen Dickhäuter einer Legende, die thailändische Kinder in der Schule lernen.
    Eine Statue des Elefantengottes Ganesha vor dem buddhistischen Tempel Wat Sri Suphan, Thailand.
    Eine Statue des Elefantengottes Ganesha vor dem buddhistischen Tempel Wat Sri Suphan, Thailand. (imago / BE&W)
    "Dieser Geschichte gemäß hatte Buddhas Mutter Mayadevi einst einen Traum, in dem ein weißer Elefant vom Himmel herabkam, sie dreimal umkreiste und dann durch ihre rechte Seite in sie eindrang. Danach war Mayadevi schwanger und Buddha wurde geboren. Diese Legende ist in buddhistischen Tempeln zu finden: Buddhas Mutter liegt schlafend auf ihrem Bett. Von der Decke steigt ein weißer Elefant zu ihr herab."
    Der Kampf zwischen Elefant und Löwe
    Ist der Elefant im Buddhismus also "heilig"? Etwa so wie die sogenannte "heilige Kuh" der Hindus, die ihre Fußspuren nicht nur in Mythen, sondern auch am hinduistischen Götterhimmel hinterlassen hat? Die "heilige Kuh" der Hindus wird als Mutter des Universums, Wohnsitz der Götter und als Symbol der Unsterblichkeit angesehen. Das aber trifft für den Elefanten im Buddhismus nicht zu. Denn hier wird das Tier nicht zum Gott erhoben. Und es ist sterblich.
    Das gilt nicht nur in Thailand, sondern auch in Indien, dem Ursprungsland des Buddhismus. Auch hier ist der Elefant nicht göttlich, sondern er wird etwa auf Statuen als Statthalter eines Kampfes zwischen zwei Glaubensanschauungen dargestellt. Der Buddhismus kämpft mit dem Brahmanismus, einer Religion, die vor 2500 Jahren in Indien dominierte und die mit dem Hinduismus verwoben ist. Dazu der buddhistische Gelehrte Shantum Seth:
    "Die symbolische Verbindung des Elefanten mit dem Buddhismus ist auch in der Kunst deutlich sichtbar. Ob auf alten Stein- und Bronzedarstellungen oder auf Radierungen und Bildern aus der Neuzeit: Der Elefant ist sehr präsent. Und das nicht selten zusammen mit einem Kontrahenten - dem Löwen. Der Löwe verkörpert in diesen Fällen den Brahmanismus, während der Elefant den Buddhismus repräsentiert. Und man sieht eigentlich auf jeder dieser Darstellungen, dass der Löwe versucht, den Elefanten zu bezwingen."
    Der Elefant als religiöses Politikum
    Ein Kampf, der längst entschieden ist: Obwohl der Buddhismus in Indien lange eine wichtige Rolle spielte, hat sich der Hinduismus als dominierende Religion behauptet. 80 Prozent der Inder sind heutzutage Hindus. Nicht einmal ein Prozent der indischen Bevölkerung bekennt sich zum Buddhismus.
    "Es gibt aber durchaus Initiativen, den Buddhismus wieder zu beleben. Eine treibende Kraft ist hierbei die BSP, die Bahujan Samaj Party. Dieser Partei gehören sehr viele Dalits an – sogenannte Kastenlose, die zum Buddhismus konvertiert sind. Auch hier spielt wieder der Elefant eine Rolle. Er ist sogar das Symbol der BSP. Die BSP hat im Bundesstaat Uttar Pradesh große Gehege für Elefanten angelegt. 'Jumbos', die in Rente gehen, kranke oder misshandelte Tiere – hier steht das Wohl des Elefanten im Vordergrund! Bei den letzten Wahlen mussten die Partei-Oberen aber einen Rückzieher machen. Sie hatten riesige Elefantenskulpturen anfertigen lassen und sie an öffentlichen Plätzen aufgestellt. Dem hat die indische Wahlkommission jedoch einen Riegel vorgeschoben – die 'Wahl-Elefanten` mussten komplett verhüllt werden, weil der Elefant religiös konnotiert ist und Religion im Wahlkampf nichts zu suchen hat."
    Der Elefant als religiöses Politikum im überwiegend hinduistischen Indien und als Machtsymbol des Königs in Thailand. Hier verhüllt, weil fehl am Platz, da von Schwangeren, die sich um ihr Baby sorgen, unterwandert.
    Wie auch immer, hüben wie drüben ist dem Elefant die Hochachtung der Gläubigen gewiss. Die Besucher buddhistischer Tempel bleiben vor Elefantenstatuen stehen, legen ihre Hände vor die Brust, führen sie dann zur Stirn und verneigen sich schließlich vor der Elefanten-Figur, während man echten Elefanten Bananen und seinem Pfleger ein paar Münzen oder Scheine gibt. So wissen die Gläubigen sich Buddha nahe und sie sind sich seiner Gnade gewiss.