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Budget für den Wahltag

Bestätigt ist der Termin noch nicht, aber voraussichtlich wird am 6. Mai im Vereinigten Königreich gewählt. Dennoch legt der britische Schatzkanzler Darling trotz immenser Defizite heute noch einen neuen Haushalt vor.

Von Martin Alioth | 24.03.2010
    Die unverfrorene Bereitschaft früherer Regierungsmitglieder zur Bestechlichkeit beschäftigte das Vereinigte Königreich gestern. Manche freuten sich auch, dass die Gattin des Oppositionsführers ein Kind bekommt. Naturgemäß wird jede Neuigkeit zurzeit durch das Prisma der bevorstehenden Unterhauswahl betrachtet und bewertet. So auch das heutige Großereignis, der Haushalt für das neue Fiskaljahr, das im britischen Kalender noch immer im April beginnt. Aber ist es auch diesmal ein Großereignis? Der Kassenwart, Schatzkanzler Alistair Darling, winkt ab:

    "Es wird keine Geschenke geben. Wir wollen zusätzliche private Investitionen, damit es wieder Wachstum und neue Arbeitsplätze gibt."

    Und um jede Hoffnung auf Steuererleichterungen zur ersticken, wurde der spröde Schotte Darling sogar blumig:

    "Die Leute sind doch nicht blöd. Wenn ein Politiker ihnen einen Weihnachtsbaum verspräche, würden sie bloß mit den Augen rollen und sagen: Der ist definitiv weggetreten."

    Der Realitätsbezug britischer Politiker ist tatsächlich das Problem. Das Inselreich erwartet für das eben zu Ende gehende Finanzjahr einen Fehlbetrag von über zwölf Prozent der gesamten britischen Wirtschaftsleistung. Anders gesagt: Jedes vierte Pfund, das Darling ausgibt, ist geborgt. Dabei ist der Anteil des Staates an der gesamten Wirtschaftsleistung auf 52 Prozent angestiegen – als die Labour-Partei vor 13 Jahren die Macht übernahm, stand dieser Quotient noch bei schlanken 40 Prozent. Doch die Labour-Regierung von Gordon Brown weist jeden Vorschlag, nach irischem oder griechischem Vorbild ein Sparprogramm vorzulegen, als landesverräterische Ketzerei von sich. Brown selbst hat einen Plan:

    Vorausgesetzt, dass er wiedergewählt wird, soll erst im nächsten Jahr gespart werden. Bis 2014 soll der Fehlbetrag halbiert werden. Gemächlich und bescheiden also. Labour plant offenbar ein Defizit von sechs Prozent in fünf Jahren. Der konservative Finanzpolitiker Philip Hammond ist nicht beeindruckt. Er verlangt sofortige Einschnitte nach der Wahl:

    Ein Plan, der erst nächstes Jahr einsetzt, ist nicht glaubwürdig. – Das finden auch die Agenturen, die über die Bonität der Briten als Schuldner befinden. Sie erwägen eine Herabstufung. Und die Anleger fragen sich, ob sie nicht höhere Zinsen für die Flut von neuen britischen Schuldbriefen verlangen wollen. – Aber die beiden großen britischen Parteien haben sich stillschweigend darauf geeinigt, dass dem Wähler die Unvermeidlichkeit von schmerzhaften Ausgabenkürzungen verschwiegen werden soll. Brown behauptet, das würde die Krise bloß verlängern. Die Finanzmärkte mögen zu anderen Schlussfolgerungen kommen. Der heutige Haushalt steht also ganz im Zeichen der Wahl und hat daher mehr mit Alice im Wunderland als mit Fiskalpolitik zu tun. Der konservative Hammond spricht aus, was viele denken.

    Die eigentliche Frage sei doch, ob Darlings Haushalt ernst zu nehmen sei. Er selbst wäre ja bestimmt nicht mehr Schatzkanzler, selbst wenn Labour gewänne. Hammond erwartet folglich nur Augenwischerei.