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Bürger im Werratal wehren sich gegen Trinkwassergefährdung

Die EU hat ein Verfahren wegen versalzter Flüsse gegen Deutschland eingeleitet. Einer dieser Flüsse ist die Werra. Hier gewinnt die Firma K+S Kali- und Magnesiumsalze. Die dabei anfallenden Abwässer landen im Fluss oder im Untergrund. Die thüringische Gemeinde Gerstungen wehrt sich gegen die mögliche Trinkwassergefährdung.

Von Jens Falkowski | 24.07.2012
    Ulf Frank kniet mit einem Messgerät am Fluss der gerade viel Wasser führt und hält die Messsonde an einem Kabel ins Wasser:

    "Ich messe jetzt die Leitfähigkeit am Pegel Gerstungen in der Werra. Wir haben jetzt aktuell eine Leitfähigkeit bei relativ hohem Wasserstand von 6800 Millisiemens pro Zentimeter. Das heißt, wir liegen etwas unter dem Chloridgrenzwert, aber das ist bei dem Wasserstand auch kein Wunder."

    Damit enthält das Wasser in der Werra hier so viel Salz, wie sonst nur in der Ost- oder Nordsee. Ulf Frank ist bei den Gemeindewerken von Gerstungen für die Trinkwasserversorgung zuständig. Dabei macht ihm nicht nur die Qualität des Wassers in der Werra Sorgen. Neben den Salzabwässern, die im Fluss landen, verpresst die Firma K+S zusätzlich Salzlauge auf hessischer Seite in den Untergrund. Eine natürliche Sperrschicht aus Plattendolomit soll eigentlich verhindern, dass die Lauge wieder an die Oberfläche und damit ins Grundwasser gelangt. Doch dass dies nicht ausreichend funktioniert, sieht Ulf Frank anhand von Messergebnissen aus einer Monitorbohrung bereits bestätigt.

    "Man hat uns gesagt, die Verhältnisse in dieser Monitoringbohrung hätten sich nach einem Vierteljahr wieder normalisiert. Es hätte sich die normale Wasserschichtung eingestellt. Aber auch heute, vier Jahre später, zeigen die Messungen noch die gleichen Ergebnisse. Das heißt für uns, dass der Buntsandstein bis in die oberen Schichten durch Salzabwasser schon versalzen wurde."

    Dass Salzlauge bereits bis an die Oberfläche gelangt ist, demonstriert Klaus Reinhardt von der Bürgerinitiative "Für ein lebenswertes Werratal" an einer Stelle ein paar Kilometer von Gerstungen entfernt. Mitten auf einem Feld befindet sich ein großer dunkler Fleck, der wie eine riesige Pfütze aussieht. An ihm findet Klaus Reinhardt Gras mit fleischigen Blättern.

    "In der Hand halte ich typische Salzflora - das ist Salzrasen - wächst hier in verschiedensten Schattierungen. Sie werden es wiederfinden an der Nordsee - typische Salzflora, die sich hier durch die aufsteigende Salzlauge wunderschön vermehrt."

    18 solcher Stellen hat die Bürgerinitiative im Wartburgkreis gezählt. Bereits Mitte der 1990er-Jahre lagerten über eine Milliarde Kubikmeter Salzabwässer im Untergrund. Unterdessen macht sich Werner Hartung, Bürgermeister der Gemeinde Gerstungen, Sorgen um seine Trinkwasserversorgung.

    "Im Augenblick ist es noch gewährleistet, obwohl wir schon drei Brunnen schließen mussten, einen durften wir nicht bohren, nicht abteufen. Aber wir haben natürlich Angst, dass es in Zukunft anders wird, weil die Kalilaugenversenkung weiter betrieben wird und das ist die größte Gefahr für unser Trinkwasser."

    Damit die Trinkwasserversorgung in Gerstungen ausfällt, reicht für Werner Hartung die Versalzung eines weiteren Brunnens. Die Kosten für einen dann notwendigen externen Wasseranschluss schätzt er auf rund 25 Millionen Euro. Einen Betrag, den die Gemeinde nicht tragen kann. Unterstützung für den Kampf der Gemeinde um ihr Trinkwasser erhält sie vom Thüringer Landtag. Auf einen Antrag der Grünen sollen die bestehenden Genehmigungen von K+S überprüft und geändert werden. Eine Initiative, die Anklang bei allen Fraktionen im Landtag findet. Frank Augsten, umweltpolitischer Sprecher der Grünen, sieht für den Ausgleich der Schäden die Firma K+S in der Pflicht.

    "Es wird sicherlich juristische Auseinandersetzungen geben. Es gibt ja auch durchaus fachliche Meinungen, die sagen, es hat nichts mit K+S zu tun. Die Auffassung teilen wir ausdrücklich nicht. Insofern sind wir da ganz nah bei der Stadt Gerstungen, auch in den Auffassungen, was die Ursachen angeht. Insofern ist für uns völlig klar, dass dort letzten Endes der Betrag durch diejenigen aufzubringen ist, die das verursacht haben."

    Über die Genehmigungen zur Entsorgung der Salzlauge entscheidet allerdings das Land Hessen. Die Firma K+S hingegen sieht keinerlei Verantwortung für die Situation in Gerstungen. Einen Austritt von Salzlauge in den Trinkwasserbereich der Gemeinde hält K+S-Sprecher Michael Wudonig für unmöglich. Aus seiner Sicht gibt es dafür keinen Nachweis. Die Gemeinde mache sich unnötig Sorgen um ihre Trinkwasserversorgung. Aus den Erfahrungen mit der Salzlaugeverpressung aus DDR-Zeiten sieht die Gemeinde die Gefahr, dass selbst zehn Jahre später noch Abwässer in die Umwelt gelangen können. Damit bleibt der Gemeinde die Gefahr selbst beim Erfolg ihrer Initiative noch lange erhalten.
    Salzwiese im Werratal (nahe Dippach)
    Salzwiese im Werratal (nahe Dippach) (Jens Falkowski)