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Bürger müssen für Windpark-Pannen mithaften

Die Regierungskoalition will den Bau von Windparks in Nord- und Ostsee durch eine Kostenabwälzung auf die Stromverbraucher beschleunigen. Ab 2013 soll ein Großteil der milliardenschweren Entschädigungen für die Anschlussprobleme bei Meer-Windparks umgelegt werden.

Von Christel Blanke | 29.11.2012
    Der stockende Anschluss von Windparks auf hoher See und ausreichende Reserven für den Winter, wenn Ökostrom knapp werden kann - diese beiden Probleme standen im Mittelpunkt der Debatte. Gegen die Stimmen der Opposition wurde unter anderem beschlossen, wer zahlt, wenn Offshore-Strom zwar produziert wird, aber nicht abtransportiert werden kann.

    Seit Monaten stockt der Leitungsbau vor allem an der Ostseeküste, weil der zuständige Netzbetreiber Tennet nicht genug Geld zur Verfügung hat. Investoren scheuen das Risiko hoher Entschädigungszahlungen, die sich schnell auf eine Milliarde Euro belaufen können. Deshalb sieht das Gesetz nun vor, dass der Netzbetreiber maximal 110 Millionen Euro im Jahr zahlen muss. Der Rest wird über die Netzentgelte auf die Stromkunden umgelegt. Die Aufteilung ist gerecht, sagt Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, FDP:

    "Weil wir wissen, dass die Risiken zwar klein sind, aber die Kosten im Schadensfall vergleichsweise hoch, haben wir dafür gesorgt, dass die Belastung für die Bürgerinnen und Bürger gedeckelt werden auf 0,25 Cent/Kilowattstunde, also gerade mal ein Prozent des aktuellen Strompreises."

    Aus Sicht der Opposition sieht faire Lastenverteilung trotzdem anders aus, zumal große Verbraucher weitgehend von den Netzentgelten befreit sind. SPD und Grüne fordern, dass Bund die Haftung übernimmt und dafür Anteile am Netzbetreiber erhält. Das wäre ein Einstieg in eine staatliche Netzgesellschaft, die auch Union und FDP eigentlich im Koalitionsvertrag verabredet hatten. Der SPD-Politiker Hubertus Heil:

    "Wir wollen, dass wir uns auf diesen Weg machen. Wir können öffentlich auch einsteigen, um Haftungsrisiken damit abzusichern und nicht die Verbraucher zu überrollen, wenn wir mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau einsteigen würden."

    Damit auch im Winter, wenn weniger Ökostrom zur Verfügung steht, das Licht nicht ausgeht, sollen Energiekonzerne unrentable Gas- oder Kohlekraftwerke künftig nicht mehr einfach vom Netz nehmen dürfen. Haben sie vor eine Anlage zu schließen, müssen sie das ein Jahr zuvor beantragen. Die Bundesnetzagentur bestimmt dann, ob abgeschaltet werden darf oder nicht. Die Energiekonzerne betrachten die Regelung als Eingriff in ihre Eigentumsrechte. Der CDU-Politiker Joachim Pfeiffer sieht aber im Moment keine Alternative:

    "Deshalb wollen wir, und das fällt uns nicht leicht, weil es in der Tat ein Markteingriff ist, übergangsweise bis 2017, mit einer Prüfung in 2014, hier entsprechend diese Winterreserve so sicherstellen."

    Barbara Höll von der Linksfraktion beklagt, dass der Bundestag mit der Regelung einen Blankoscheck ausgestellt hat:

    "Es soll einfach blanko verabschiedet werden, dass die Energiekonzerne dann eine Stilllegungsprämie kriegen, aber über die Höhe, da reden nicht wir hier im Bundestag, sondern das soll auf dem Verordnungswege geschehen, also am Parlament vorbei."

    Die Grünen hatten ein alternatives Modell gefordert. Danach soll die Bundesnetzagentur eine Strommenge für die Reserve ausschreiben, und ein Unternehmen bekommt Geld, wenn es diese Menge bereitstellt. Der Grünen-Abgeordnete Oliver Krischer plädiert für einen solchen Kapazitätsmarkt:

    "Die Briten reden über Kapazitätsmärkte. In Holland wird über Kapazitätsmärkte geredet. Die EU-Kommission bereitet eine Verordnung vor zum Thema Kapazitätsmärkte, und was erleben wir wieder? Die deutsche Bundesregierung hat zu diesem Thema keine Meinung. Sie verpennen das wieder."

    Für mehr Versorgungssicherheit soll auch eine weitere Maßnahme sorgen. Wenn Strom knapp wird, sollen Unternehmen quasi auf Zuruf ihren Verbrauch einstellen. Wer sich dazu bereit erklärt, bekommt eine Entschädigung. Jeder Haushalt müsste nach Berechnungen des Wirtschaftsministeriums dafür ein bis zwei Euro im Jahr bezahlen.