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"Bürgerinnen und Bürger sind jetzt total verunsichert"

Josef Falbisoner, Landesbezirksleiter von ver.di in Bayern und Mitglied im Telekom-Aufsichtsrat, glaubt, dass als Konsequenz aus der Telekom-Affäre eine neue Diskussion über Datenschutz und Vorratsdatenspeicherung angestoßen wird. Für die Arbeit im Aufsichtsrat hätten diese Themen bislang keine Rolle gespielt, betonte Falbisoner.

Moderation: Jochen Fischer | 03.06.2008
    Jochen Fischer: Die Telekom-Affäre soll also keine unmittelbaren Konsequenzen haben. Regierungssprecher Wilhelm sagte das und auch Bundesinnenminister Schäuble. Die Gesetze reichten auch aus. Trotzdem wird der Ruf nach mehr Kontrolle laut und zuständig für diese Kontrolle ist der Aufsichtsrat der Deutschen Telekom, Josef Falbisoner. Guten Morgen!

    Josef Falbisoner: Guten Morgen!

    Fischer: Sie sind dort Mitglied im Aufsichtsrat wie gerade gehört. Ist denn das Geschehen um das Engagement dieser Datenspione eigentlich am Aufsichtsrat der Deutschen Telekom vorbei gegangen?

    Falbisoner: Der Aufsichtsrat hat davon überhaupt nichts mitbekommen. Solche Themen werden auch konzernintern behandelt. Ich will aber schon eingangs sagen: Wir stehen zu einer Sicherheit im Unternehmen. Wir stehen dazu, dass hier Betriebsgeheimnisse gewahrt bleiben. Das ist ja selbstverständlich. Die Methoden, die hier angewandt worden sind, um scheinbare Lücken zu finden, die sind kriminell. Die gehören angeprangert. Und mit Sicherheit wird eine der Konsequenzen sein, dass wir uns das Thema Konzernsicherheit im Aufsichtsrat einmal genauer anschauen und dass wir einmal nachprüfen, wie denn diese Konzernsicherheit überhaupt arbeitet, was sie tut, wie sie es tut.

    Fischer: Haben Sie das bisher nicht getan?

    Falbisoner: Es war eigentlich kein Thema für uns. Der Aufsichtsrat ist für andere Themen da. Es ist ein Kontroll- und Beratungsgremium. Er ist ein Gremium, das Vorstände beruft oder entlässt, das den Haushalt genehmigt, das den Kauf oder Verkauf von Unternehmensteilen bewilligt, das die strategischen Linien festlegt. Es ist unmöglich, in einem Riesenkonzern ich sage mal überhaupt in diese Innereien hinein zu kommen. Das wird diese Vorfälle natürlich jetzt verändern.

    Fischer: In dem vorliegenden Fall ist die Spitzelei ja wohl herausgekommen, weil sich ein Mitarbeiter gegenüber dem neuen Telekom-Chef Obermann offenbart hat und weil der "Spiegel" dann darüber berichtete. Hätte dieser Mann nicht auch zum Aufsichtsrat gehen können?

    Falbisoner: Natürlich! Das Verschulden liegt ja nicht nur darin, dass die Telekom anscheinend den Auftrag gegeben hat, sondern auch der Mann hat sich ja schuldig gemacht, indem er diese Aufträge angenommen hat und so lange anscheinend still gehalten hat, so lange das Geld floss. Insofern hat die Medaille zwei Seiten.

    Fischer: Zum Geld möchte ich eben noch mal zurückkommen. Sie haben gesagt, es sei nicht unbedingt Aufgabe des Aufsichtsrates. Hier ist ja nun Geld geflossen, in mehreren Hunderttausend Euro. Aber dennoch sagen Sie, das ist kein Thema für den Aufsichtsrat. Ab welcher Summe wird es denn eines?

    Falbisoner: Man muss natürlich jetzt schon unterscheiden, von was wir reden. Es fließt immer Geld in einem Unternehmen. Es werden Zahlungen angewiesen, es werden Zahlungen gegengezeichnet. Der Aufsichtsrat ist nicht Geschäftsführer des Unternehmens, sondern legt wie gesagt die großen Linien fest, gemeinsam mit dem Vorstand, oder lehnt bestimmte Maßnahmen ab. Insofern ist es unmöglich, diese Details, diese Facetten überhaupt wahrzunehmen. Dass natürlich, wenn ein Unternehmen ich sage jetzt strategische Einkäufe im Ausland macht und sehr viel Geld fließt, dass das ein Thema für den Aufsichtsrat ist, ja sogar sein muss, weil er es bewilligen muss, ist natürlich selbstverständlich.

    Fischer: Ich verstehe daraus, die Kontrolle besteht darin, dass im Vorhinein Strategien festgelegt, besprochen werden, die aber dann nicht mehr kontrolliert werden? Habe ich das richtig verstanden?

    Falbisoner: Nein, nein. Das ist völlig verkehrt, sondern wir legen die großen Linien fest. Wir legen fest, ob sich die Telekom im Ausland beteiligt, hier oder da. Wir legen fest, ob das Unternehmen in diesem Bereich - Beispiel Mobilfunk oder so - diese oder jene Strategie fährt. Wir legen fest, ob dafür Investitionen getätigt werden oder nicht. Das was hier passiert ist ein Teil im Konzern, der natürlich in der Dimension, in der Größe verschwindend gering ist. Solche Flüsse werden nicht wahrgenommen. Insofern geht das auch aus keinem Geschäftsbericht hervor. Insofern kann man diese Zahlen ja auch so nicht nachlesen. Dass daraus Konsequenzen zu ziehen sind, da kann man natürlich sicher sein, dass wir solche Dinge in Zukunft anders beobachten werden.

    Fischer: Sie wollen den Datenschutz betrachten, haben Sie gesagt. Was könnte denn so schnell verbessert werden?

    Falbisoner: Zunächst muss man unterscheiden: Was ist derzeit schon möglich und was wurde mit kriminellem Aufwand getan. Beide Dinge darf man nicht verwenden. Die Telekom lebt davon, dass ihre Daten sicher sind. Ich gehe davon aus, dass dieser Auftrag der Telekom im Grundsatz auch wahrgenommen wird, ja wahrgenommen werden muss, weil sonst verlieren ja die Kunden das Vertrauen. Das was hier passiert ist, wurde mit kriminellen Machenschaften gemacht und da muss man jetzt unterscheiden: Welche Daten liegen zugrunde und was könnte man mit diesen Daten machen? Ich glaube eine Erfahrung, die derzeit auch diskutiert wird in der Bevölkerung, "Ja das ist ja unglaublich, was hier gemacht werden kann mit den Daten". Dass es hier kriminell passiert ist, ist ja eine ganz andere Frage. Ich glaube, dass wir eine neue Diskussion über Vorratsdatenspeicherung bekommen. Ich glaube, dass wir eine neue Diskussion über den Datenschutz generell bekommen, weil natürlich auch die Bürgerinnen und Bürger jetzt total verunsichert sind.

    Fischer: Der Telekom-Aufsichtsrat Josef Falbisoner. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen.