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Büro-Knigge
Du, Chef, ich hab da mal 'ne Frage

Du oder Sie? Vor allem Berufseinsteiger sind oft unsicher, welche Anrede bei den neuen Kollegen die richtige ist. Dabei gibt es ganz klare Regeln, wann man jemanden duzen sollte und wann besser nicht. Was zu beachten ist, weiß Lis Droste, Trainerin für Stil und Etikette von der Frankfurter School of Finance.

Von Afanasia Zwick | 12.10.2015
    Eine Frau siniert über eine noch nicht geklärte Frage
    Wie soll man sie bloß ansprechen, die neuen Kollegen? (imago/Indiapicture)
    "Es gibt ein paar bei uns in der Firma, die sich nicht duzen lassen möchten, partout nicht - das schafft ziemlich viel Distanz und man ist sich manchmal auch unsicher, wie locker man sprechen kann miteinander." - "Ich arbeite in einer Agentur, also der Praktikant duzt den Geschäftsführer, der Geschäftsführer duzt den Praktikanten." - "In der Regel siezen wir immer noch, das finde ich ganz gut." - "Siezen ist sehr unpersönlich. Das ist eine falsche Formalität." - "Wir duzen uns auf der Arbeit. Außer zum Vorgesetzten. Die Respektsperson sollte man ruhig noch siezen. "
    Ob Gastronom, Banker oder Arzt – viele Frankfurter Angestellte sind sich uneinig, ob sich im Job eher das "Du" oder das "Sie" als Anrede gehört. Doch klar ist: Wer sich duzt, hat das "Du" entweder direkt beim Einstieg angeboten bekommen oder sich viele Gedanken im Vorfeld gemacht:
    "Ich bin da sehr sorgfältig darauf bedacht, die Signale auch abzuwarten: Es hat was mit Alter zu tun, mit Rangstellung des anderen, mit der Gelegenheit. Und wenn das dann alles zusammenpasst, dann kann man das 'Du' auch anbieten und diese Gelegenheit muss man abwarten." - "Ich bin da nicht so schnell, sondern wirklich erst, wenn ich mir sicher bin, dass ich den oder die andere nicht in eine Bedrängnis bringe, zustimmen zu müssen, obwohl sie es gar nicht möchten." - "Wenn ich da an meine Zeit denke als relativ junger Mitarbeiter, da kam es mir seltsam vor, wenn ich dann sehr alt gediente Mitarbeiter plötzlich duzen sollte. "
    Das oberste Gebot
    Lis Droste, Trainerin für Stil und Etikette, kennt die Duz-und Siez-Regeln. In der Frankfurt School of Finance lehrt sie Berufseinsteigern das oberste Gebot:
    "Im Geschäftsleben geht es immer nach Hierarchie. Der Chef entscheidet, welcher Ton in seiner Abteilung oder in seiner Firma herrscht."
    Regel Nummer eins heißt also: Selbst wenn der Chef jünger ist als sein Mitarbeiter, sollte immer nur der Chef beziehungsweise der Vorgesetzte das "Du" anbieten. Für Berufsanfänger bedeutet das:
    "Der Newcomer ist immer derjenige, der abwartet. Das wäre sehr unhöflich, wenn man als Newcomer, dem Chef das 'Du' anbieten würde. Dann würde man gleich Minuspunkte einsammeln. "
    Unter Kollegen mit gleichen oder ähnlichen Kompetenzen gilt: Der Dienstältere bietet das "Du" an, sagt Droste. Das Geschlecht spiele im Beruflichen keine Rolle.
    Die richtige Gruppen-Ansprache
    Regel Nummer zwei betrifft die Gruppen-Ansprache. Zum Beispiel die Einladung zur Weihnachtsfeier per Mail. Wie spricht man eine Gruppe an, aus der man mit ein paar per "Du", mit ein paar per "Sie" ist?
    "Die Antwort ist eindeutig: "Sie". Und es ist auch wichtig, dass man in der Mehrzahl siezt."
    Man freut sich also auf "Ihr" nicht auf "euer" zahlreiches Erscheinen. Doch gerade Betriebsfeste könnten so einige Fallstricke mit sich bringen, sagt die Knigge-Ratgeberin Lis Droste:
    "Vor allem, wenn dann ein Vorgesetzter oder eine Vorgesetzte mal einen zu viel getrunken hat und dann sich mit allen verbrüdert hat, dann sollte man doch am nächsten Tag erst mal vorsichtig abwarten und dem nicht gleich kumpelhaft auf die Schulter hauen und sagen: 'Na, hast du auch so einen dicken Kopf wie ich heute?' Da sollte man erst mal vornehme Zurückhaltung üben und mal sehen, wie der andere sich verhält. "
    Vorsichtige Formulierungen
    Denn für das Duz-Angebot sollte man Regel Nummer drei beachten: Nüchtern sein und immer ein Hintertürchen offenlassen - Droste formuliert das so:
    "Ich finde Sie sind so eine nette Kollegin oder so ein netter Kollege, wir könnten uns eigentlich duzen. Ich könnte aber auch verstehen, aufgrund der Tatsache, dass wir so viel Kundenverkehr haben, dass Sie lieber beim 'Sie' bleiben möchten. "
    Das Nein zum "Du" wäre daraufhin für niemanden unangenehm. Dennoch sollte man genau abwägen, wem man das "Du" anbietet und von wem man es annimmt. Manche Angestellten bereuen ihre Entscheidung:
    "Manche Leute verlieren dann dadurch bisschen Distanz. Durch diese Duzen werden sie ein bisschen übergriff." - "Ich hatte es kürzlich, dass ich jemandem das 'Du' angeboten habe und er dann zu mir gesagt hat: nee, lassen wir es bei dem 'Sie'. Da war ich brüskiert." - "Wenn ich mich richtig erinnere, bin ich über diese Vorstellung hinweg gegangen und habe dann wieder mit einem 'Sie' geantwortet. Ich glaube, ich hab dann einfach das Thema gewechselt. "
    Für Unentschlossene gibt es auch die hanseatische Variante aus dem Vornamen plus der Anrede "Sie". Oder das temporäre "Du", sagt Stil-Trainerin Droste:
    "Es gibt zum Beispiel beim Golf das Tages-Du. Da trifft also der Rechtsanwalt seine Mandanten, da trifft der Arzt seine Patienten und auf dem Golfplatz sind alle per 'Du'. Aber wenn man sich dann beruflich wieder trifft, dann ist es selbstverständlich, dass man dann auch wieder beim 'Sie' ist."
    Fest steht: Wer einmal per "Du" ist, bleibt per "Du". Rückzieher ausgeschlossen!