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Bürohochhäuser überschatten den Denkmalschutz in Bukarest

In Rumänien haben Investoren immer wieder Ausnahmen bei Bauvorschriften erhalten, bis diese untersagt wurden. Eine links-liberale Mehrheit im Parlament will das wieder ändern. Gegner befürchten nun weitere Bausünden in der Hauptstadt Bukarest und fordern Präsidenten Basescu auf, das Gesetz nicht zu unterschreiben.

Von Annett Müller | 05.03.2013
    Vasilica Rosca meidet ihren Balkon. Dort ist es finster wie in einem Kellerraum. Anstelle des früheren Gartens steht eine Häuserwand - zum Greifen nah. Ein italienischer Investor lässt hier ein Bürohochhaus bauen. Roscas Balkon und ihr Küchenfenster sind beim Bau zugemauert worden:

    "Früher hatte ich hier viele Blumen. Wie sollen die ohne Licht existieren? Ein Mensch kann erst recht nicht ohne Licht auskommen. Ich fühle mich hier wie in einem Gefängnis, und das in meinem eigenen Zuhause."

    Die zentrumsnahe Gegend, in der Rosca wohnt, ist Teil einer denkmalgeschützten Zone in Bukarest. Hier gelten besonders restriktive Bauvorschriften. Doch die Verwaltung des Stadtbezirks hat eine Ausnahme gemacht. Was Vasilica Rosca passiert ist, ist kein Einzelfall. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich die Innenstadt von Bukarest stark verändert. Nach Schätzung von NGOs wurden rund tausend architektonisch wertvolle Häuser in der Altstadt abgerissen, um lukratives Bauland für Investoren zu schaffen.

    Nicht nur griechische Banken, die über eine Milliarde Euro in den Immobilienmarkt pumpten, hatten ein Interesse daran. In der Immobilienbranche tummeln sich auch viele einheimische Landes- und Lokalpolitiker, erzählt Aktivistin Roxana Wring von der Denkmalschutz-Initiative "Pro.Do.Mo":

    "Die Vermögenserklärungen von Politikern beweisen, dass viele mit Immobilien- und Grundstücksspekulationen ihren Reichtum erlangt haben. Sie haben ein sehr großes Interesse, dass die Gesetze im Städtebau sehr lax formuliert sind, und das Maximum erlaubt ist."

    Lax gehandhabt wurde in der Vergangenheit vieles. In der Innenstadt entstanden etliche hohe Bürobauten - ein gravierender Kontrast zur Altstadt. In den denkmalgeschützten Bereichen hätten die Stadtbehörden solche Bauten eigentlich untersagen müssen. Doch genehmigten sie den Investoren in den vergangenen Jahren Tausende Ausnahmen, viele davon halten Experten für fragwürdig. Aktivistin Roxana Wring vermutet, dass dafür Schmiergeld geflossen ist:

    "Nennen Sie mir eine Stadt in Europa, wo die Investoren tun und lassen können, was sie wollen. Und das alles nur, weil sie das Geld haben. Von ihren Bauwerken profitieren sie und natürlich die korrupten Beamten, die ihnen die Genehmigungen erteilen. Doch das ist Kapitalismus aus dem 19. Jahrhundert - wo der Reichste das Sagen hat."

    Ein Dringlichkeitserlass der Regierung sollte schon 2011 dem zügellosen Bauboom Grenzen setzen. Doch das Parlament, in dem inzwischen die linkliberale USL die Mehrheit hat, kippte die Regelung. Sie sei zu restriktiv gewesen, meint Abgeordneter Eduard Martin von den regierenden Sozialdemokraten, der die Initiative angeschoben hat:

    "Warum befinden wir uns in der Wirtschaftskrise? Warum haben die Investitionen auf dem Immobilienmarkt einen Tiefpunkt erreicht? Wenn wir die Gesetze zu eng fassen, dann nimmt der Investor natürlich sein Geld und gibt es in einem anderen Land aus."

    Ein Szenario, das Nichtregierungsorganisationen für übertrieben halten. Sie befürchten vielmehr, dass die Ausnahmen wieder zur Regel werden und die Korruption in den Stadtverwaltungen blüht. Abgeordneter Martin fühlt sich dafür nicht zuständig. Wer mit den Baugenehmigungen nicht einverstanden sei, könne sich doch beschweren gehen, meint er.

    Vasilica Rosca ist mit ihrer Beschwerde bei der Stadtverwaltung auf taube Ohren gestoßen. Die 49-Jährige ist deshalb mit der Hausgemeinschaft vor Gericht gezogen, um gegen den Investor und die Stadtbehörde zu klagen. Einen Teilerfolg haben sie bereits erreicht. Das Gericht hat einen vorläufigen Baustopp verhängt:

    "Der Investor dachte, wir würden alles brav schlucken. Wir haben ihm also eine kleine Überraschung beschert. Wir glauben, dass es besser ist, sich zu wehren, damit die anderen lernen, dass sie die Gesetze zu respektieren haben."