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Bürokratiemonster oder sinnvolle Hilfe?

Vor einem halben Jahr ist das Gesetz zum Bildungs- und Teilhabepaket in Kraft getreten. Es soll bedürftigen Kindern die Möglichkeit geben, am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilzunehmen. Doch viele Eltern scheitern schon beim Ausfüllen des Antrages.

Von Claudia van Laak und Susanne Schrammar | 05.10.2011
    Ein Werbevideo für das Bildungspaket: Ein Mädchen namens Lara sitzt mit zwei Klassenkameraden und einem Englischlehrer in einem gemütlichen Arbeitszimmer – viel Holz, viele Bücher. Die Atmosphäre ist entspannt, der Englischunterricht macht Spaß, alle sind hoch motiviert.

    "Mitmachen möglich machen – das Bildungspaket" heißt es am Ende des vom Bundessozialministerium in Auftrag gegebenen Werbevideos. Die Botschaft ist klar: Bedürftige Kinder, die zuvor von Bildung, Musik, Sport, Ausflügen und einem warmen Mittagessen in der Schule ausgeschlossen waren, sind ab sofort dabei. Bundessozialministerin Ursula von der Leyen:

    "Jede Investition am Anfang des Lebens eines Kindes, wo es Zuwendung, wo es Verlässlichkeit, wo es sich angenommen sein fühlt, zahlt sich mehrfach aus im späteren Lebensverlauf und wir haben zum ersten Mal die Chance, konkret am Anfang eines Lebens eines Kindes auch deutlich zu investieren und nicht, wie es so oft ist, in die Reparatursysteme, später, wenn die Dinge schwierig geworden sind."

    Vor einem halben Jahr, am 1. April, ist das Gesetz zum Bildungs- und Teilhabepaket in Kraft getreten. Davon profitieren Eltern, die Hartz IV-Empfänger sind, Asylbewerber, Wohngeld-, Kinderzuschlags-, und Sozialhilfeempfänger. Packen die Eltern das Bildungspaket aus, sprich, stellen sie die entsprechenden Anträge, kommen sie in den Genuss einer ganzen Reihe von Gutscheinen für ihre Kinder.

    Eltern erhalten einen Gutschein in Höhe von zehn Euro monatlich für Musikunterricht oder die Mitgliedschaft in einem Sportverein. Sie bekommen einen Zuschuss zum Mittagessen in Schule, Kindergarten und Hort. Für Ausflüge, Kita- oder Klassenfahrten ihrer Kinder brauchen sie nichts zu bezahlen, Fahrtkosten werden ebenso bezuschusst wie der persönliche Schulbedarf – Stifte, Hefte, Papier. Außerdem, so die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen:

    "Kinder, die in der Schule Probleme haben, kriegen Lernförderung, damit sie nicht in der Schule scheitern oder die Schule abbrechen, das ist ja der sichere Weg in die Langzeitarbeitslosigkeit gleich in der nächsten Generation."

    Dieses Bildungs- und Teilhabepaket ist das Ergebnis langwieriger Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen über eine Reform des Hartz-IV-Gesetzes. Diese war nötig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht im Februar 2010 die bisherige Regelung für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Karlsruher Richter mahnten an, die konkreten Kosten für den Schulbesuch und für die Teilhabe von Kindern am gesellschaftlichen und kulturellen Leben zu berücksichtigen. Zitat:

    "Ohne Deckung dieser Kosten droht hilfebedürftigen Kindern der Ausschluss von Lebenschancen."

    Um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, hatte die Politik im Wesentlichen zwei Möglichkeiten. Erstens: die Regelsätze für Hartz-IV-Bezieher zu erhöhen oder zweitens: Gutscheine für bestimmte Leistungen auszugeben. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat erzielte im Februar dieses Jahres folgendes Ergebnis: eine Erhöhung des Hartz-IV-Satzes um acht Euro in zwei Stufen, außerdem Gutscheine für bedürftige Kinder - das Bildungspaket.

    Bundessozialministerin Ursula von der Leyen hatte von Anfang an klar gemacht: nicht mehr Geld für die Eltern, sondern Sachleistungen für die Kinder. Damit gab sie einen wichtigen christdemokratischen Grundsatz auf. Familie gehe vor Staat, hieß es jahrzehntelang bei der Union, alle Eltern wollten das Beste für ihr Kind, sie könnten besser als der Staat einschätzen, was richtig ist für den Nachwuchs.

    Das Gesetz zum Bildungspaket geht von einem anderen Grundsatz aus. Es unterstellt, dass Empfänger von staatlicher Unterstützung das Geld nicht im Sinne ihrer Kinder ausgeben, sondern zum Beispiel für Zigaretten und Alkohol. Dies sei ein Misstrauensvotum gegen die Eltern, kritisiert der sozialpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion Markus Kurth.

    "Das Einfachste wäre sicherlich gewesen, den Regelsatz um einen entsprechenden Geldbetrag anzuheben und es dann den Eltern zu überlassen, wie sie das Geld vernünftig einsetzen und der ganz überwiegende Teil der Eltern hätte das auch zweifellos getan."

    Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten könnte die Bewertung des Bildungspakets unterschiedlicher nicht sein: auf der einen Seite Bundessozialministerin von der Leyen, die zwar Startschwierigkeiten zugibt, aber ihr Konzept grundsätzlich für richtig hält.

    Auf der anderen Seite diejenigen, die vor Ort das Bildungspaket umsetzen müssen. Ob Lehrer, Fußballtrainer oder die Antragsteller selber – alle klagen über den hohen Verwaltungsaufwand. Ursula von der Leyen hat immer bestritten, dass das Gesetz zu bürokratisch sei – und bei der entsprechenden Rede im Bundestag gleich einen Antrag mitgebracht.

    "Von wegen Bürokratie pur, ein Zettel, dieser Zettel reicht, da sind alle Dinge drauf, die notwenig sind, um das Bildungspaket zu bekommen, meine Damen und Herren, so wenig Bürokratie war noch nie, da passiert was, da ändert sich was für die Kinder."

    "Ich glaube, in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat es noch nie eine Sozialleistung gegeben, wo dieses Verhältnis zwischen Verwaltungsaufwand und ausgereichter Leistung in einem derart grotesken Missverhältnis stehen","

    sagt dagegen Markus Kurth, der sozialpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion. In seiner Heimatstadt Dortmund gebe es 30 Verwaltungsmitarbeiter, die sich mit nichts Anderem beschäftigten als mit der Umsetzung des Bildungspakets. Und damit trifft er ein zentrales Problem bei der Umsetzung des Gesetzes.

    Die Gemeinde Hasbergen im Landkreis Osnabrück. Eine beschauliche kleine Stadt am Rande des Teutoburger Waldes mit wenig Schulden und geringer Arbeitslosenquote. Doch in Hasbergen steige die Zahl der Alleinerziehenden kontinuierlich an, sagt Katrin Schmidt, die Leiterin des städtischen Kinder- und Familienservice-Büros. Sie schätzt, dass etwa jedes siebte Kind in Hasbergen Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung hat. Die Anträge dafür liegen im Rathaus aus.

    ""Abgeholt können die bei meiner Kollegin, die für den finanziellen Bereich im Familienbüro zuständig ist und für den Kindergarten und solche Geschichten, dann sind sie schon ganz schnell bei mir, zwei Türen weiter und sagen: Können Sie mal gucken, welche Kreuze muss ich denn jetzt machen?"

    Streng genommen ist Katrin Schmidt gar nicht zuständig. Eigentlich müssten sich die Hasberger mit ihren Fragen an die ausführenden Behörden im benachbarten Georgsmarienhütte oder Osnabrück wenden. Doch die Wege sind weit hier im Landkreis, und die wenigsten Alleinerziehenden könnten sich ein Auto leisten, sagt Katrin Schmidt. Also gibt sie Hilfestellung.

    "Für diese Familien ist jeder Antrag eine Herausforderung, und ich muss dann ja auch noch wissen, wo gehe ich hin und was brauche ich noch, damit dieser Antrag dann auch bewilligt werden kann und dann kommt irgendwann ein Gutschein, von dem ich als Mensch, der sich mit Papieren nicht auskennt und der gar nicht so viel lesen möchte, der gar nicht weiß, was soll ich denn jetzt mit einem Gutschein – mein Kind kriegt doch schon was zu essen?! – dann hakt es an der Stelle unter Umständen."

    Dabei habe der Landkreis Osnabrück die Antragsformulare sogar noch vereinfacht, erzählt Udo Afeldt, zuständiger Bereichsleiter bei "Maßarbeit" – einer Tochtergesellschaft des Landkreises, die sich als Jobcenter auch um die Umsetzung des Bildungspakets kümmert.

    "Wir haben also im oberen Bereich schlicht und ergreifend nur noch die persönlichen Daten des Antragstellers mit aufgenommen, haben dann darauf hingewiesen, welche einzelnen Komponenten es aus dem Bildungspaket gibt, die man dann auch beantragen kann und zu dem einzelnen Kreuzchen, was dann gesetzt wird, ist dann auch definiert, welche Unterlagen erforderlich sind, damit dieser Antrag bewilligt werden kann."

    "So wenig Bürokratie gab es noch nie" – wenn sich Afeldt an diesen Satz der Bundesministerin erinnert, muss der Abteilungsleiter unwillkürlich grinsen. Für die Antragsteller, sagt 42-Jährige, mag das vielleicht noch gelten. Doch nach deren Kreuzchen gehe in der Behörde die Riesen-Maschinerie los.

    Im Landkreis Osnabrück leben fast 360.000 Einwohner. Ein Recht auf Unterstützung aus dem Bildungspaket haben etwa 13.000 Kinder, deren Eltern Hartz IV, Sozialhilfe, Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen. Für die Praxis bedeutet dies zum Beispiel, dass die Leistungen auf Grundlage gleich zweier Gesetze vergeben werden: dem Sozialgesetzbuch 2 und 12.

    "Es war am Anfang sehr aufwendig. Wir mussten auch überlegen, wie wir mit den verschiedenen Schulen und Essensanbietern einen wirklich vereinfachten Weg finden, und wir müssen auch verschiedene Abrechnungsmodalitäten einhalten. Verflucht habe ich es nicht, aber es hat mir die ein oder andere schlaflose Nacht bereitet."

    Zunächst wurden Strukturen geschaffen: eine gemeinsame Abrechnungsstelle eingerichtet, EDV-Programme angepasst und Mitarbeiter geschult. Mehr als 10.000 Anträge seien seit Inkrafttreten des Gesetzes bei "Maßarbeit" eingegangen, 1.500 allein zu Schuljahresbeginn vor einem Monat, zählt Afeldt auf. Zeitarbeitskonten seien aufgestockt und sieben zusätzliche Mitarbeiter eingestellt worden. Und dennoch hätten die Antragsteller teilweise wochenlang auf die Gutscheine warten müssen, gibt der Abteilungsleiter zu.

    "Wir haben gemerkt, dass wir mit dem Personal, insbesondere im Bundeskindergeldbereich, nicht auskommen und steuern da jetzt gerade kurzfristig nach, nochmal mit anderthalb Kräften, um gerade dieser Antragsflut auch Herr zu werden."

    Anders als viele andere Kommunen kann sich der Landkreis Osnabrück diese Mehrkosten leisten. Die Anfangsschwierigkeiten bei der Umsetzung des neuen Gesetzes ordnet die zuständige Agentur "Maßarbeit" als normal ein. Von der Sinnhaftigkeit des Bildungspakets sei man überzeugt und das Projekt auf einem guten Weg.

    Ortswechsel. In der Geschäftsstelle des SC Melle 03 kümmert sich Erika Stock um die rund 6000 Mitglieder im größten Sportverein des Landkreises Osnabrück. Damit ist die 46-Jährige auch zuständig für diejenigen, die mit einem Gutschein zum Mitmachen hier Fußball spielen, Ballett tanzen oder eine Kampfsportart lernen können. 66 Anträge sind seit Einführung des Teilhabepakets beim Verein eingereicht worden. Das klinge nicht nach viel, sagt Erika Stock, doch mache die Bearbeitung der Anträge im Moment etwa ein Drittel ihrer Arbeitszeit aus.

    "Das heißt, dass ich erstmal den Gutschein ausfülle, da ist ein Betrag angelegt, dann ist da ein Abrechnungsbogen dabei, der muss ausgefüllt werden, dann muss ich das Mitglied für den Zeitraum beitragsfrei stellen. Es muss alles einzeln berechnet werden, jeder Abrechnungsbogen muss einzeln ausgefüllt werden, Berechnungen nochmal nachgeprüft werden, eventuell Rückerstattungen – diese Einzelfallentscheidungen, die halten sowas einfach auf."

    Die Vereine freuen sich, dass sozialschwache Kinder zum Sport gebracht werden, können aber den hohen Aufwand für das Bildungspaket kaum bewältigen. Nur wenige haben eine Geschäftsstelle, deren Mitarbeiter sich um die Umsetzung kümmern können. Das müsste, findet Erika Stock, alles viel einfach gehen.

    "Ja, die Kinderschuhe passen halt noch gar nicht."

    Das sieht in Großstädten wie Berlin nicht anders aus.

    Die Familienberatungsstelle der Diakonie in Kreuzberg. Mütter und Väter können sich hier nachmittags bei Kaffee und Kuchen beraten lassen, während ihre Kinder betreut werden.

    Sabine Schulz, selber alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, bastelt mit Melissa, Melike und Tinaf einen Drachen – das gehört zu ihrem 1-Euro-Job. Die 43-Jährige erhält Arbeitslosengeld II und hat damit ein Anrecht auf Leistungen aus dem Bildungspaket. Doch bei dem Wort "Bildungspaket" schüttelt Sabine Schulz energisch den Kopf.

    "Nein, das hilft mir überhaupt nicht, weil das macht mehr Stress, als dass es hilft, und es diskriminiert die Kinder."

    Die anderen Mütter nicken, alle hier haben Erfahrungen mit dem Bildungspaket gemacht, die meisten schlechte. In Berlin gilt: Alle Berechtigten müssen sich zunächst einen sogenannten Berlin-Pass besorgen. Nur wer ein solches Dokument mit Passbild vorweist, kann im nächsten Schritt Zuschüsse zum Mittagessen, für Musik- oder Sportunterricht oder Nachhilfe beantragen.

    Heidrun Ostenstadt hat genau das getan. Die politisch interessierte 36-Jährige nahm die Aufforderung von Ursula von der Leyen im Februar ernst und bemühte sich für ihren Sohn um Zuschüsse zum Mittagessen und zum Vereinsbeitrag.

    "Dann habe ich diesen Antrag bekommen, hab’ den ausgefüllt und bekam dann acht Wochen später einen Brief, das war dann im Mai, dass irgendwie noch nicht geregelt sei, wie und warum, woher dieses Geld fließt, und dass sie sich aber rechtzeitig und von alleine zurückmelden würden, sobald das klar sei."

    Die Monate gingen ins Land, nichts passierte. Keine Gutscheine für den Fußballverein, keine Zuschüsse für das Mittagessen, kein Brief vom Jobcenter.

    "Ich hab’ da dreimal nachgehakt von mir aus, bin da dreimal aufgelaufen, abgelehnt, abgewartet, und jetzt sind das acht Monate her oder was und ist noch nichts gekommen. Und jetzt gebe ich auf, das ist es mir nicht wert, ehrlich gesagt."

    Kein schöner Ausgang für Heidrun Ostenstadts Sohn. Allerdings, so erzählt sie, sei es dem 14-Jähringen auch peinlich, sich in der Schule, beim Mittagessen im Hort, im Fußballverein als Bedürftiger ausweisen zu müssen.

    Andere haben sich durchgekämpft, haben sogar rückwirkend Leistungen aus dem Bildungspaket beantragt und erhalten. Doch alle sagen: Aufwand und Nutzen stehen in keinem Verhältnis.

    Eierkuchen mit Apfelmus oder Spaghetti mit Tomatensoße – die Schülerinnen und Schüler der Berliner Heinz-Brandt-Sekundarschule haben an diesem Mittwoch die Wahl. 2,30 Euro kostet das Mittagessen. Bedürftige zahlen nur 1 Euro, die fehlenden 1 Euro 30 kommen aus dem Bildungspaket.

    Die Sache mit dem warmen Mittagessen funktioniert – freut sich Miriam Pech. Aber das sei auch das Einzige, was glatt laufe beim Bildungspaket, sagt die Schulleiterin und rollt dabei mit den Augen. Vier von zehn Kindern der Heinz-Brandt-Schule haben einen Anspruch auf Leistungen, aber nur wenige Eltern wüssten davon, vermutet Schulleiterin Pech.

    "Wir müssen jetzt erst einmal die Kinder eruieren, die einen Nachhilfebedarf haben, das ist meist nicht deckungsgleich mit den Kindern, die auch anspruchsberechtigt sind, also müssen wir erst die wieder rausfinden, und dann müssen wir Gruppen bilden, um dann mit unserem Nachhilfeträger, dem Lernwerk, auch zu gucken, wie wir das realisieren können."

    Die Lehrer müssen auch regelmäßig überprüfen, ob diejenigen, die Leistungen aus dem Bildungspaket für ihre Kinder beanspruchen, überhaupt dazu berechtigt sind. Grundlage dafür sind die Berlin-Pässe, die nach einem halben Jahr ihre Gültigkeit verlieren und immer wieder verlängert werden müssen – genau wie alle anderen Anträge zum Bildungspaket. Daniela Strezinsky, stellvertretende Schulleiterin:

    "Es ist offensichtlich, dass da viele nicht von alleine dran denken, wir sind also damit beschäftigt, jedem hinterher zu rennen und zu sagen, denken Sie bitte daran, das halbe Jahr ist schon wieder vorbei."

    Deshalb fragen sich nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer der Heinz-Brandt-Schule in Berlin-Pankow: Wer soll diese zusätzliche Arbeit erledigen? Zur Entlastung der Schulen versprach die Senatsbildungsverwaltung 40 neue Sekretärinnen. Bei Schulleiterin Miriam Pech ist keine angekommen.

    Eine aktuelle Umfrage des Deutschen Städtetages hat ergeben: Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Bildungspakets haben 36 Prozent der Berechtigten, also ein gutes Drittel, einen Antrag auf entsprechende Leistungen gestellt. Wie viele davon bewilligt wurden, ist unklar. Ursula von der Leyen ist mit dem erreichten Stand nicht zufrieden. Nach dem letzten Treffen des Runden Tisches zur Umsetzung des Bildungspakets im Juni sagte die Bundessozialministerin:

    "Das reicht natürlich noch nicht. Wir befinden uns gewissermaßen jetzt auf der Langstrecke eines Marathonlaufes, denn das Ziel ist, dass die Kinder ihren Rechtsanspruch auf Bildung und Teilhabe tatsächlich auch verwirklichen können, das heißt, dass die Leistung auch zum Kind kommt."

    Die kommunalen Spitzenverbände sehen dies etwas anders. Man sei mit der Entwicklung der Antragstellung zufrieden, heißt es beim Landkreistag. Und Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund lenkt den Blick auf die Verantwortung der Eltern.

    "Das ist nicht nur eine Bringschuld der Kommunen und des Staates, sondern auch eine Holschuld der Eltern. Kinder, die das nicht benutzen, weil die Eltern es nicht beantragen, die werden teilweise Bildungsverlierer sein und die Bildungsverlierer von heute sind die Hartz-IV-Empfänger von morgen."

    Dass die kommunalen Spitzenverbände nicht darüber klagen, dass sie die Umsetzung des Bildungspakets schultern müssen, hat einen guten Grund. Sie haben sich nämlich ihre Zustimmung zum Gesetz finanziell versüßen lassen. Der Bund nimmt den Kommunen nach und nach die Kosten für die sogenannte Grundsicherung im Alter ab – bei der wachsenden Altersarmut eine milliardenschwere Erleichterung für die Städte und Gemeinden.

    500 Millionen Euro stellt der Bund jährlich für das Bildungspaket zur Verfügung. Dass in diesem Jahr nur ein Teil dieses Geldes abfließen wird, dürfte heute schon feststehen. Im November trifft sich der Runde Tisch von Parteien und Verbänden erneut, um über den Stand der Umsetzung zu beraten. Das Bundessozialministerium hat jetzt erst einmal eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben.