Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Bütikofer empfiehlt Ausstieg aus "Enduring Freedom"

Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer hat ein stärkeres Engagement der Bundeswehr bei der Ausbildung der Polizei in Afghanistan gefordert. Die bisherigen Anstrengungen seien absolut nicht ausreichend, sagte Bütikofer. Insgesamt müssten bei den Einsätzen neue Schwerpunkte gesetzt werden.

Moderation: Elke Durak | 30.07.2007
    Elke Durak: Was haben es die FDP und die Grünen gut in diesen Tagen und Wochen. Alle wollen sie haben. Alle, die später zwar erst, aber doch einen Koalitionspartner brauchen, oder gar zwei. Wir wissen, die Union umarmt seit eh und je ganz heftig die FDP und nun gar nicht mehr so zaghaft auch so manchen Grünen. Kanzleramtsminister de Maizière sieht auf einmal familiäre Bande als mögliche Grundlage für schwarz-grüne Koalitionen. Er sagte, viele jüngere Grüne seien Kinder von CDU-Wählern, und wenn die daheim am Küchentisch gut miteinander auskämen, weshalb sollte das nicht auch politisch funktionieren?

    Das Ziel scheint klar. Allein die Begründung reizt zu Nachfragen auf der mit Verlaub einen Seite des Küchentisches, auch wenn mein Gesprächspartner längst selbst Vater ist, guten Morgen, Reinhard Bütikofer!

    Reinhard Bütikofer: Schönen guten Morgen. Ich grüße Sie!

    Durak: Wenn man das mal umdreht, was Herr de Maizière gesagt hat, dann könnte es ja sein, dass an Ihrem Küchentisch Ihnen die Kinder zur CDU davonlaufen.

    Bütikofer: Ich sehe im Moment nicht, dass das zu befürchten wäre, obwohl ich sicher wie alle andern Eltern auch hinnehmen müsste, wenn meine Kinder sich in eine andere Richtung entscheiden. Aber, ich finde die Sprache von Herrn de Maizière, so nett sie möglicherweise sogar gemeint ist, insoweit verräterisch, als er uns quasi damit kollektiv der jüngeren Generation zurechnet. Das erinnert mich irgendwie an die Zeit, in der die SPD meinte, die Grünen als eine Art Erweiterung der Jusos behandeln zu können. Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Diese Art der Annäherung ist, ist ein bisschen giftig.

    Durak: Welche Art der Annäherung der Union wäre denn besser?

    Bütikofer: Nun, eine, die das ernst nimmt, worum es uns im Kern geht. Eine, die zum Beispiel die Herausforderung einer durchgreifenden ökologischen Modernisierung unserer Art zu leben, zu arbeiten, zu konsumieren, tatsächlich auf die Agenda setzen. Und davon ist ja nichts zu sehen. Selbst bei der CDU Baden-Württemberg, die jetzt plötzlich ergrünen möchte, wie man liest, und sich neue Gedanken dazu macht, die das übrigens vor 20 Jahren auch schon mal gemacht hat, wo nichts bei rausgekommen ist, selbst dort wird ja diese ganze Frage der ökologischen Erneuerung immer noch so ein bisschen als Wunschkonzert behandelt nach dem Motto "Was hätten wir denn gerne?" Heute nehmen wir mal ein bisschen vielleicht doch Verteuerung des Luftverkehrs, kann man mal drüber nachdenken, aber beim Auto passiert nun gar nichts." Oder, so, nach dieser Methode wird ja kein Stück draus. Ich glaube, was da noch niemand begriffen hat, ich sehe keine Ökologen bei der Union, der in der Lage wäre, zu sagen, es geht um eine ökologische Erneuerung ohne Wenn und Aber. Das ist jetzt nur ein Bereich. Dann können Sie die Bürgerrechte nehmen. Deswegen glaube ich, die Diskussion nach dem Motto "wer mit wem?" ist nicht so spannend. Die Frage ist nicht wirklich "wer mit wem?", sondern "was für wen?".

    Durak: Und was würden Sie für wen mit welcher Partei am besten erreichen wollen? Mit der SPD oder mit der Union?

    Bütikofer: Na ja, wenn Sie ökologische Erneuerung, Atomausstieg als ein Thema nehmen, da gibt es auch in der SPD nicht (im Hörprotokoll unverständlich, Anm. d. Red.). Da können Sie den Herrn Steinbrück nehmen oder den Herrn Tiefensee, die da beide regelmäßig auf der Bremse stehen, wenn irgendein Vorschlag ernsthaft diskutiert werden soll. Aber es gibt da eben auch einen Hermann Scheer, es gibt einen Umweltminister. Das heißt, es gibt bei der SPD jedenfalls ein Lager, das an diese Bewegung der Erneuerung, die wir repräsentieren, andocken will. Das ist eine andere Voraussetzung. Dann bei sozialen Fragen ist relativ klar, wir kommen in Deutschland ohne Mindestlohnregelungen nicht hin, wenn wir nicht zulassen wollen, dass mehr und mehr Leute durch Lohndumping ins Abseits getrieben werden. Das wäre für uns, also das steht jetzt schon mal pars pro toto für die ganzen sozialen Arbeitsmarktfragen. Das wäre für uns zum Beispiel auch ein wichtiges Kriterium.

    Durak: Nun hat Ihnen Ihr potenzieller, potenzieller Koalitionspartner SPD in Gestalt des Vorsitzenden einen richtigen Stolperstein in den Weg gelegt, nämlich die FDP, die käme erschwerend hinzu, die Jamaika-Koalition, die berühmte. Das hatten wir alles schon mal, diese ganze Diskussion. Sie gelten eher als Ampelmann. Weshalb?

    Bütikofer: In einer denkbaren Konstellation mit CDU, CSU, FDP und Grünen. Wenn Sie sich das heute angucken, wie sich die Parteien öffentlich präsentieren mit ihren Programmen, mit ihren Zielen, müssen Sie doch sagen, in den allermeisten Fragen stünde es da in einer Koalition eins zu drei. CDU, CSU und FDP wären in fast allen wichtigen Fragen auf der anderen Seite.

    Durak: Das ist Jamaika?

    Bütikofer: Das wäre Jamaika. Warum soll das für uns attraktiv sein? Wir wollen was bewegen, wir wollen nicht sozusagen das fünfte Rad am Wagen sein bei einem Prozess, der in die falsche Richtung rollt.

    Durak: Und was liefe besser bei einer Ampel?

    Bütikofer: Na, ich meine, ich sag nicht, dass der Ampelmann Idealzustand ist. Ideal wäre grüne Alleinregierung, das sollten Sie mal sehen.

    Durak: Na dann man tau.

    Bütikofer: Aber da man das möglicherweise nicht gleich kriegt 2009, wird man dann prüfen müssen, und das meine ich so nüchtern, wie ich es sage, mit wem am meisten im Ende umsetzbar ist. Und da wird man alles gegeneinander wägen. Und da wird man auch wägen, ob möglicherweise unser wichtigster Beitrag dann doch darin liegt, Opposition zu machen gegen eine stagnierende verkrustete Politik, die sich nicht hinreichend bewegt. Auch das werden wir ernsthaft prüfen.

    Durak: Ein strittiger Punkt, Herr Bütikofer, mit allen Parteien, zwischen allen Parteien, in allen Parteien ist auch die Außen- und Verteidigungspolitik. Mehr die Verteidigungspolitik, wenn man den Afghanistaneinsatz vornehmlich darunter subsummiert. Sollen mehr Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan geschickt werden? Das ist auch Thema heute wieder.

    Bütikofer: Sehen Sie, wir haben schon seit längerer Zeit als Grüne festgestellt, das Maß an Anstrengung, das aufgewendet worden ist, um etwa die afghanische Polizei auszubilden und in die Lage zu versetzen, ihren Teil der Sicherheitsverantwortung selber zu übernehmen, das hat bis jetzt absolut nicht ausgereicht. Und deswegen ist jetzt die EU mit ins Boot gekommen und hat gesagt, wir helfen mit bei dieser Aufgabe, die ursprünglich Deutschland alleine übernommen hatte, aber nie mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit verfolgt hat bis jetzt. Da muss mit Sicherheit mehr getan werden. Auf der anderen Seite sehe ich dieses Nebeneinander von "Operation Enduring Freedom", also dem ursprünglichen Antiterroristenmandat, und dem anderen Mandat zum Aufbau des Landes, also ISAF, dieses Nebeneinander sehe ich nicht mehr als hilfreich an, sondern sogar als schädlich. Und ich glaube nicht, dass wir dieses Mandat für "Operation Enduring Freedom" fortsetzen sollten. Insofern geht es nicht so sehr um die Frage der Quantität alleine, sondern es geht um die Frage der Qualität, was dort gemacht wird, und da müssen neue Schwerpunkte und neue Akzente gesetzt werden. Sonst wird es nicht funktionieren.

    Durak: Reinhard Bütikofer, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Danke, Herr Bütikofer für das Gespräch.

    Bütikofer: Danke ebenso, Frau Durak.