Trotz mehrfacher Anmahnungen im Rahmen von Behördengesprächen und durch den Bundesumweltminister ist es immer noch gängige Praxis, UBA-Kommentare ohne weitere Begründung n i c h t an die EU-Kommission und deren Arbeitsgruppen weiterzuleiten.
In der Aktennotiz wird als Beispiel der Wirkstoff "Azinphos-Methyl" genannt. In Deutschland ist das Insekten-Bekämpfungsmittel seit Jahren verboten. Es ist hochgiftig und tötet auch Nützlinge.
Gleichwohl könnte der Insekten-Killer ein Comeback erleben. Denn auch Altstoffe wie Azinphos-Methyl stehen in Brüssel nach einer EU-Richtlinie noch einmal auf dem Prüfstand. Fällt die Bewertung positiv aus, landet die Substanz im Anhang I der Richtlinie. Damit ist sie praktisch europaweit zulassungsfähig.
Im Fall von Azinphos-Methyl muss Deutschland berichterstatten und die Ergebnisse der Prüfung in einem Stoff-Report zusammenfassen, "Monographie" genannt. Mindestens achtmal hat das Umweltbundesamt in den letzten dreieinhalb Jahren Stellung zu dem Ackergift genommen. Und sich immer wieder gegen das Insektizid ausgesprochen. Genutzt hat es bis heute nichts, beklagt Trittins Fachbehörde. Das gelte auch für andere Wirkstoffe, die Deutschland federführend bearbeitet:
Die Stellungnahmen des Umweltbundesamtes werden seitens der Biologischen Bundesanstalt gar nicht oder erheblich modifiziert in die Monographien integriert. Die Bewertungen antragstellender Unternehmen werden dagegen unbeanstandet übernommen.
In Brüssel arbeiten Expertenkreise auch an einheitlichen Standards für die Bewertung und Zulassung von Pestiziden. Auch dafür, so heißt es in dem Vermerk, würden nur Mitarbeiter der BBA herangezogen.
... ohne dass das Umweltbundesamt als umweltwissenschaftliche Fachbehörde der Bundesregierung hierauf entscheidungs-erheblichen Einfluss nehmen könnte.
Im Klartext heißt das wohl: Bekannte ökologische Risiken von Substanzen wie Azinphos-Methyl werden ausgeklammert, die Umweltstandards heruntergeschraubt. Im Umweltbundesamt fürchtet man, dass dadurch noch ganz andere Altstoffe wieder salonfähig werden:
So wurden zum Beispiel für die Wirkstoffe ATRAZIN und FENTHION auf der Grundlage der gemeinschaftlichen Bewertungskonzepte Vorschläge für eine Aufnahme in Anhang I unterbreitet, ohne dass Deutschland diesem durch das federführende Ressort widersprochen hätte.
Beide Pestizid-Wirkstoffe sind in Deutschland verboten - "Atrazin" schon seit zehn Jahren. Es ist das Pflanzenschutzmittel, das sogar heute noch am häufigsten in Gewässern auftaucht. Und auch "Fenthion" hält das Umweltbundesamt für "besonders kritisch". Es zählt wie Azinphos-Methyl zur Gruppe der sogenannten Organophosphate. Von ihnen sagen Naturschutzverbände, sie müssten eigentlich schon längst weltweit geächtet sein - wegen ihrer hohen Giftigkeit. So können auch Vögel durch "Fenthion" zu Tode kommen.
Von der Hinhalte-Taktik der obersten deutschen Agrar-Beamten hat auch der Naturschutzbund Deutschland erfahren. Und sich gleich in einem Brief bei Verbraucherschutz-Ministerin Künast beschwert - über die, so wörtlich, "durch offensichtliche Tricks herbeigeführte Wiederzulassung [von Pestiziden] durch die Hintertür".
Das Verbraucherschutzministerium erklärte auf Anfrage, es nehme die Vorwürfe ernst und wolle ihnen auf jeden Fall nachgehen. Das sei ad hoc nicht möglich gewesen und benötige etwas Zeit. Außerdem sei es der feste politische Wille von Renate Künast, Pflanzenschutzmittel, die in Deutschland verboten sind, auch von der Positivliste der EU zu verbannen .