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Bund der Versicherten will Kürzungen bei Lebensversicherungen nicht hinnehmen

Verfassungsrechtliche Ansprüche von Lebensversicherungsnehmern könnten nicht "runtergerechnet werden", sagt Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten. Durch die neue Verordnung müssten Kunden mit mehr Einschnitten als nur fünf Prozent rechnen, ergänzt er.

Jule Reimer im Gespräch mit Axel Kleinlein | 14.12.2012
    Jule Reimer: Haben Sie eine Lebensversicherung abgeschlossen? Wahrscheinlich. Immerhin gibt es 93 Millionen Verträge in Deutschland. Doch Ihre Lebensversicherung wird weniger Geld bringen, gesetzlich verordnet durch die Bundesregierung und in Kraft ab dem 21. Dezember 2012. Die Begründung: Wegen der niedrigeren Zinsen, zum Beispiel auf sichere Staatsanleihen, sind langfristig die Auszahlungen gefährdet. Im Durchschnitt mussten die Versicherer 2012 nämlich höhere als die herrschenden Zinsen erwirtschaften, weil sie ja auch die höheren Zusagen aus früheren Jahren erfüllen müssen. - Ich bin verbunden mit Axel Kleinlein. Er ist Vorsitzender des Bundes der Versicherten, also der Interessenvertretung der Versicherten. Herr Kleinlein, wer ist von diesen Abschlägen betroffen, wenn die neue Regelung am 21. Dezember in Kraft tritt?

    Axel Kleinlein: Eigentlich alle Personen, die in irgendeiner Art und Weise einen Vertrag mit einem Lebensversicherungsunternehmen haben, also diejenigen, die eine klassische Kapitallebensversicherung, private Rente, Riester-Rente, Rürup-Rente, Ausbildungsversicherung und so weiter haben.

    Reimer: Das heißt, diejenigen, deren Verträge 2013/2014 in Kraft treten, wird es besonders erwischen?

    Kleinlein: Grundsätzlich wird es alle gleichermaßen erwischen, deren Verträge irgendwann in der Zukunft auslaufen. Für die Verträge in 2013 und 2014 wird es natürlich jetzt sehr deutlich und sehr offenbar, denn dort bekämen die Kunden meistens schon das, was eigentlich in der Vergangenheit prognostiziert wurde, und jetzt werden sie feststellen, da wird ein ganz großes Stück abgeschnitten.

    Reimer: Was schätzen Sie denn, wie hoch wird das sein?

    Kleinlein: Von der gesamten Ablaufleistung können das fünf Prozent, zehn Prozent durchaus der Gesamtsumme sein, mit denen die Kunden eigentlich mittlerweile gerechnet haben. Das wird sich schmerzlich deutlich machen.

    Reimer: Nun gibt es ja gute Gründe, die angeführt worden sind. Die Zinserträge sind einfach nicht mehr so hoch wie in der Vergangenheit. Das heißt, die Versicherungsunternehmen müssen ja auch wirklich in der Tat Vorsorge treffen. Warum sind Sie dann gegen diese Einschränkungen?

    Kleinlein: Die Versicherungsunternehmen stehen überhaupt nicht so schlecht da, wie es immer wieder im Moment behauptet wird. Sie stehen bei Weitem nicht mit dem zur Wand, sondern da ist noch ein gutes Stück Puffer. Das liegt daran, dass die Versicherungsunternehmen, wenn sie erst mal Probleme haben, die erst mal auf die Kunden abwälzen, durch eine niedrigere Überschussbeteiligung, sodass die Unternehmen selber recht stabil dastehen. Also was man festhalten kann: Den Unternehmen geht es gut, den Kunden der Unternehmen geht es aber eher schlecht, weil die Überschüsse runtergefahren werden. [Anm. der Redaktion: Die letzten zwei Sätze der Antwort können wegen technischer Probleme während des Gesprächs nicht wiedergegeben werden].
    Reimer: Jetzt haben wir ein technisches Problem mit dem Handyempfang. Aber wir versuchen es doch noch mal. Eine Härtefallregelung hat die Bundesregierung ja auch nach zahlreichen Protesten angekündigt. Sie soll die Versicherten vor zu hohen Einschnitten schützen. Da ist die Rede, die Abschläge sollten auf fünf Prozent beschränkt werden. Halten Sie das für realistisch?

    Kleinlein: Das ist überhaupt nicht realistisch, denn diese neue Regelung ist sehr undurchschaubar. Ich habe sie selber noch überhaupt nicht gesehen, ich kenne auch niemanden, der wirklich die konkrete Umsetzung kennt. Es ist unverständlich auch für die Politiker, die heute im Bundesrat darüber entscheiden sollen, was denn da tatsächlich passieren soll. Das, was wir aber auf jeden Fall schon mal wissen ist, dass es eine ganze Reihe von Kunden gibt, die erheblich mehr Einschnitte als nur diese ominösen fünf Prozent hinnehmen werden müssen.

    Reimer: Aber Sie wissen nicht genau, ob es mehr werden? Sie haben ja mal von acht Prozent gesprochen.

    Kleinlein: Dabei stützen wir uns auf ein Papier, das aus dem Finanzministerium auch mal herausgegeben wurde. Aber wie gesagt, das Problem ist: Diese Verordnung, in der das Ganze festgelegt werden soll, die ist alles andere als leicht zu verstehen. Und wie gesagt, der endgültige Verordnungsentwurf, der ist immer noch nicht veröffentlicht, den kennt noch niemand. Und so gesehen sind wir sehr, sehr skeptisch, dass hier überhaupt etwas für die Verbraucher erreicht wird.

    Reimer: Sehen Sie denn die Möglichkeit, dass man sich wehren kann als Verbraucher als Versicherungsnehmer?

    Kleinlein: Wir werden natürlich genau prüfen, wie wir hier mit einem Gerichtsverfahren gegen diese Neuregelungen vorgehen können. Wir haben ja damals 2005 vorm Verfassungsgericht erstritten, dass es eine Beteiligung an den Bewertungsreserven gibt, und wir werden das nicht einfach so hinnehmen, dass mittels eines Ministerentscheids in einer Verordnung einfach verfassungsrechtliche Ansprüche runtergerechnet werden.

    Reimer: Der Bundesrat will heute die Bundesregierung auffordern, diese Abschläge bei Versicherungsverträgen abzuschwächen. Haben Sie da noch Hoffnung, dass da irgendwas kommt?

    Kleinlein: Im Moment ist das ein einzigartiger Vorgang, was im Rahmen dieses Gesetzes läuft. Deswegen möchte ich nichts ausschließen. Aber die Hoffnung ist nicht besonders groß. Es ist erstmalig so, dass ein schon verabschiedetes Gesetz noch mal im Finanzausschuss des Bundestages diskutiert wurde, dass dann versucht wird, über den Bundesrat dieses Gesetz noch mal neu einzufangen. Und Sie müssen sich vor Augen halten: Hier hat sogar die CDU-Basis auf dem Parteitag der Kanzlerin ins Gebetsbuch geschrieben, dass sie dieses Gesetz zurücknehmen soll. Davon ist aber natürlich nicht mehr die Rede.

    Reimer: Die Bundesregierung hat Abschläge auf Lebensversicherungen verordnet. Harsche Kritik dazu kommt von Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.