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Bund der Vertriebenen fordert Machtwort der Kanzlerin im Fall Steinbach

Bundeskanzlerin Merkel (CDU) soll Außenminister Guido Westerwelle (FDP) dazu bewegen, der Entsendung Erika Steinbachs in die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung zuzustimmen: "Wenn sie sich an das hält, was sie vor der Wahl gesagt hat", fordert BdV-Vize Albrecht Schläger.

23.11.2009
    Jasper Barenberg: Angela Merkel gilt als gewiefte Taktikerin. Ob das auch für den Streit um Erika Steinbach zutrifft, das muss sich allerdings erst noch erweisen. Derzeit sieht es eher danach aus, als habe sich die Kanzlerin in eine Sackgasse manövriert. Eine Einigung in dem Streit jedenfalls ist nicht in Sicht. Soll die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen einen Sitz im Rat der geplanten Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung einnehmen? Seit einem Jahr wird darüber gestritten. In ihrem Wahlprogramm hat sich die Union klar zu Erika Steinbach bekannt. Außenminister Guido Westerwelle aber, der FDP-Politiker, er hat sein Veto im Kabinett angekündigt. Wie könnte ein Ausweg aus der verfahrenen Situation aussehen? – Am Telefon begrüße ich jetzt Albrecht Schläger, Sozialdemokrat und Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen. Einen schönen guten Morgen, Herr Schläger.

    Albrecht Schläger: Schönen guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Schläger, Ihr Parteifreund, Ihr Parteigenosse, wenn ich so sagen darf, Frank-Walter Steinmeier, der frühere Außenminister und jetzige Fraktionschef der SPD im Bundestag, er hat Frau Steinbach ja in den vergangenen Tagen mehrfach aufgefordert, im Interesse der Versöhnung mit Polen auf einen Sitz im Beirat zu verzichten. Wäre das nicht eine Sache im Dienste der Versöhnung, wenn sie verzichten würde?

    Schläger: Schauen Sie, dieser Sitz ist eigentlich für die deutsch-polnische Aussöhnung so unwichtig, wie nur was, denn erstens mal ist es eine deutsche Stiftung, um die es da geht, und außerdem: Wenn wir auf Befindlichkeiten aller Vertreiberstaaten eingehen würden, dann könnten wir gleich einpacken. Schauen Sie, ich bin regelmäßig in Prag. Dort ist es im Außenministerium so, dass man mir gesagt hat, wir sind da neutral. Wenn ihr diese Stiftung – früher hat man gesagt, das Zentrum gegen Vertreibungen -, wenn ihr das braucht, ist euere Sache und wer da im Stiftungsrat ist, ist eure Sache. Mit den Ungarn ist es noch besser. In Ungarn ist es so, dass vor zwei Jahren Erika Steinbach von der Parlamentspräsidentin eingeladen wurde, und hat dort im Parlament gesprochen, und wir haben daraufhin der ungarischen Parlamentspräsidentin Szili unsere Verdienstmedaille überreicht. Sie sehen: Es geht auch anders. Nur in Polen gibt es da ein paar Befindlichkeiten, die natürlich auch durch diese unglückselige Geschichte mit den Kaczynskis aufgestachelt worden ist. Da muss man sich anders auseinandersetzen und eigentlich nicht über einen Sitz in einem Stiftungsrat.

    Barenberg: Für diese Befindlichkeiten auf polnischer Seite, Herr Schläger, gibt es ja auch handfeste Gründe. Darauf können wir vielleicht gleich noch mal eingehen. Ich wollte noch mal auf Ihren Eingangssatz zurückkommen, der Sitz im Stiftungsrat sei so unwichtig wie nur was. Heißt das, Sie stehen nicht an der Seite von anderen führenden Mitgliedern im Bund der Vertriebenen, zum Beispiel von Bernd Posselt, der sagt, die Beteiligung von Frau Steinbach sei unverzichtbar?

    Schläger: Nein. Es ist so: Die Interpretation ist jetzt so ein bisschen verkehrt, wenn ich sage, wenn man meinen würde, dieser Stiftungsrat wäre nichts wert. So ist es nicht. Aber man muss mal sich überlegen, ob dieser Platz, der jetzt leer ist, von Frau Steinbach besetzt ist oder nicht. Frau Steinbach sitzt indirekt trotzdem mit am Tisch. Sie wissen ja, dass die anderen zwei Sitze, einer, ist von mir besetzt. Wir arbeiten dort, das muss man jetzt nämlich sehen, sehr gut zusammen. Wir haben jetzt die dritte Stiftungsratssitzung hinter uns und es ist dort die Arbeit groß, in einem großen Einvernehmen. Deswegen ist es eigentlich überflüssig, jetzt vor allem von außen hier so viel Wirbel reinzubringen.

    Barenberg: Wer bringt diesen Wirbel herein?

    Schläger: In erster Linie Leute aus Polen, aber auch Leute von uns, wie jetzt Guido Westerwelle, der meint, er müsse den Polen einen Gefallen machen. Schauen Sie, man muss doch mal auch die Verdienste von Erika Steinbach anschauen. Das wird hier vollkommen vergessen, dass es der Verdienst von Erika Steinbach war, dass sie in den elf Jahren, wo sie Präsidentin des BdV ist, eine hervorragende Versöhnungsarbeit gemacht hat und auch anerkannt ist in beiden Bereichen. Wenn Sie ihre Reden vor der Universität in Warschau anschauen, oder vor der Karls-Universität in Prag, oder die Rede vorm ungarischen Parlament, das ist Versöhnung pur und ihr ist es auch gelungen und zu verdanken, dass der BdV alle radikalen Elemente aus seinen Spitzenpositionen entfernt hat.

    Barenberg: Nun suchen wir ja alle, Herr Schläger, nach einem Kompromiss in der verfahrenen Situation. Er kann aber nicht so aussehen, das sagen Sie klipp und klar, dass Erika Steinbach verzichtet? Das schließen Sie aus?

    Schläger: Wir schließen aus, einstimmig hat das Präsidium in der letzten Woche beschlossen, dass wir auf diesen Sitz verzichten – einstimmig.

    Barenberg: Und da gibt es auch kein Vertun?

    Schläger: Man soll niemals nie sagen im Leben und vor allem in der Politik, aber so, wie das jetzt einseitig gefördert wird, und schauen Sie: Da kommt nämlich jetzt noch was dazu. Sie haben es in Ihrem Eingangs-Statement gesagt. Die Kanzlerin hat hier einen großen Fehler gemacht, indem sie diese Geschichte nicht in der Koalitionsvereinbarung angesprochen hat. Vielleicht hat man es intern besprochen und hat gemerkt, das ist schwierig, und wollte es aussitzen wie so oft. Das läuft jetzt eben dadurch leider falsch. Ich meine, die hatten Gespräche und das muss ja nicht unbedingt in den 120 Seiten der Koalitionsvereinbarung stehen, aber zumindest in einer Nebenabrede hätte man dieses Problem aus der Welt schaffen können und müssen.

    Barenberg: Muss die Kanzlerin jetzt ein Machtwort sprechen?

    Schläger: Irgendwie ja, zumal sie sich vor der Wahl eindeutig für Erika Steinbach ausgesprochen hat. Das haben wir schriftlich in den Wahlbrief-Steinen, die wir den Parteien zugeleitet hatten, während man bei der FDP damals schon gesehen hat, dass es kritisch wird, dass hier wahrscheinlich die Ansicht sich durchsetzt, es müsse ohne Steinbach gehen. Das steht zwar nicht explizit drin, aber die schreiben da rein, dass man hier auf die Befindlichkeit der östlichen Nachbarn Rücksicht nehmen müsse, und da weiß man ja, was das heißt.

    Barenberg: Das heißt, was Sie vorschlagen ist, die Kanzlerin macht von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch und weist Guido Westerwelle, ihren Außenminister, in die Schranken und sagt, wir werden im Kabinett der Nominierung von Erika Steinbach zustimmen?

    Schläger: Wenn sie sich an das hält, was sie vor der Wahl gesagt hat, ja.

    Barenberg: Es sieht aber nicht danach aus?

    Schläger: Das weiß man nicht. So was kann sich auch ändern. Schauen Sie, wir haben ja einen neunköpfigen wissenschaftlichen Beirat. Da ist ein Vertreter Polens, ein Vertreter Tschechiens, ein Vertreter von Ungarn drin. Die Arbeit läuft eigentlich, und zwar gut. Deswegen ist eigentlich diese ganze Debatte, diese Personaldebatte so überflüssig wie nur was, wenn man weiß, dass die Sachthemen und alles, was damit zu tun hat, hervorragend laufen.

    Barenberg: Was ich noch nicht ganz verstanden habe, warum der BdV, warum Sie die Nominierung von Frau Steinbach weiter verschoben haben.

    Schläger: Das ist möglicherweise eine taktische Sache. Ich sage jetzt möglicherweise, weil wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man die Verschiebung nicht gebraucht, aber es waren einige doch der Meinung, wir warten noch mal ab. Man hatte sich vor allem von der Konferenz in Meseberg erhofft, dass dort die Regierung sich vielleicht doch zusammenraufen wird und dass sich das eher in Wohlgefallen auflöst. Ist jetzt nicht so. Man wird halt weiter verhandeln müssen.

    Barenberg: Damit hat also auch der BdV dann seinen Teil dazu beigetragen, dass die Situation so verfahren ist, wie sie jetzt ist, so blockiert?

    Schläger: Na ja, wenn es nach uns ginge – und das hatten wir alles vor der Wahl abgeklopft -, dann wäre das längst in trockenen Tüchern. Ist jetzt nicht so, aber wissen Sie, wir müssen auch ein bisschen an unser Selbstverständnis denken und an unsere Basis. Es sind immerhin 2,5 Millionen Mitglieder, die darauf schauen, was hier an der Spitze geschieht und wie man mit unserer Präsidentin, die so große Verdienste hat, umgeht. Das muss man einfach jetzt über Parteigrenzen hinweg feststellen.

    Barenberg: Albrecht Schläger, der Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen heute Morgen im Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch, Herr Schläger.

    Schläger: Ich bedanke mich auch, Herr Barenberg.