Biografie Adolf Holl zum 88. Geburtstag

"Da hat der Heilige Geist kein Nickerchen gemacht"

Adolf Holl
Der österreichische Theologe Adolf Holl im Gespräch © Rainer Friedl / friedlundpartner.at
Von Stefan May · 22.04.2018
Adolf Holl wurde vom Priesteramt supendiert - mit seinem Buch "Jesus in schlechter Gesellschaft" (1971) hatte er die katholische Kirche heftig provoziert. Zu seinem Geburtstag ist jetzt seine Biografie erschienen. Stefan May hat sie gelesen, mit dem Autor und Adolf Holl gesprochen.
Das von Harald Klauhs verfasste Buch "Adolf Holl" trägt den Untertitel "Bilanz eines rebellischen Lebens". Ein Rebell war er, jener Kaplan aus Wien, in den Jahren, als sich die katholische Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil zu neuen Ufern aufmachte. Auch wenn Autor Harald Klauhs den von ihm Porträtierten anders sieht: "Weil ich ja nicht dogmentreu bin und zu den katholischen Dogmen keinen Bezug hab. Daher ist er für mich jetzt kein Rebell, sondern ein lustiger, witziger, vitaler, unglaublich geistreicher Mensch, der mich jedes Mal bereichert hat, wenn ich mit ihm sprechen konnte."
Holl selbst, der die Biografie über sich als "Meisterstück" bezeichnet, hat hingegen nichts gegen das Bild des Rebellen: "Ich bin eigentlich vorgestellt als ein Störenfried. Und das wird wahrscheinlich stimmen."

Den Zölibat gebrochen

Adolf Holl brach bewusst Tabus: Als erster Priester bekannte er öffentlich, den Zölibat gebrochen zu haben. Er forderte Papst Paul VI. wegen dessen Pillen-Enzyklika "Humanae Vitae" zum Rücktritt auf. Der liberale Wiener Kardinal Franz König konnte seinen Geistlichen schließlich nicht mehr vor dem zunehmenden Zorn des Vatikans schützen. Holl erhielt 1973 kirchliches Lehrverbot, drei Jahre später wurde ihm untersagt als Priester zu arbeiten. Der Rebell von einst ist heute milder geworden.
"Warum habe ich ein Priester werden müssen, der in der ganzen Situation dem armen Kardinal König so viel Sorgen bereitet habe? Das war ja nicht meine Absicht." Bis heute fehlt ihm das Feiern der Messe, allerdings jener im lateinischen, vorkonziliaren Ritus. Geht es um die Liturgie-Reform, zeigt er sich noch immer als Rebell. "Das ist eine Kulturschande ersten Ranges. Das sage ich in aller Ruhe. Eine Kulturschande wirklich ersten Ranges. Denn diese Liturgie-Professoren, die sich eingebildet haben, sie werden jetzt die Liturgie reformieren, die haben noch nie ein gerades Wort zu Papier gebracht."
Die Aura der lateinischen Messe hatte Holl als 14-jährigen Ministranten in einer oberösterreichischen Landgemeinde gefangen genommen und Zeit seines Lebens nicht mehr losgelassen. Das ist einer der Widersprüche des Rebellen, der einst die Türen der katholischen Kirche weit aufstoßen wollte, in der Frage der Tradition aber in die Nähe der Piusbrüder gerät. Wenngleich er Letzteres brüsk von sich weist. "Diese Traditionalisten sind vernachlässigenswert. Sie sind vor allem, das ist wahrscheinlich der Punkt, an dem mir gelegen ist, rechthaberisch. Es fehlt ihnen jegliche Heiterkeit."

Doktor der Theologie, aber auch der Soziologie

Vielleicht ist Holls Hang zur Messfeier in lateinischer Sprache mehr auf eine emotionale Prägung als auf die spirituelle Erfahrung eines wissenschaftlich denkenden Menschen zurückzuführen. Er stiftete in Leipzig eine Professur für Religionskritik, einzigartig im deutschsprachigen Raum. Holl ist nicht nur Doktor der Theologie, sondern auch, was für seinen Biografen Harald Klauhs von besonderer Bedeutung ist, Doktor der Soziologie. "Er wäre ohne sein Soziologiestudium wahrscheinlich nicht der Rebell geworden, der er ist, und er hätte aus diesem Jesus nicht einen so soziologischen Jesus gemacht. Er hätte Jesus nicht sozusagen aus seiner Gesellschaft heraus verstanden, wenn er nicht Soziologie studiert hätte", sagt Klauhs.
Deshalb auch hieß Holls erstes Buch "Jesus in schlechter Gesellschaft". Es machte ihn schlagartig über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt und trug ihm den Ruf eines Ketzers ein.
"Holls Bücher lassen sich auch als Selbsttherapie lesen. Die Versuchung ist deshalb groß, Holls Leben aus seinem Werk heraus aufzuschlüsseln. Nicht nur, weil in fast jedem Buch Autobiografisches zu finden ist, sondern auch, weil alle seine Bücher miteinander korrespondieren", heißt es in Harald Klauhs Biografie.
Dort wird auch immer wieder das Tagebuch des katholischen Querdenkers zitiert, das eine weitere Erklärung liefern könnte, warum der Lebensweg des Adolf Holl so und nicht anders verlaufen ist. Besonders im Priesterseminar und als junger Geistlicher schreibt er darin immer wieder von seinem Ringen um den rechten Glauben, aber auch vom Kampf gegen die eigene Geltungssucht. "Ja, den habe ich verloren. Ich bin ein eitler Zeitgenosse, so wie jeder Schriftsteller natürlich oder jede Schriftstellerin. Sie möchten alle in Wirklichkeit den Nobelpreis haben."

Holl und auch die Kirche sind ruhiger geworden

Die Kirche hat sich verändert, Adolf Holl hat sich verändert. Beide sind ruhiger geworden. Fast scheint es, als hätten sich die zwei Antagonisten von einst, die Kirche und Adolf Holl, aufeinander zubewegt.
"Erstaunlicherweise ist dieser neue Papst erschienen auf der Bildfläche. Da hat der Heilige Geist ausnahmsweise kein Nickerchen gemacht, sondern hat diesen Papst geschickt. Von wo, das wollen wir vielleicht offen lassen. Ich hab auch ein Buch geschrieben, ein Büchlein, schmales: 'Falls ich einmal Papst werden sollte'. Und wenn ich einen guten Tag habe, dann denke ich mir im Stillen, der jetzige Papst hat sich ziemlich genau an dieses Büchlein gehalten. Sehr zufriedenstellend."
Holl ist ein Kind seiner Zeit, sein Aufbegehren gegen die kirchlichen Autoritäten ist im Zusammenhang mit dem Aufbegehren der 68er-Bewegung zu sehen. Heute blickt Adolf Holl auf ein Leben mit großen Veränderungen, Aufregungen und Widersprüchen zurück. Ein Leben, in dem er immer wieder Fragen gestellt hat und ein Suchender geblieben ist. Würde er noch einmal den Umweg über den Priesterberuf nehmen? "Ja, ganz sicher. Ich würde es genau noch so wieder machen, wie ich es gemacht habe. Es war, im Rückblick zu sehen, ein schönes, erfülltes, aufgeregtes Leben."
Holl, der einst vom Priesteramt suspendiert wurde, weil er zentrale katholische Glaubenswahrheiten in Frage gestellt hatte, sagt, dass er täglich versuche, sich in die Gegenwart Gottes zu versetzen: "Man kann darin aber auch – anders als bei Konvertiten oder Renegaten – eine Treue zu sich selbst erkennen. Dass er trotz Glaubensverlusts die Bindung an sein Priesteramt nicht preisgeben wollte, ist einer der produktiven Widersprüche, die Holls Besonderheit ausmachen."
Holl: "Ich werde oft gefragt, immer noch: Glauben Sie? Infolgedessen sage ich lieber drauf: An der Glaubensfrage arbeite ich noch."
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